„Schwierig zu entdecken und zu zerstören“ – Luftabwehr der Ukraine liegt am Boden
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„Schwierig zu entdecken und zu zerstören“ – Luftabwehr der Ukraine liegt am Boden
Keine „Wunderwaffe“, aber effektiv: Russlands neue Cruise Missile schlägt im Krieg ein – die Ukraine lässt sie gewähren, ihr noch fehlen die Mittel.
Awdijiwka – Dimitri Medwedew spuckt offenbar schon wieder Gift und Galle. Den Grund für die schlechte Laune des ehemaligen russischen Präsidenten sieht die Süddeutsche Zeitung (SZ) darin, dass die USA das mehr als 60-Milliarden Dollar schwere Hilfspaket jetzt durchgewunken haben. Laut ukrainischen Militärs, die die SZ zitiert, würde die Wirkung der versprochenen Waffen „in vier oder sechs Wochen zu spüren sein“. Wladimir Putins Truppen haben demnach noch höchstens einen Monat Zeit, im Ukraine-Krieg offensiv aufzutrumpfen. Russlands neuer Kh-69-Marschflugkörper soll eine Entscheidung erzwingen – die Fähigkeit zur Wunderwaffe wird ihm attestiert, aber die Wahrheit scheint zu sein: Der Ukraine sind schlichtweg die Möglichkeiten zur Verteidigung ausgegangen.
Vor allem deshalb hatte Russland jüngst Wirkungstreffer gegen das Kohlekraftwerk Trypillja erzielen können – mit einem neu eingesetzten Marschflugkörper, der optisch den westlichen Storm Shadow und Scalp-Raketen ähneln soll, wie die Kiew Post aktuell berichtet. Sowohl ukrainische als auch russische Quellen haben bestätigt, dass Russland am 11. April bei den Angriffen auf das Kraftwerk Trypillja, rund 40 Kilometer von der Hauptstadt Kiew entfernt, einen neuen Marschflugkörper eingesetzt hat. Vielen Analysten gilt die Kh-69 als aktuell größte Bedrohung für die Luftverteidigung der Ukraine.
„Elf Raketen wurden auf die Trypillja-Station abgefeuert, von der die Stromversorgung in der Region Kiew abhängt. Es gelang uns, die ersten sieben abzufangen, aber die restlichen vier trafen Trypillja. Warum? Weil wir keine Raketen mehr hatten. Wir haben alle Raketen, die Trypillja verteidigten, erschöpft.“
„Wie die Praxis gezeigt hat, kann der Einsatz dieser Rakete durch die Russen im Hinblick auf ihre Folgen für die Ukrainer gefährlicher sein als der Einsatz der Kh-47M2 Kinschal-Rakete“, behauptet das Magazin Defense Express, wie die Frankfurter Rundschau berichtet hat. Zwei Eigenschaften hat Russlands neue Bedrohung demnach den bisherigen Waffen voraus: ihre Reichweite und die niedrige Flughöhe. „Die geringe Höhe der Rakete in Kombination mit der geringen Radarsichtbarkeit des wellenabsorbierenden Materials, aus dem ihr Körper besteht, macht es schwierig, sie zu entdecken, abzufangen und zu zerstören“, schreibt die Kiew Post.
Der Kh-69-Marschflugkörper soll eine Strecke von 400 Kilometern zurücklegen können und das in einer Flughöhe von rund 20 Metern; das erweitert nicht nur dessen Radius, sondern erschwert der Flugabwehr auch das Aufspüren des Objekts. Defense Express schreibt, dass diese Marschflugkörper als „Neuverpackung“ der Kh-59MK2 betrachtet werden können, allerdings mit einigen strukturellen Unterschieden: Die Rakete habe jetzt einen kastenförmigen Rumpf mit trapezförmigem Querschnitt, der so zugeschnitten sei, dass er in den Waffenschacht der Su-57 passe.
Russland setzt weiter auf den Terror gegen die Infrastruktur
Offenbar setzt Russland weiterhin verstärkt auf einen Zermürbungskrieg gegen die Ukraine und deren Infrastruktur – Reporter Henner Hebestreit berichtet für das ZDF „von rund 100 Drohnen und Raketen, die in den letzten Wochen auf Ziele der Infrastruktur in der Ukraine abgefeuert wurden. Ein Großteil konnte durch die ukrainische Luftabwehr abgefangen werden. Sorge bereite den Menschen in den betroffenen Gebieten vor allem die Präzision und damit die gewaltige Zerstörungskraft der Geschosse.“ Den Verteidigern droht offenbar die Puste auszugehen – die Gefährlichkeit des neuen russischen Marschflugkörpers Kh-69 resultiert möglicherweise allein auf dem Umstand, dass die ukrainische Luftabwehr am Boden liegt.
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In diese Richtung argumentiert auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem aktuellen Interview mit dem US-Sender PBS in dessen News Hour: „Man muss stärker sein als der Feind, um ihn zu besiegen. Heute ist das Artilleriemunitionsverhältnis 1 zu 10. Können wir so durchstehen? Nein. Auf jeden Fall werden sie uns bei solchen Statistiken jeden Tag zurückdrängen. Wenn wir das verteidigen wollen, was unter unserer Kontrolle steht, dann sollten wir zu proportionalen Zahlen kommen – 10 zu 10“, sagte Selenskyj laut einer Zusammenfassung der Kiew Post.
Ukraine bald ohne Strom – ein Drittel der Energie-Anlagen möglicherweise vernichtet
Die Süddeutsche Zeitung erwartet einen neuerlichen Vormarsch russischer Truppen „vor allem um die Kleinstadt Awdijiwka und nahe des strategisch bedeutsamen Hügelgeländes von Tschassiw Jar“. Nach deren Informationen sollen inzwischen etwa zwei Drittel der Energie-Infrastruktur des Landes zerstört worden sein. Der Himmel über der Ukraine scheint demnach offen zu sein wie ein Scheunentor. Der Grund scheint extrem simpel, wie Selenskyj im amerikanischen Fernsehen eingeräumt hat: „Elf Raketen wurden auf die Trypillja-Station abgefeuert, von der die Stromversorgung in der Region Kiew abhängt. Es gelang uns, die ersten sieben abzufangen, aber die restlichen vier trafen Trypillja. Warum? Weil wir keine Raketen mehr hatten. Wir haben alle Raketen, die Trypillja verteidigten, erschöpft.“
Allerdings verbreiten die ukrainischen Verteidiger noch Zuversicht: Der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Major Ilja Jewlasch, sagte gegenüber Newsweek, die Kh-69 sei lediglich eine verbesserte Version der Marschflugkörper Kh-59, mit der Moskau wiederholt ukrainische Infrastruktur angegriffen habe. Jewlasch bezweifelt jedoch Russlands Fähigkeit, diese neue Raketen in großem Umfang herzustellen, weil sie dazu spezielle Bauteile wie Chips und Halbleiter beschaffen müssten und überdies wohl die neuen Raketen kaum schneller produzieren könnten als andere Waffen. „Eine im Februar 2024 untersuchte Rakete wies Herstellungsangaben vom Ende 2023 auf, was auf das beginnende Stadium des Produktionszyklus der Kh-69 hindeutet“, schreibt beispielsweise The New Voice of Ukraine.
Die Patriot – Putins Stachel im Fleisch und Selenskyjs Strohhalm der Hoffnung
Zudem scheinen die Patriot-Raketen ihre Aufgabe bravourös zu meistern: Luftwaffen-Sprecher Jewlasch gibt sich in der New Voice of Ukraine jedenfalls kämpferisch gegen die vermeintlich große Bedrohung durch die Kh-69: „Höchstwahrscheinlich wird das Patriot-Luftverteidigungssystem auch in der Lage sein, ihr entgegenzuwirken, da es bereits gegen weitaus ausgefeiltere Raketen seine Stärke bewiesen hat: gegen Raketen, wie die Hyperschallraketen Zirkon und Kinschal“.
Aktuell hat auch die Nato beschlossen, ihre Hilfen noch weiter zu intensivieren, wie zuletzt auf der Sitzung des Ukraine-Nato-Rates bekanntgegeben worden ist – Deutschland hatte da bereits ein weiteres Patriot-System zugesagt. Allerdings machte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auch deutlich, dass offensichtlich keine Sicherheit darüber bestehe, in welchem Umfang die Ukraine noch Hilfe von der Nato erwarten könne. „Ich habe auch klargestellt, dass natürlich die Gefahr besteht, dass die Nato-Richtlinien nicht eingehalten werden, wenn ich die Bündnispartner auffordere, tiefer in ihre Lagerbestände einzutauchen“, sagte Stoltenberg in der anschließenden Pressekonferenz.
Grünes Licht in den USA: Waffenhilfe offenbar schon längst versandfertig
Laut der Süddeutschen Zeitung sei mit der Freigabe der US-Waffenhilfe nur der halbe Weg beschritten – ihr zufolge sei das Rennen gegen die Zeit für die Ukraine noch offen: „Offenbar wurden Reserven aus westeuropäischen Beständen der USA, vorwiegend aus Depots in Deutschland, mobilisiert. Das Material wurde Andeutungen aus dem Pentagon zufolge bereits versandfertig gemacht oder schon an der polnischen Grenzen zum Weitertransport gesammelt.
Allerdings gilt der Einsatz von Kh-69-Marschflugkörpern nicht nur als Russlands Joker im Rennen gegen die Zeit, sondern auch als nächster Schritt in der Entwicklung effektiverer Waffen, wie der britische Telegraph vermutet, wenn er schreibt: „Das in den USA ansässige Institute for the Study of War sagte, das Auftauchen der Kh-69-Rakete in der Ukraine sei ein Zeichen für die Entschlossenheit des Kremls, seinen Krieg in der Ukraine durch eine Anpassung seiner Waffenproduktion zu gewinnen.
Noch im August hatte der Putin-Vertraute Dimitri Medwedew der Ukraine auf dem Social Media-Kanal Telegram prophezeit, deren Führung in Asche verwandeln zu wollen: Damit Russland nicht in „Stücke“ zerteilt werde, müsse das „feindselige politische Regime“ in der Ukraine schnellstens zerstört werden. Medwedew und andere hatten der Welt auch schon wiederholt mit einem Atomschlag gedroht. (KaHin)