„Brandgefährliche Lage“ – Wieso Transnistrien für Putins Ukraine-Krieg so wichtig ist
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Die abtrünnige Region Transnistrien geht auf Russland zu. Dahinter steckt Kalkül – und der Versuch der Ausweitung des Ukraine-Kriegs. Ein Russlandexperte ordnet ein.
Tiraspol – Sie gilt als „letzte Sowjetrepublik“ der Welt. Die Region Transnistrien, offiziell Teil des EU-Beitrittskandidaten Moldau, de facto aber ein eigenständiges Gebiet mit eigenem Regime, steht in der Tradition der Sowjetunion und hat viel Sympathie für Putins Russland. Nun bittet Transnistrien Putin um Schutz und könnte damit eine neue militärische Eskalation in Osteuropa in Bewegung setzen. Denn: Die Parallelen im russischen Umgang mit Transnistrien und der Ukraine sind deutlich erkennbar.
Russische Truppen in Transnistrien – was plant Putin?
Das von prorussischen Separatisten kontrollierte und selbstverwaltete Transnistrien hat sich bereits 1992 von der nach dem Zerfall der Sowjetunion neu gegründeten Republik Moldau unabhängig erklärt. Anerkannt wird diese Abspaltung völkerrechtlich und international nicht, außer von Russland. Seit über 30 Jahren steht die Region, in der etwa ein Drittel der Bevölkerung ethnische Russen sind, unter dem Einfluss des Kreml, Moskau hat dort sogar Soldaten stationiert. Die jüngste Bitte um Schutz vor Moldau reiht sich in Schritte ein, Transnistrien in Russland einzugliedern. Besonders seit Beginn der russischen Aggression in der Ukraine 2014 ist ein klares Muster erkennbar.
„Schon 2014 gab es einen Beitrittsbeschluss der Regierung Transnistriens zu Russland, 2022 gab es Unruhen, die möglicherweise eine russische Anlandung in Transnistrien provozieren sollten“, sagt Wolfgang Müller gegenüber IPPEN.MEDIA. Er ist Professor am Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien und forscht zur sowjetischen Geschichte. Eine Eingliederung und Truppenverlegung in die im Osten Moldaus liegende Region ist bisher zwar nicht erfolgt, trotzdem spricht Müller von einer „brandgefährlichen Lage“.
Transnistrien bekommt im Ukraine-Krieg neue strategische Bedeutung
„Transnistrien hat seit der russischen Aggression gegen die Ukraine eine neue strategische Bedeutung bekommen, da eine Invasion der Ukraine von Südwesten her für die Ukraine sehr gefährlich wäre“, sagt der Russlandexperte. „Es ist durchaus möglich, dass Russland nun eine weitere Eskalation anstrebt.“

Der Plan, im Ukraine-Krieg eine weitere Front zu eröffnen, steht schon seit 2022 im Raum. Mit der neusten Bitte der Separatisten, die nur mit Zustimmung Putins erfolgt sein dürfte, bekommt diese Gefahr aber eine neue Relevanz. „Man kann nicht mehr ausschließen, dass der konventionelle Krieg die Grenzen der Ukraine überschreitet“, sagt Müller zu Situation.
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Transnistrien: Eine Region in russischer Hand
Müller, der sich mit dem politischen Denken in Russland befasst, war von der Meldung aus Transnistrien nicht überrascht. Die Region unterscheidet sich deutlich vom Rest Moldaus, das historisch betrachtet eine große Nähe zum Nachbarland Rumänien hat. Transnistrien dagegen wurde bereits im 18. Jahrhundert Teil des russischen Zarenreichs, stand später politisch an der Seite der Sowjetunion und nun Russlands. Während die Republik Moldau eine Demokratie sowie EU-Beitrittskandidat ist und sich nach Westen orientiert, ist das politische System Transnistriens repressiv und unfrei.
Transnistrien | |
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Hauptstadt: | Tiraspol (geschätzt 150.000 Einwohner) |
Einwohner: | rund 375.000 insgesamt |
Fläche: | 3567 km² |
Status: | von Russland gestütztes De-facto-Regime |
völkerrechtlich: | Teil der Republik Moldau |
Amtssprachen: | Moldauisch, Russisch und Ukrainisch |
Auffällig sind die Parallelen der russischen Erzählweise über Transnistrien und die Ukraine. 2014 nahm Putin den Schutz der vermeintlich unterdrückten russischstämmigen Bevölkerung als Anlass für seinen Einmarsch in die Ostukraine sowie die Krim. Eine ähnliche Argumentation schob der Präsident auch 2022 vor Beginn der Großoffensive vor. Den Kriegshandlungen voraus gingen Hilfsgesuche der prorussischen Separatisten in der Ukraine. Gleiches ist nun auch in Transnistrien zu beobachten. „Viele russische Argumente sind bei Transnistrien und der Ukraine sehr ähnlich“, sagt Müller, betont jedoch, dass Transnistrien für Russland weder historisch noch politisch dieselbe Bedeutung wie die Ukraine habe.
Trotz Putins Einfluss in Transnistrien: militärisch gibt es Hürden
Bleibt also besonders die im Ukraine-Krieg strategisch wichtige Lage Transnistriens. Die Region liegt unweit der für die Ukraine wichtigen Hafenstadt Odessa. Eine weitere Front dürfte die ohnehin angespannte Lage der Ukraine weiter verschärfen. Da Russland aber keine an Transnistrien angrenzenden Gebiete in der Ukraine kontrolliert und auch im Schwarzen Meer über keine militärische Dominanz hat, dürfte eine Truppenverlegung in die separatistische Region für Putin bisher noch schwierig werden, sagt Osteuropaexperte Müller: „Die Verbringung größerer Truppenteile über den Landweg ist derzeit nicht möglich, und auch der Luftweg ist sehr riskant.“