Merz‘ Generalin warnt vor leeren Kassen vor Ort: „Nicht mal Geld für Schul- und Kindergarten-Sanierung“
Kommunen sind auf Rekordniveau verschuldet und oft nicht mehr handlungsfähig. Die für Kommunales zuständige CDU-Generalsekretärin Christina Stumpp sagt, wie man nun aktiv werden wolle.
Berlin – Die Koalition verabschiedet sich streitend in die Sommerpause. Gebrochenes Stromsteuer-Versprechen und eine verkorkste Richterwahl hinterlassen einen faden Beigeschmack bei Union und SPD. Die stellvertretende CDU-Generalsekretärin Christina Stumpp bedauert, was passiert ist, und zeigt Verständnis für den Frust der Menschen. Doch sie will im Interview auch auf die schwarz-roten Erfolge hinweisen. Und sie macht klar, wie die Union die teils völlig überlasteten Kommunen endlich wieder handlungsfähig machen will.
Frau Stumpp, wie ist Ihr Eindruck von der neuen Bundesregierung?
Aus Gesprächen mit Menschen in meinem Wahlkreis weiß ich, dass sie positiv auf die neue Regierung blicken. Wir haben einen Kanzler, der eine starke Rolle in Europa spielt und der Weltformat hat. Das haben wir bei seinem Auftritt im Oval Office mit Donald Trump gesehen.

Zuletzt hagelte es wegen der verkorksten Richterwahl Kritik an der Regierung. Erleben wir hier gerade die Ampel 2.0 - eine Regierung im Dauerzank?
Davon kann keine Rede sein, im Gegenteil: Keine Bundesregierung hat in so kurzer Zeit so viel auf den Weg gebracht wie diese Koalition. 80 Gesetzesvorhaben wurden am Freitag im Bundesrat beschlossen. Keine Frage: Die letzte Woche war nicht schön und wir müssen das beim nächsten Mal besser machen. Aber eine Krise ist das nicht.
Besonders Ihr Fraktionsvorsitzender Jens Spahn steht durch die verschobene Richterwahl in der Kritik – seine Unionsfraktion ist schon jetzt offen gespalten. Wie soll das denn noch eine ganze Legislatur gutgehen?
Nochmal: Wir als CDU/CSU haben in den ersten 70 Tagen gemeinsam mit der SPD sehr viele Gesetzesvorhaben im Bereich Wirtschaft und Innere Sicherheit auf den Weg gebracht. Dieses Tempo und die gute Zusammenarbeit möchten wir fortsetzen. Denn es gibt noch viel zu tun. Die Bürger erwarten schnelles Handeln, gute Ergebnisse und dass es wieder läuft im Land.
Stehen Sie noch hinter Spahn als Ihrem Fraktionsvorsitzenden?
Selbstverständlich.
CDU, CSU und SPD im Dauerstreit – wie geht es beim Strompreis weiter?
In der Koalition gab es auch schon vorher Zoff: Die Debatte, ob Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen sollen, Mindestlohn von 15 Euro oder das gebrochene Versprechen zur Stromsteuer. Gibt es nur Meinungsverschiedenheiten zwischen Union und SPD?
Meinungsverschiedenheiten gibt es immer, das ist normal. Ich nehme aber vor allem wahr, dass diese Regierung ins Machen gekommen ist. Wir liefern, was versprochen wurde, zum Beispiel bei der Migration: Seit Tag eins haben wir stetige Grenzkontrollen und Zurückweisungen. Die Zahl der Asylanträge hat sich im Vergleich zum Vorjahr halbiert und wir haben die niedrigsten Zugangszahlen seit 2013. Was wir versprochen haben, haben wir bereits umgesetzt: Abschaffung der Turboeinbürgerung und des steuerfinanzierten Rechtsbeistandes für abgelehnte Asylbewerber. Die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten zukünftig per Rechtsverordnung zu regeln, ermöglicht schnellere Verfahren und zügigere Abschiebungen.

Außer bei der Stromsteuer – da haben Sie versprochen, alle zu entlasten. Jetzt wird die Steuer nur für Unternehmen gesenkt. Verstehen Sie, wenn die Menschen da gefrustet sind?
Ja, in Teilen verstehe ich den Frust. Aber es ist doch nicht so, dass gar nichts geliefert wurde. Im Wahlkampf haben wir versprochen, den Strompreis mit einem Paket aus Maßnahmen um fünf Cent pro Kilowattstunde zu senken. Wir streichen die Gasspeicherumlage und senken die Netzentgelte. Allein dadurch senkt sich der Strompreis schon um bis zu drei Cent pro Kilowattstunde für die Menschen. Also wurde bereits ein Teil unseres Versprechens eingelöst.
Im Koalitionsvertrag steht aber, dass auch die Stromsteuer für alle gesenkt wird.
Ich hätte mir das auch gewünscht. Das Projekt steht aber unter Finanzierungsvorbehalt. Und wir sagen ja nicht, dass die Senkung gar nicht kommt. Der Koalitionsvertrag ist auf vier Jahre festgelegt, nicht auf ein paar Wochen. Perspektivisch wollen wir die Stromsteuer für alle bis zum 1. Januar 2027 senken. Ich bin guter Dinge, dass auch diese Entlastung für alle noch kommt.
Apropos klamme Kassen: Die Stromsteuersenkung hätte genau wie die Mütterrente etwa fünf Milliarden pro Jahr gekostet. Könnte man das Geld nicht besser verwenden?
Fragen Sie das doch die vielen Mütter mit geringen Renten, die davon profitieren. Ich finde, wir sollten gesellschaftliche Gruppen nicht gegeneinander ausspielen. Bis die Mütterrente umgesetzt wird, dauert es, weil das ein sehr aufwändiger Vorgang ist. Deswegen ist es richtig, da zeitnah in die Umsetzung zu gehen.
CDU war zu lange nur Merkel-Partei
Ihr Amtskollege Carsten Linnemann und Sie sind kein Teil der Bundesregierung und wollen die CDU als eigenständiges Organ statt als verlängerten Arm der Bundesregierung aufstellen. Kein leichtes Unterfangen, wenn der CDU-Chef selbst der Kanzler ist, oder?
Wir haben in den 16 Jahren mit Angela Merkel gemerkt, dass die Partei im Schatten des Kanzleramts inhaltlich nicht mehr gut aufgestellt war. Diesen Fehler möchten wir nicht wiederholen. Mit dem neuen CDU-Grundsatzprogramm gibt es jetzt ein Leitbild, was CDU pur ist. Wir sind eine moderne Volkspartei. Auf dieser Basis muss die CDU ein Impulsgeber für die Bundesregierung sein.
Wenn die Partei eine andere Position als die Bundesregierung vertritt, wirkt das schnell wie interner Streit. Kommt da bei den Menschen durch, dass es um CDU-Positionen und nicht um Streit geht?
Das dringt auf jeden Fall durch. Die Menschen nehmen die Personen und die Partei wahr. Wenn wir als CDU für etwas einstehen, bleibt genau das bei den Menschen hängen. Deshalb lassen wir es uns auch nicht nehmen, weiterhin unsere eigenen Forderungen einzubringen. Zugleich wissen wir alle, dass eine Regierung immer Kompromisse schließen muss, die nicht nur nach unserem Geschmack sind. So ist das in einer Demokratie.
Kommunen finanziell am Abgrund: Kaum Geld für Schulen und Kitas
Sie sind als stellvertretende Generalsekretärin vor allem für die Kommunen zuständig. Die Verschuldung der Städte und Gemeinden ist auf Rekordniveau, oft fehlt vor Ort das Geld für ganz Grundsätzliches. Wie blicken Sie auf die Situation?
Ich bin über 20 Jahre in der Politik aktiv, lange Zeit davon vor Ort in meiner Heimat. Die Lage der Kommunen war noch nie so herausfordernd wie jetzt. Wir haben ein kommunales Defizit von über 24 Milliarden Euro und einen Investitionsstau von 215 Milliarden Euro. Viele Kommunen stehen mit dem Rücken zur Wand. Das hat viel mit Verfehlungen der Vergangenheit zu tun, auch mit der Ampel. Vor allem der unkontrollierte Zuzug und unterfinanzierte Krankenhäuser belasten die Kommunen weiterhin enorm. Oft haben Bürgermeister nicht mal mehr Geld für die Sanierung ihrer Schulen und Kindergärten.
Was also tun?
Wir brauchen eine kurzfristige und eine langfristige Strategie. Akut haben wir einen Fonds für Krankenhäuser mit insgesamt fünf Milliarden Euro pro Jahr aufgesetzt. Der Bund übernimmt die Steuerausfälle der Kommunen im Hinblick auf die Steuererleichterungen und der Turboabschreibung. Des Weiteren können durch das Sondervermögen – 100 Milliarden Euro für Länder und Kommunen – Projekte wie beispielsweise die Schulsanierung und der Kindergartenbau angegangen werden. Das wird kurzfristig Wirkung entfalten.
Wo die CDU beim Geld für Kommunen sparen will
Und was soll langfristig passieren?
Wir brauchen strukturelle Verbesserungen. Dazu planen wir den Zukunftspakt Bund, Länder, Kommune, der unter der Federführung des Innenministeriums kommen wird. Die Aufgaben, die Kommunen leisten müssen, müssen sie auch finanziell stemmen können. Mit dem Pakt wollen wir außerdem endlich effizienter arbeiten, die viel zu komplexe Fördermittelstruktur vereinfachen, verschlanken und digitalisieren. Des Weiteren bedarf es einer Aufgabenkritik, welche Maßnahmen noch erforderlich sind und in welchen Bereichen wir bei den Verwaltungskosten durch bundesgesetzliche Vereinfachungen Einsparungen vornehmen können. Dadurch können wir bei den kommunalen Ausgaben längerfristig richtig sparen.
Oftmals müssen Kommunen einen großen Teil ihres Geldes in die Tilgung der Altschulden stecken. Die SPD wollte im vergangenen Jahr einen Teil dieser Schulden auf den Bund übertragen und die Kommunen damit entlasten. Keine schlechte Idee, oder?
Wir haben mit unserem jetzigen Plan einen guten Kompromiss hinbekommen. Der Bund unterstützt jährlich mit 250 Millionen Euro für Zinsen und Tilgung bei den Altschulden. Dabei gilt es, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, sich im Gesamtkontext mit dem Länderfinanzausgleich bis Ende des Jahres genauer anzuschauen, welche Bundesländer ihre Hausaufgaben mit den Altschulden bereits erledigt haben. Wenn es uns dann noch gelingt, die Verwaltungskosten drastisch zu reduzieren, sind wir auf einem guten Weg.