„Wer nicht abschrecken kann, wird zum Spielball“: Spahn bricht Tabu und will eigenen Atom-Schutzschirm
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) will einen unmittelbaren Zugriff Deutschlands auf Atomwaffen. Er begründet dies mit der „Bedrohungslage“.
Berlin – Angesichts der Bedrohungslage durch Russland fordert Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) den unmittelbaren Zugriff Deutschlands auf Atomwaffen. „Die russische Aggression ist eine ganz neue Bedrohungslage“, sagte Spahn der Welt am Sonntag. „Europa muss abschreckungsfähig werden.“ Dafür seien US-Atombomben zwar auch in Deutschland stationiert. „Aber das reicht auf Dauer nicht.“
Vielmehr müsste man „über eine deutsche oder europäische Teilhabe am Atomwaffen-Arsenal Frankreichs und Großbritanniens reden, möglicherweise auch über eine eigene Teilhabe mit anderen europäischen Staaten“, schlug der CDU-Politiker vor. Das werde zwar viel Geld kosten, „aber wer Schutz will, muss ihn eben auch finanzieren“.
Unionsfraktionschef Jens Spahn fordert Deutschland als Atommacht
Die Vorbehalte in Deutschland, Atommacht zu werden, seien ihm bewusst: „Ich weiß, welche Abwehrreflexe sich jetzt sofort regen, aber ja: Wir sollten eine Debatte über einen eigenständigen europäischen nuklearen Schutzschirm führen.“ Und dies funktioniere „nur mit deutscher Führung“. Spahn ergänzte: „Wer nicht nuklear abschrecken kann, wird zum Spielball der Weltpolitik.“
Es sei nicht davon auszugehen, dass eine Atommacht wie Frankreich anderen Bündnispartnern finalen Zugriff auf französische Nuklearwaffen gewähren werde, sagte Spahn. „Aber für eine europäische Atommacht gäbe es mehrere Ideen, auch wenn manche erstmal verkopft und theoretisch klingen.“ Als Beispiel nannte Spahn, „dass die Zuständigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten nach dem Zufallsprinzip rotiert – dann bleibt auch ein potenzieller Gegner im Ungewissen“.

„Nukleare Teilhabe“ ist Nato-Konzept aus den 1950er-Jahren
Bislang sind Atomwaffen in Deutschland nur unter US-Hoheit gelagert – und zwar im Bundeswehr-Fliegerhorst bei Büchel in Rheinland-Pfalz. Die Bundeswehr könnte im Ernstfall für den Einsatz dieser Vernichtungswaffen herangezogen werden.
Grundlage ist das Konzept der „nuklearen Teilhabe“ in der Nato. Es besagt, dass einige Nato-Mitglieder im Kriegsfall mit ihren Flugzeugen Atombomben des großen Bündnispartners USA abwerfen. „Nukleare Teilhabe“ ist ein Nato-Konzept aus den 1950er Jahren. Im Kalten Krieg richtete es sich vor allem gegen die Sowjetunion. (mit dpa)