Ein Lichtblick, aber auch eine große Lücke

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Bester Laune: Fabiana Dorigo fachsimpelt nach dem Rennen mit OK-Chefin Martina Betz. © CF

Fabiana Dorigo feiert in Garmisch-Partenkirchen ein solides Weltcup-Debüt in der Abfahrt. Derweil tut sich der DSV sehr schwer, Speed-Nachwuchs zu generieren.

Garmisch-Partenkirchen – Nicht einmal diese neun Hundertstelsekunden konnten die Stimmung trüben. Fabiana Dorigo stand unten im Ziel und strahlte übers ganze Gesicht. Ja, sie hatte die Kandahar gemeistert, ihre erste Weltcup-Abfahrt. Die 26-Jährige herzte Kira Weidle-Winkelmann und war einfach glücklich. „Ich bin jetzt froh, dass ich heute gefahren bin und dass es eigentlich gut funktioniert hat.“ Dass es Platz 31 wurde, eben jene neun Hundertstel auf die ersten Punkte im Speedbereich fehlten, störte sie wenig.

Am Vortrag hatte die Münchnerin vom TSV 1860 nach dem Training auf der dunklen und anspruchsvollen Kandahar noch gezögert, ob sie überhaupt an den Start gehen sollte. Doch am Abend, als sie mit den Trainern zusammensaß, fiel bald die positive Entscheidung. „Wir haben gesagt, so etwas fährt man nicht so oft. Das ist ein gutes Training. Und schließlich geht es darum, sich von Tag zu Tag zu verbessern“, begründete Dorigo. Sie bereute es nicht. „Das war ein Schritt in die richtige Richtung.“

Fabiana Dorigos Auftritt ein vorsichtiger Lichtblick im Speedbereich

Dorigos Auftritt in der Abfahrt am Samstag darf man getrost als Lichtblick bewerten. Denn viel kommt bekanntlich derzeit nicht nach im deutschen Team, wenn es um die Speed-Disziplinen geht. Kira Weidle-Winkelmann wähnt sich nach Rang neun auf dem richtigen Weg, Emma Aicher hingegen ließ Teil eins der Heimrennen in Garmisch-Partenkirchen aus, verfolgte die Abfahrt aus dem Zielraum. Hinter den beiden herrscht eine große Leere. Die könnte Dorigo, die mit Anna Schillinger das deutsche Aufgebot komplettierte, vielleicht einmal ausfüllen. Sie selbst bremst die Erwartungen aber. „Also meine erste Disziplin wird es wohl nicht“, versicherte sie, um dann aber doch gleich wieder ein bisschen einzuschränken: „Naja, man weiß ja nie.“

In ihren Anfangsjahren hatte sie sich schon einmal an die Abfahrt herangewagt. Damals war sie im zweiten oder dritten Jahr im FIS-Bereich, also 18, 19 Jahre alt. „Da geht es meistens los.“ Doch Dorigo räumt offen ein: „Ich war damals eine ziemliche Sturzpilotin.“ Deswegen kam bald die Entscheidung, auf die Top-Speed-Rennen zu verzichten. „Mittlerweile hab‘ ich mich aber stabilisiert.“ Über Riesenslalom und Super-G arbeitete sie sich wieder in Richtung Abfahrt vor. Und stieg im vergangenen Winter dann voll in den Europacup ein. Dort bilden Schillinger und sie die Vorhut. „Wir sind auch da ein kleines Team“, sagt sie. Dorigo erzielte dort immerhin einige Top-15-Platzierungen, war in Zauchensee zuletzt gar Vierte – und löste so das Ticket für die Kandahar.

DSV muss zu viele Rückschläge in personeller Hinsicht verkraften

Dass es schwierig ist, Nachwuchs für die Speed-Disziplinen zu akquirieren, betont auch Wolfgang Maier, der Sportdirektor alpin im Deutschen Skiverband. „Ich habe das in den vergangenen zehn Jahren immer vorausgesagt: Wenn wir so hohe Verletzungsraten haben und wir die Leute nicht gut genug ausbilden, dann werden wir irgendwann mal keine Abfahrer mehr haben. Und jetzt sind wir schon knapp davor.“ Gerade wegen Rückschlägen durch Verletzungen und Talente, die in der Folge zum Aufhören gezwungen wurden oder diesen Sport aufgegeben haben, hätten viele Ansätze beim DSV auch nicht entsprechend gefruchtet. „Wir haben vieles probiert.“ Doch er könne es auch niemandem verübeln, die Finger von den Abfahrten zu lassen, wenn „man sieht, wie die Felder gerade reduziert werden“. Allein in Garmisch-Partenkirchen kam es zu zahlreichen Stürzen. Die Auswirkungen spüren die Verbände. „Wir haben technisch gute junge Fahrerinnen, aber mit dem Speed tun wir uns extrem schwer.“

Warnt seit vielen Jahren: Wolfgang Maier.
Warnt seit vielen Jahren: Alpinchef Wolfgang Maier. © SEHR

Eine wie Fabiana Dorigo sieht auch er als Hoffnungsschimmer. „Aber auch auf sie müssen wir immer ein waches Auge haben“, betont Maier. Denn natürlich geht es im Speedbereich auch darum, die Athleten ein wenig zu pushen, sie zu animieren, zu attackieren. Das müssen eben sehr dosiert geschehen. „Denn wenn sie nicht die Trittsicherheit haben und sich nicht hundertprozentig damit auseinandersetzen, passieren schnell Dinge wie hier jetzt, dann Rennläuferinnen ausscheiden.“

An die Kandahar wagte sich Dorigo mutig heran. Ganz unbekannt war die Rennstrecke für sie freilich nicht. Bei Deutschen Meisterschaften stand sie schon öfter am Start. „Aber da fahren wir vom Tröglhang bis zum Speichersee, da war das Rennen heute schon etwas ganz anderes.“ Gerade die Abschnitte Eishang und Hölle sind für die Frauen echte Knackpunkte. „Da gilt es einfach, Vertrauen ins eigene Skifahren zu haben, gescheit über dem Ski zu stehen und sich in die Hocke reinzuklemmen. Wenn du das nicht machst, ist es halt vorbei.“

Vielleicht noch ein Weltcup-Start in Norwegen für Dorigo

Für Dorigo war es das nicht. Sie verlor zwar einiges an Zeit in den kniffligen Passagen, durfte mit ihrer Fahrt aber zufrieden sein. „In einem Kurven fehlt’s natürlich noch“, sagt Dorigo selbstkritisch. „Dann hätte es vielleicht auch mit den Top-30 geklappt.“ Bei der ersten Weltcup-Abfahrt wäre das sicher das i-Tüpfelchen gewesen. Vielleicht darf sie nach der WM in Kvitfjell/Norwegen noch einmal ran. „Da waren wir schon im Europacup.“ Ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Das weiß sie selbst. „Man muss die Strecken kennenlernen. Wenn man öfters runtergefahren ist, weiß man eher, wo die Schlüsselstellen sind und was man genau machen muss.“ Und dann sind die Hundertstel vielleicht bald auch schon auf ihrer Seite.

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