"So richtig sexbesessen": Diese AfD-Satire hätte man sich sparen können
Drei Nachrichten sind es, mit denen uns das Erste Deutsche Fernsehen diese Woche beglückt. Die erste ist großartig. Die zweite macht nachdenklich. Die dritte? Ist heftig. Wenn die Zeiten schwer sind, beginnen wir an dieser Stelle mit dem Positiven.
Der Frauenfußball, er hat sein Publikum gefunden – und das ganz gewaltig. Zumindest einen Rekord, den Quotenrekord, hat sich das deutsche Team bei der Europameisterschaft in der Schweiz geholt. Gibt keine Medaille, schön ist es trotzdem.
Der Ball ist rund – eine perfekt runde Sache
Das Ausscheiden gegen die Spanierinnen sahen sich im Ersten am Mittwoch 14,26 Millionen Menschen an. Das ist zunächst einmal eine nüchterne Zahl.
Füllen wir sie mit Leben: Gegenüber dem Viertelfinalsieg schalteten sich noch einmal dreieinhalb Millionen Zuschauer mehr ein. Oder noch deutlicher: Der Marktanteil des Ersten zu dieser Zeit an diesem Abend erreichte 57,6 Prozent.
Mehr als die Hälfte der Fernsehzuschauer entschieden sich für Frauenfußball. Bevor die Champagnerkorken zu hoch fliegen, ein Schluck Wermut dazu: Das liegt, wie immer in diesen fernsehmäßig zappendusteren Sommerwochen, natürlich auch an der Not.
Denn das Alternativprogramm war allenfalls ein Sparprogramm. Wir sehen: Der Ball ist rund – und möglicherweise eine perfekt runde Sache für einen Sender im Sommerloch. Auch, wenn er von Frauen getreten wird.
„Riewa wachsen Spinnweben im Gesicht…“
Wie kommen wir jetzt elegant vom Sommerloch zu „Tagesschau“-Sprecher Jens Riewa und der Spinne, die er vor laufender Kamera verschluckt hat?
Versuchen wir es so: Jenseits des Sports versenden die Öffentlich-Rechtlichen so unglaublich viel Archivmaterial, dass mit all dem Angestaubten offensichtlich auch Spinnentiere den Weg ins Studio gefunden haben.
Jedenfalls hat der Chefsprecher der ARD-„Tagesschau“ privat auf Instagram ein Video öffentlich gemacht. Zu sehen: Der 62-Jährige bereitet sich auf eine Sendung vor. Die Regie sagt ihm offensichtlich ins Ohr, dass auf seinem Kopf eine Spinne krabbelt.
Und Riewa sagt ins Mikrofon: „Echt cool, nimm das auf, fahr ran. Ist sie groß? Fahr ran, süüüß, ich will sie sehen.“ Und dann leistet sich der Chefsprecher noch einen Ausflug in Richtung Selbstironie: „Riewa setzt nicht nur Staub an, ihm wachsen auch Spinnweben im Gesicht, so lange macht er das schon. Komm, Spinni! Kommst groß ins Fernsehen!“
Die ARD spart. Zumindest beim Sommerloch-Tier
Wie so oft: Das mit dem Humor nimmt ein böses, in diesem Fall sogar ein tödliches Ende. Jens Riewa fährt mit der Hand zum Mund: „Hab‘ ich die jetzt verschluckt gerade, beim Einatmen???“ Dann spült er mit einem Schluck Wasser nach. Bevor die Tierschützer Sturm laufen: Die ganze Sache wirkt sehr inszeniert.
Und ein zweiter Gedanke: Die plötzliche Prominenz von Tieren im Sommerloch hat ja Tradition. Wir erinnern uns an den Schwan Petra, der sich 2006 in ein Tretboot verliebte, und die Kuh Yvonne von 2011, die drei Monate lang auf der Flucht blieb.
Dann kamen 2016 Problemstorch Ronny, der sein Spiegelbild kratzermäßig auf Autolack bekämpfte, und 2023 die Löwin von Kleinmachnow. Das Erste wählt sein Sommerloch-Tier mit der Spinne ein paar Nummern kleiner. Bei der ARD wird zumindest da gespart.
Die AfD – „so richtig sexbesessen“?
Was man sich sonst noch sparen kann? „Reschke Fernsehen“ vom Donnerstagabend. „Wir haben wirklich eine ganz heiße Sendung für Sie vorbereitet“, verspricht die Moderatorin. Und dann thematisiert Anja Reschke die AfD.
„Wussten Sie, dass es in Deutschland eine Partei gibt, die so richtig sexbesessen ist?“, fragt die 52-Jährige ihr Publikum. Es folgen munter montierte und hoffnungslos aus dem Zusammenhang gerissene Sekunden-Clips.
Da sagen bekanntere und unbekanntere AfD-Politiker Dinge wie: „Masturbationsräume“, „Dildos“, „Vagina“, „Tittensozalismus“. Und so geht es weiter und weiter. „Die AfD ist für Sex und Erotik“, behauptet Reschke. Und fährt nach einer Kunstpause fort: „Jedenfalls, wenn am Ende eine deutsche Familie herauskommt.“
Da wird eine Blut-und-Hoden-Politik unterstellt – und das sogenannte innere Kind kotzt im Zeichentrick grüne Galle. Maximilian Krah zeigt das Erste mit seinem Appell: „Lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast.“
„War Hitler vielleicht auch rechtsextrem?“
Und Björn Höcke fordert Männer auf, wieder „mannhaft“ zu werden, um hinzuzufügen: „Nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft!“ Und die Frauen? „Die spielen eine tragende, um nicht zu sagen: austragende Rolle“, verrät Reschke.
Den Vorschlag der AfD-Bundestagsfraktion von 2020, die Geburt eines Kindes mit 10.000 Euro Darlehen zu belohnen, dessen Rückzahlung sich beim zweiten Kind halbiert und beim dritten entfällt? Kommentiert die 52-Jährige mit dem Rückblick auf die DDR. Auch dort konnte man einen Kredit „abkindern“.
Dann geht es noch weiter zurück in die Geschichte. Auch im Dritten Reich war das „Ehestandsdarlehen“ bei vier Kindern abbezahlt. „Mein Gott“, fragt Reschke, „war Hitler vielleicht auch rechtsextrem?“ Satire muss alles dürfen. Aber dann sollte sie es auch können.