Ein Schatzsucher im Estergebirge: Murnauer spürt seltene Pflanzen auf

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Garmisch-Partenkirchen
  4. Murnau

Kommentare

Der Schatzsucher: Benedikt Faas hat im Rahmen seiner Bachelorarbeit seltene, gefährdete Pflanzen dokumentiert und auch neue entdeckt. © Andreas Fleischmann

„Flora von Bayern“ heißt ein einzigartiges Werk über die Pflanzenwelt im Freistaat. Über viele Jahre hinweg haben hunderte Hobby-Botaniker und vier Wissenschaftler historische und aktuelle Daten über Blumen, Gräser und andere Gewächse gesammelt. Einer von ihnen ist Benedikt Faas aus Murnau, der im Rahmen seiner Bachelorarbeit einen Sommer lang im Estergebirge unterwegs war.

Murnau/Garmisch-Partenkirchen – Benedikt Faas ist ein Schatzsucher. Der Murnauer hat es allerdings nicht auf Goldmünzen, Schmuck oder andere Reichtümer abgesehen. „Über die würde ich mich weniger freuen“, sagt er und lacht. Ihn reizen Pflanzen. Seltene, gefährdete und auch bislang unbekannte. Die hat er im Rahmen seiner Bachelorarbeit im Fachgebiet Biologie im Estergebirge, zwischen Garmisch-Partenkirchen, Eschenlohe und Wallgau, aufgespürt und damit einen wichtigen Beitrag für das jüngst erschienene, vier Bände umfassende Werk „Flora in Bayern“ geleistet.

Darin werden erstmals alle 6000 in Bayern historisch und aktuell nachgewiesenen Pflanzen dokumentiert. Dabei unterscheiden die Autoren Arten, Unterarten, Varietäten und Naturhybriden, indigene Pflanzen sowie spontane und etablierte Neophyten. Alle werden mit den diagnostischen Merkmalen kurz beschrieben, inklusive Angaben zu Wuchsort und Lebensraum, Verbreitung im Freistaat, Gefährdung und Schutz. Fast allen beschriebenen Arten ist eine Verbreitungskarte mit historischen und aktuellen Funddaten beigegeben. Farbfotos zeigen zudem bemerkenswerte, seltene oder für Bayern bedeutsame Arten. Besonderes Gewicht legt die Bayerische Botanische Gesellschaft als Herausgeber auf kritische, schwer zu bestimmende Gattungen und Artengruppen. Das Ganze richtet sich an Naturfreunde und Pflanzenliebhaber, Floristen sowie Botaniker und bietet eine Grundlage für die naturschutzfachliche Arbeit.

Die genauen Standorte bleiben geheim

„Sehr inspirierend“ findet Faas die vier Bände. Über seine Abschlussarbeit kam er dazu, die er bei Andreas Fleischmann, einem von vier Wissenschaftlern, die mit hunderten Hobby-Botanikern daran beteiligt waren, geschrieben hat. Dass seine Arbeit in dieses einzigartige Werk eingeflossen ist, nennt er „eine große Ehre“. Ein paar Punkte, die auf den zahlreichen Karten auf einer der 2848 Seiten zu finden sind, hat der 23-Jährige beigetragen. Einen Sommer lang war er im Gelände unterwegs. Immer auf der Suche. Genaue Standorte nennt er nicht. Auch im Buch finden sich diese nicht. „Gerade bei seltenen Arten ist die Gefahr zu groß, dass Sammler sie einfach pflücken.“

Eine weiße Blume.
Eine Sensation: das Kleinste Eisglöckchen im Estergebirge. © Benedikt Faas

Wie das Kleinste Eis- oder Alpenglöckchen, das vor allem in den Südalpen verbreitet ist. In den 1940er Jahren entdeckten es Botaniker dann auch im Ammergebirge. Dass es jetzt im Estergebirge wächst, ist eine echte Sensation. Bei seinen Exkursionen spürte Faas diese bis zu zehn Zentimeter große Blume an mehreren Dolomitstandorten auf. „Bemerkenswert“, wenn man bedenkt, dass die beiden Gebirgsstöcke durch das Loisachtal deutlich voneinander getrennt sind. An einem ziemlich steilen Hang sah er die Pflanze zum ersten Mal, dachte erst, dass es eine andere Art ist, und merkte schließlich, dass er einen wahren Schatz gefunden hat. „Ich habe fast einen Zitterer bekommen“, erinnert sich Faas.

Twei neue Standorte der Krautweide entdeckt

Vor allem oberhalb der Waldgrenze, in Bereichen, in denen der Schnee lange liegen bleibt, war er unterwegs. Da stieß er auch auf die Krautweide, eine arktische Pflanze. Der kleinste unter allen Bäumen, der nur wenige Zentimeter hoch wird, gilt als Eiszeitrelikt. „Ein Blatt ist so groß wie ein Daumennagel, wenn‘s ihm gut geht, wie ein Zwei-Euro-Stück.“ Zwei neue Standorte hat er entdeckt, ein dritter war schon bekannt. Auch das Rundblättrige Täschelkraut, das man zwar aus dem Karwendel und Wetterstein, aber nicht aus dem Estergebirge kennt, konnte er nachweisen.

Eine lilafarbene Blume zwischen Steinen.
Im Steinschutt gedeiht das Rundblättrige Täschelkraut. © Andreas Fleischmann

Meist war Faas allein unterwegs, der nach seinem Bachelorabschluss eine Ausbildung zur Fachkraft im Naturschutz am Landratsamt Garmisch-Partenkirchen macht. Ein paar Mal begleitete ihn Fleischmann, auch zum Fotografieren. Insgesamt haben sich die Wissenschaftler und Hobby-Botaniker drei Jahre intensiv mit dem Werk befasst. „Unfassbar, welche Arbeit da reingeflossen ist“, sagt Faas. Ihm liegt insbesondere die Natur in seiner Heimatregion am Herzen. Durch die führt er auch Schüler, Studenten und andere Interessierte. „Viele gefährdete Arten finden bei uns noch sichere, stabile Standorte.“ Das hänge genauso mit der Agrarstruktur zusammen, dass die Buckelwiesen noch gemäht werden und es Wiesmahd-Flächen gibt. „Es ist beachtlich, mit welcher Leidenschaft, welchem Engagement die Menschen hier einen Beitrag zum Naturschutz leisten.“ Gut 6000 Hektar der landwirtschaftlichen Flächen, das entspricht 30 Prozent, zählen zum Vertragsnaturschutzprogramm. Eine „wunderbare“ Ausgangssituation. Auch für Faas, der „glücklich ist, in diesem Bereich arbeiten und etwas dazu beitragen zu können“.

Eine blaue, sternförmige Blume.
Ein echter Blickfang: der Raue Kranzenzian. © Andreas Fleischmann

Sicher auch für die Fortsetzung der „Flora von Bayern“. Denn eines stellt Fleischmann mit Nachdruck klar: „Wir sammeln weiter.“ Jeder, der eine interessante Pflanze findet, darf sich melden. Die Karten mit den Pflanzenvorkommen sind bereits online verfügbar, langfristig sei eine App zur Flora Bayerns das Ziel. „Das ist für das Gelände praktisch, man kann ja schlecht das Buch mitschleppen“, sagt er mit Blick auf das 14 Kilogramm schwere Werk. Ein solches werde allerdings wohl in den nächsten 100 Jahren nicht mehr gedruckt.

Auch interessant

Kommentare