Vom Kies verschluckt: Isar seit Monaten verschwunden
Wer derzeit zwischen Wallgau und Landkreisgrenze die Isar sucht, der wird nicht fündig werden. Deutschlands letzter Wildfluss ist dort mal wieder vom Kies begraben.
Wallgau – Ein Fluss – wie vom Erdboden verschluckt: Derzeit bietet sich Wanderern, die von Wallgau flussabwärts die Isar entlang laufen, ein immer wiederkehrendes Phänomen: Auf einer Länge von rund drei Kilometern ist Deutschlands angeblich letzter Wildfluss zwischen Wallgauer Isarsteg und Landkreisgrenze komplett von Unmengen an Kiesgeschiebe begraben worden – und das bereits seit 7. Oktober 2024.
Das zumindest behauptet Hans Schanderl aus Kochel, der seit Jahrzehnten diese Fälle akribisch auflistet. „46 derartige Fälle seit 1995 sind dokumentiert“, erläutert der ehemalige Vorsitzende des Kreisfischereivereins Garmisch-Partenkirchen. Was ihn dabei immer wieder am meisten erschüttert: „Tausende Wasserlebewesen sind unter dem Kies erstickt“ – zum Beispiel Köcher- und Steinfliegenlarven, Fische wie Mühlkoppen, Bartgrundeln, Elritzen, Isaräschen, Bach- und Regenbogenforellen. Doch auch seltene Pflanzen wie die schützenswerte Deutsche Tamariske wurden von den Geröllmassen an den fraglichen Stellen großflächig überschüttet oder schauen nur noch knapp aus dem Geschiebe.
(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen GAP-Newsletter.)
Es ist zu befürchten, dass die Isar bis März unter der Oberfläche verschwunden bleibt.
Isar verschwunden: Tier- und Pflanzensterben droht
Schanderl geht davon aus, dass sich die unterirdische Isar in diesem neuralgischen Bereich aktuell ungefähr einen bis eineinhalb Meter unterhalb der Oberfläche Richtung Vorderriß arbeitet. Einmal mehr erneuert der Kochler seine Forderung nach einem sogenannten Kiesfang am Krüner Wehr (wir berichteten). Nur dieser könnte das Tier- und Pflanzensterben langfristig verhindern, findet Schanderl. Denn immer wenn an der Anlage in Krün die Schleusen geöffnet werden, sprudelt nicht nur viel Wasser dort durch, sondern es landen auch zig Tonnen von Geröll Richtung Wallgau. Dort wird das Isarbett breit, die Schleppkraft lässt nach, der Kies bleibt liegen. Das Wasser sucht sich den Weg im lockeren Geschiebe unter der Oberfläche. Und das könnte laut Schanderl noch lange andauern. „Es ist zu befürchten, dass die Isar bis März unter der Oberfläche verschwunden bleibt.“
Doch der Mann vom Kreisfischereiverein lässt nicht locker, spätestens seit Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) im Juli 2020 bei einem Ortstermin medienwirksam in die laufende Kamera versprach: „Dass die nächsten zehn Jahre wieder nichts passiert, wird‘s nicht geben.“ Immerhin bald die Hälfte der von Glauber selbst vorgegebenen Zeit ist verstrichen. Das letzte, was der wackere Kämpfer Schanderl von der hohen Politik gehört hat, liegt über 16 Monate zurück.
Meine News
Damals, Anfang Oktober 2023, erhielt er vom bayerischen Umweltministerium eine Antwort auf sein Erinnerungsschrieben, das er einen Monat zuvor Richtung München losgeschickt hatte. Darin teilt ihm eine Sprecherin in puncto Sachstand Kiesfang mit: „Nach derzeitiger Einschätzung kann eine bauliche Umgestaltung des rund 100 Jahre alten Krüner Wehrs erforderlich werden.“ Ob damit auch der Bau eines Kiesfangs als „Baustein eines Geschiebe- und Spülmanagements sinnvoll oder sogar erforderlich“ sein wird, steht noch in den Sternen. In diesem Kontext verweist die Ministeriumssprecherin auf die Ergebnisse der sogenannten „Sedimenttransportmodellierung“, die europaweit ausgeschrieben wurde. Damals hieß es: „Mit ersten Zwischenergebnissen ist Ende 2024 zu rechnen.“ Eines ist sicher: Der hartnäckige Schanderl wird spätestens im Frühling bei Glauber und Co. nachfragen. CHRISTOF SCHNÜRER