Manche Mechanismen in der Wirtschaft sind völlig klar. Werden die Zeiten schwieriger, wird das Geld knapper – dann konzentrieren sich Unternehmen üblicherweise aufs Kerngeschäft. So ist es vernünftig und so ist es verantwortungsbewusst.
Diese Woche macht überdeutlich, wie grundlegend sich der Weg des öffentlich-rechtlichen, also gebührenfinanzierten Fernsehens davon unterscheidet.
ARD und ZDF geht das Geld aus. Die großen Senderketten haben in ihre Finanzpläne überwiegend die angestrebte Erhöhung der Rundfunkgebühr um 58 Cent auf 18,94 Euro eingepreist – und das, obwohl nicht alle Bundesländer der Aufstockung zustimmen wollten. Im Gebührentopf für die Sender sollte es ursprünglich schon zum 1. Januar dieses Jahres üppiger köcheln. Jetzt wird bekannt, dass sich das Bundesverfassungsgericht Zeit lassen will. Mit einer Entscheidung zu dieser Verfassungsbeschwerde wird wohl nicht vor 2026 zu rechnen sein. Mit mehr Geld also auch nicht.
ARD und ZDF müssen sparen - und senden Archivmaterial
Die Lage also ist prekär. Das ZDF hat fürs Jahr 2024 gerade ein Minus von 65,7 Millionen Euro gemeldet – das ist zwar weniger als befürchtet, aber doch in roten Zahlen ein blaues Auge.
Und die ARD?
Sagen wir es mit einer offiziellen Stimme: „Die bedarfsgerechte Finanzierung der Rundfunkanstalten für die Jahre 2025 bis 2028 ist gefährdet.“
Wie Sparsamkeit bei ARD und ZDF aussieht, haben wir gerade über Monate verfolgen können. Das Sommerprogramm der großen Sender war garantiert kein Fall für Stauballergiker. Gnadenlos wie selten wurde Archivmaterial versendet – ohne Anspruch im Programm und ohne Rücksicht auf den Zuschauer. Das ist, als würde Porsche beschließen, seine Autos nur mehr mit maximal 100 PS auszuliefern. Gespart wird am Kerngeschäft. Auch wenn dadurch immer mehr Zuschauer zu Wegschauern werden.

Schlimmer geht immer: Klamroth erzählt, dass er TV guckt
Aber natürlich geht es immer noch ein wenig schlimmer. Die Freude auf politischen Talk nach dem ausgeuferten Sommerloch erledigt sich schnell. Nehmen wir „Hart aber fair“ vom Montag. Da moderierte sich Louis Klamroth bemerkenswert lahm durch seine Talkshow mit einem Thema, das im Grunde ja viele angeht: „Leg doch mal das Handy weg! Sind wir machtlos gegen Social Media?“
Ich persönlich habe mich schnell ertappt, dass ich noch im laufenden Talk immer öfter in die sozialen Medien geguckt habe – die waren auch nicht erkenntnisärmer als das ARD-Gerede.
Aufgeschreckt hat mich dann allerdings die Schlussminute. Da tritt Louis Klamroth ganz dicht an die Kamera, also fast herein zu mir ins Wohnzimmer. Und platziert seine dringlichste Botschaft dieses Abends. Er verkündet: „Ich habe, kleiner Hinweis in eigener Sache, in den letzten Wochen das gemacht, was Sie jetzt gerade machen – nämlich Fernsehen geguckt.“ Damit macht er Werbung für seine neue Sendung „Press Play“, die allerdings nur in der Mediathek zu sehen ist.
Und weil’s so schön ist – oder er es für so schön hält -, wie er mit Michel Friedman, dem Grünen Cem Özdemir oder der Linke-Vorsitzenden Heidi Reichinnek auf dem Sofa vor dem Fernseher plaudert, spielt er auch noch dem Stammpublikum seine Mediathek-Show als Werbeclip vor.
Reichinnek und Özdemir: TV für ein spezielles Publikum
Wir Zuschauer lernen drei Dinge.
Erstens: Uns Zuschauer, die sich um 21 Uhr vors Erste setzen, mag keiner mehr.
Zweitens: Die ARD-Mediathek bespielt mit diesen Klamroth-Gästen schon ein sehr spezielles Publikum.
Und drittens: ARD und ZDF sparen weiterhin am klassischen Fernsehen, das so abschätzig „lineares Fernsehen“ genannt wird; munter investieren sie unser Gebührengeld dagegen in Randprogramme für ein Minderheitenpublikum.
Das mag modisch sein. Vernünftig ist es nur bedingt. Schließlich hat gerade in dieser Woche die ARD-ZDF-Medienstudie 2025 deutlich gemacht: Es schauen wieder mehr Menschen dieses olle lineare Fernsehen. Um mehr als einen Prozentpunkt stieg die Zuschauerzahl auf 58,7 Prozent an. Die Mediatheken nutzen 12,2 Prozent der über 14-Jährigen.
Schließen wir mit einem Gedanken aus der Wirtschaft. Dort lernt jeder schnell, wie unendlich schwer und aufwändig es ist, eine neue Kundschaft für sich zu erschließen. Und wie unglaublich schnell es passiert, sein Kernpublikum vor den Kopf zu stoßen und zu verprellen.
Könnte vielleicht auch mal einen Gedanken wert sein für ARD und ZDF.