Karl-Theodor zu Guttenberg - Das Handy ist der Katalysator der Klugscheißerei
Rechthaber sind eine wundersame Spezies. Verzichtbar, aber nicht zwingend vermeidbar. Gelegentlich treten sie in Rudeln auf, so wie vergangene Woche bei einem atmosphärisch angespannten Abendessen. Es wird politisiert. Dieser Tage selten ein harmonieträchtiges Unterfangen - auch hier.
Die Sachkenntnis steht bei einigen allerdings in auffälligem Missverhältnis zur Inbrunst der Meinungsäußerung. Mir fällt ein Gast auf, der bei nahezu jeder Wortmeldung sein Handy zückt. Gelegentlich schüttelt er den Kopf, ein hämisches Lächeln umspielt dabei seine Lippen. Irgendwann bricht es aus ihm heraus: „Bodenloser Unsinn! Was für ein Schafsscheiß.“
Der Angesprochene fühlt sich überrumpelt. Zugegeben, es war eine steile These. Allerdings vergleichsweise elegant in eine rhetorische Frage verpackt. Nicht einmal konfrontativ. „Das kann man gewiss auch freundlicher formulieren. So wie Sie meckern, hat der liebe Gott auch bei Ihnen die Schafsgene reichhaltig vergeben.“
Freunde werden die beiden wohl nicht mehr.
Über Karl-Theodor zu Guttenberg
Karl-Theodor zu Guttenberg wurde bekannt als Bundesminister. Heute ist der ehemalige Politiker Unternehmer, Co-Produzent und Moderator von Dokumentarfilmen und anderen publizistischen Formaten. Er veröffentlicht in englisch- und deutschsprachigen Medien. Seit Juni 2023 ist KT zusammen mit Gregor Gysi Host des Podcasts "Gysi gegen Guttenberg".
Klo-Rückkehrer sorgt für schallendes Gelächter
Ich frage den Kritiker, wie er denn zu seinem harten Urteil komme. „Wikipedia. Können Sie selbst nachlesen.“ Er zitiert die Passage. Es entspinnt sich eine Diskussion über die (zuweilen höchst fragwürdige) Qualität von Wikipedia-Einträgen.
Wenige Augenblicke später kommt ein anderer Gast vom Klo zurück. Er wolle noch etwas zur vorangegangenen Debatte beisteuern. Es klingt gebildet, intellektuell belastbar. Und so, als wäre es ihm soeben eingefallen. Blöderweise ist seine Äußerung wortgleich mit den Sätzen, die der Nörgler vorhin vorgelesen hatte.
Wir sehen uns alle an und brechen in schallendes Gelächter aus. Eine ältere Dame setzt der Szene die Krone auf: „Womit einmal mehr der Beweis erbracht wäre, dass es für Klugscheißer kein stilles Örtchen gibt.“
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Ohne Handy geht bei vielen nichts mehr
Immer häufiger begegnen mir Menschen, die während einer Unterhaltung, selbst bei einem Essen, ankündigungslos zum Handy greifen. Entweder, um gefällig zu nicken oder sofort zu verbessern. Eine ritualisierte, nicht wirklich höfliche Misstrauensbekundung.
Vor nicht allzu langer Zeit hätte der Zweifler vielleicht noch geschwiegen. Mindestens nachgedacht. Oder verschämt den Vorschlag gewagt, den meterlangen Brockhaus zu konsultieren, der in vielen Haushalten ein ewig jungfräuliches Dasein fristete.
Thomas Edison soll einmal gesagt haben: „Zweifel klettert auf den Baum der Erkenntnis, Rechthaben hängt sich an ihm auf.“
Der heutige sekundenschnelle Zugang zu Information ist fraglos ein großartiger Quantensprung. Aber auch ein Teilchenbeschleuniger für Besserwisser. Solche, die sich nicht von Fakten beirren lassen und selbst die Meinung ihres Echos untragbar finden.
Anekdoten eigener Klugscheißerei
Der Abend wurde übrigens noch unerwartet versöhnlich. Die ältere Dame - eine Moderatorin alter Schule - drängte jeden von uns, Anekdoten eigener Klugscheißerei zu erzählen. Als ich beiläufig an die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen Wortes „moderatio“ erinnerte, nämlich „Mäßigung“ und „Selbstbeherrschung“, griffen alle zum Handy.
Lachend.
Einladung zum Nachdenken
Der frühere Spitzenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich inzwischen einen gelasseneren, aber nicht minder scharfen Blick auf die Dinge angewöhnt. Er lässt uns auf charmante Art an seinen Alltagserlebnissen und Gedanken teilhaben.
Der Artikel erschien zuerst hier auf LinkedIn.