Alkohol, Drogen, Scheidung - Mein Kumpel ist völlig abgestürzt – doch ein Satz seiner Tochter rettete ihn

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Sebastian Gollnow/dpa Karl-Theodor zu Guttenberg am Rande eines Interviews mit der Deutschen Presse-Agentur.
Dienstag, 02.04.2024, 10:55

Alle hatten den Stab über meinen Jugendfreund gebrochen. Lehrer, Weggefährten. Selbst seine Eltern. „Hoffnungloser Fall“. Ein vernichtendes Urteil. Apodiktisch. Doch der Fall zeigt, dass man niemanden schnell abschreiben oder ganz fallen lassen sollte.

Er wurde in eine bekannte Familie geboren. War vielseitig begabt, hatte schauspielerisches Talent. Charmant, immer im Mittelpunkt. Die Mädchen mochten ihn. Wir Jungs waren ein wenig eifersüchtig. Dann begann er schrittweise an den Erwartungen seiner Umgebung zu zerbrechen. An der Last des großen Namens. Und seinen Träumen. Die Schule empfand er als Grauen. Der Eindruck war irgendwann wechselseitig. Trotzdem - vielleicht auch deswegen - galt er unter seinen Mitschülern als „verdammt cool“, wie man damals sagte.

Weniger cool waren seine Leistungen. Er flüchtete sich in eine Fantasiewelt, erfand Erfolge und Lebensstationen, denen niemand außer ihm selbst Glauben schenkte. „G’schichtldrucker“ nannten ihn seine österreichischen Freunde. Halb spöttisch, halb fasziniert.

Über Karl-Theodor zu Guttenberg

Karl-Theodor zu Guttenberg wurde bekannt als Bundesminister. Heute ist der ehemalige Politiker Unternehmer, Co-Produzent und Moderator von Dokumentarfilmen und anderen publizistischen Formaten. Er veröffentlicht in englisch- und deutschsprachigen Medien. Seit Juni 2023 ist KT zusammen mit Gregor Gysi Host des Podcasts "Gysi gegen Guttenberg".

Der frühere Spitzenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich inzwischen einen gelasseneren, aber nicht minder scharfen Blick auf die Dinge angewöhnt. Er lässt uns auf charmante Art an seinen Alltagserlebnissen und Gedanken teilhaben.

Orientierungslosigkeit und persönlicher Absturz

Ein Jahr vor dem Abitur schmiss er das Gymnasium, tingelte orientierungslos von Job zu Job, flog aus der Lehre. Nach außen vermittelte er ein Leben auf der Überholspur. Die Leitplanken nahm er nicht mehr wahr. Auch nicht das Kopfschütteln seiner Mitmenschen. Dann der Absturz. Alkohol. Drogen. Er heiratete früh. Seine Frau verließ ihn nach der Geburt des zweiten Kindes. In den nächsten zwanzig Jahren sollte er immer wieder Monate in einer geschlossenen Anstalt verbringen.

Die vormaligen Bewunderer zerrissen sich bald das Maul. Selbst Familienmitglieder sprachen abschätzig über ihn. Eben dieser „hoffnungslose Fall“. Reputationsbesorgte Abwendung - wohl die schäbigste Form von Verwandtschaft. Das Damoklesschwert des Versagens schwebt über allen Menschen. Seines hing aber nicht nur an einem Pferdehaar, sondern auch am morschen Balken eines kruden familiären Leistungsanspruchs. Formuliert von Menschen, die sich in die Büsche schlagen, sobald das Schwert hinab saust.

Ich versuchte, den Kontakt zu halten, eher lose, drang aber kaum noch zu ihm durch. Mit Anfang Vierzig lag sein Leben in Trümmern.
Ein Onkel hielt ihm die Treue. Er unterstützte ihn finanziell.

Kampf gegen Vorurteile und für einen Neuanfang

Vor einem Jahr, in der Karwoche, begegnete ich ihm wieder. Wie es ihm denn ginge, fragte ich. Er strahlte: „Wunderbar. Ich führe ein kleines Unternehmen. 23 Mitarbeiter. Bin wieder verheiratet und - glücklich.“ Ich schaute ihn ungläubig an. Ob er wieder „G‘schichtln“ druckte?

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Er ahnte meine Gedanken und erzählte mir von seinen letzten Jahren. „Irgendwann, in meiner schwärzesten Stunde, fand mich meine Tochter. Gerade noch. Sie brachte mich in die Klinik. Im Auto sagte sie zu mir: ‚Du warst für mich vieles, aber nie ein Versager. Für einen Neuanfang ist es nie zu spät.‘ Diese Sätze, schlicht und liebevoll, haben mich gerettet.“

Gibt es also hoffnungslose Fälle? Kaum. Höchstens für jene, die sich mit dem Aufgeben anderer in die Selbstaufgabe zu begeben drohen. Ostern lud er übrigens seine Familie ein. Alle, auch die falschen Fuffzger. Ohne Groll. Einige kamen sogar.

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