Steuer-Reform längst „überfällig“: Deutschlands Wirtschaftgibt ihren Senf dazu
Steuer-Reform längst „überfällig“: Deutschlands Wirtschaft offenbart Bedürfnisse
Christian Lindner will Unternehmen und Bürger steuerlich entlasten. Vorschläge einer Expertenkommission kommen bei der Wirtschaft gut an. Eine Umfrage offenbart deren Wünsche.
Frankfurt – Christian Lindner ist mit dem ambitionierten Ziel in das Amt des Bundesfinanzministers gestartet, eine umfassende Steuerreform anzustoßen. Innerhalb der Ampel-Koalition mit den unterschiedlichen, teils gegenläufigen Interessen mit SPD und Grünen konnte der FDP-Chef dabei jedoch lediglich kleine Steuerentlastungen durchsetzen. Zu Buche stehen dabei etwa den Ausgleich der kalten Progression bei der Einkommenssteuer.
Als Ausgangspunkt für eine breite Debatte über eine große Steuerreform für Unternehmen hat Lindner als Finanzminister zwei Expertenkommissionen einberufen. Eine davon, die Kommission „Vereinfachte Unternehmenssteuer“, sammelte Vorschläge zur Vereinfachung und Entbürokratisierung der Unternehmenssteuer sowie zur Verbesserung des verlässlichen und planbaren Steuervollzugs. „Das geltende Recht ist ineffizient und überbürokratisch und hindert Unternehmer und Unternehmen daran, ihr betriebswirtschaftliches Potential voll zu entfalten“, stellten die Fachleute dabei fest.
Vorschläge von Lindners Expertengremium: „Unternehmenssteuerreform in Deutschland ist überfällig“
Die Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis haben die Vorschläge bereits am 12. Juli 2024 an Bundesfinanzminister Lindner übergeben. Die Ideen kommen innerhalb der Wirtschaft gut an. Laut einer Umfrage des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young finden zwei Drittel von 500 befragten Steuerexperten die Vorschläge der Fachleute für hilfreich bis sehr hilfreich. 72 Prozent halten eine Umsetzung in absehbarer Zeit jedoch für unwahrscheinlich, berichtete die Wirtschaftswoche zu den Umfrageergebnissen.
Die Kommission habe „einen Nerv getroffen“, sagte Daniel Käshammer, Leiter der steuerlichen Grundsatzabteilung bei Ernst & Young, der Wirtschaftswoche. „Eine Unternehmenssteuerreform in Deutschland ist überfällig.“ Die Reduzierung der Steuerlasten der Unternehmen sei dringend nötig, um international gegenüber der ausländischen Konkurrenz mithalten zu können.
In Deutschland ist die Steuerlast der Unternehmen im Schnitt zehn Prozentpunkte höher als in anderen Ländern. Kapitalgesellschaften zahlen in Deutschland rund 30 Prozent Steuern, die sich aus 15 Prozent Körperschaftssteuer, 5,5 Prozent Solidarzuschlag und der Gewerbesteuer zusammensetzt.
Welche Reformen sich Unternehmen bei der Steuer wünschen
Die Teilnehmer der Umfrage von Ernst & Young sprachen sich laut Wirtschaftswoche für eine Modernisierung der Gewerbesteuer aus, die vereinfacht werden sollte. Sie solle auf der gleichen gleiche Berechnungsgrundlage basieren wie die Einkommens- und Körperschaftssteuer. Zudem gebe es den Wunsch nach einer Annäherung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz, um den bürokratischen Aufwand zu verringern.
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Die Ideen würden teilweise eine Belastung für den Staatshaushalt darstellen. Eine Umsetzung ist damit unrealistisch. Dazu zählt etwa der Vorschlag, die Gewerbesteuer stärker auf die Körperschaftsteuer anzurechnen. Ziel ist laut Wirtschaftswoche, die steuerliche Gesamtbelastung auf rund 25 Prozent zu reduzieren. Auch eine bessere Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen zählt zu den teureren Vorschlägen.
Eine Entlastung der Unternehmen durch weniger Nachweis- und Dokumentationspflichten wäre dagegen günstiger. Unternehmen beklagen dagegen bereits länger zu viel Bürokratie, wofür etwa eine Unternehmerin einen „Bürokratie-Minister“ eingeführt hat.
Trotz Lindner als Fürsprecher: Große Steuerreform zur Entlastung von Unternehmen unrealistisch
Die Umsetzung der Vorschläge, besonders im Rahmen eines großen Steuerpakets, ist jedoch trotz Drängen aus der Wirtschaft unrealistisch. Die Berichte seien eher Ausgangspunkt für eine breite Diskussion, schätzt Ernst & Young. „Möglich erscheint dagegen in der laufenden Legislaturperiode die Umsetzung zumindest von einzelnen Punkten, die nur einen überschaubaren Effekt auf das Steueraufkommen haben“, erklärte das Wirtschaftsprüfungsunternehmen.