Eigentümer zahlt mehr als 1000 Euro Grundsteuer – statt bisher 5,66 Euro

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Johann Brabetz auf seiner Wiese, dem sogenannten „Seekasten“, unweit des Lüßbachs in Percha: Für das Grundstück soll der 76-Jährige statt bisher 5,66 Euro nun mehr als 1100 Euro an Grundsteuer bezahlen. © Andrea Jaksch

Eine Steigerung der Grundsteuer um sagenhafte 19 425 Prozent, circa 10 600 versendete Steuerbescheide, 331 Anrufe an nur einem Tag und bislang 25 Einsprüche – die neue Grundsteuer beschäftigt nicht nur, aber auch in Starnberg derzeit viele Menschen.

Als Johann Brabetz und seine Ehefrau Margit in der vergangenen Woche ihren Grundsteuerbescheid bekamen, trauten sie ihren Augen kaum. Für ein 4805 Quadratmeter großes Wiesengrundstück in Percha sollen sie in diesem Jahr 1105,15 Euro Grundsteuer bezahlen. Bislang waren es 5,66 Euro im Jahr gewesen. Der Hintergrund für die Steigerung um schier unglaubliche 19 425 Prozent: Das Finanzamt Starnberg veranlagt das Grundstück nicht mehr wie in den vergangenen Jahrzehnten nach der deutlich günstigeren Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliche Flächen, sondern nach der Grundsteuer B für bebaute und unbebaute Grundstücke.

Nachvollziehen kann Brabetz das nicht ansatzweise. Bei der auch „Seekasten“ genannten Fläche handele es sich seit eh und je um Grünland. „Das ist an einen Bauern verpachtet, der dort Heu macht“, erklärt der 76-Jährige im Gespräch mit dem Starnberger Merkur. Bebaut werden dürfe die Fläche nicht. Mehr noch: Das Wasserwirtschaftsamt Weilheim hat das Grundstück in der Zwischenzeit als „vorläufig gesichertes Überschwemmungsgebiet“ markiert für den Fall, dass der nahegelegene Lüßbach über die Ufer tritt.

Als Brabetz im März 2023 vom Finanzamt Starnberg den neuen Bescheid über den Grundsteuermessbetrag bekam, legte er deswegen Einspruch dagegen ein und verwies auf die ausschließlich landwirtschaftliche Nutzung und einen jahrzehntealten, aber nach wie vor gültigen Beschluss, wonach der „Seekasten“ nicht bebaut werden dürfe. Das Finanzamt lehnte den Einspruch nach Überprüfung der „Sach- und Rechtslage“, wie es im amtlichen Schreiben heißt, jedoch ab.

Nach Grundsteuer-Bescheid: Einspruch bei Finanzamt und Stadt eingelegt

Nun bekam Brabetz auf Basis des vom Finanzamt ermittelten Messbetrages von der Stadt Starnberg den Grundsteuerbescheid. Bei einem Hebesatz von 575 Prozent bedeutet das die Summe von 1105,15 Euro. Der Maurermeister, der bis zu seinem Ruhestand eine eigene Baufirma in Percha hatte, hat jetzt erneut Einspruch eingelegt – diesmal beim Finanzamt und bei der Stadt. „Mal abwarten, wie das weitergeht“, sagt der 76-Jährige.

Zum konkreten Fall kann sich Christian Blümel, der Leiter des Starnberger Steueramtes, aus Datenschutzgründen nicht äußern. Ein möglicher Fehler könne sein, dass bei der Abgabe der Daten ans Finanzamt aus Versehen das falsche Formular ausgefüllt worden sei, erklärt er ganz allgemein. „Das ist oft die Krux“, sagt Blümel auf Anfrage. Ob das auch in diesem Fall passiert sei, wisse er aber natürlich nicht.

Etwa 10 600 Steuerbescheide habe die Stadt inzwischen versendet, circa 200 würden noch folgen, erklärt Blümel. Bislang seien rund 25 Einsprüche gegen die Bescheide im Rathaus eingegangen. Deutlich größer ist der Informationsbedarf. In der vergangenen Woche habe es im Steueramt 600 Anrufe zur Grundsteuer gegeben, davon 331 allein am Montag. Viele Bürger seien aufgrund dieser Masse überhaupt nicht durchgekommen, bedauert der Steueramtsleiter.

Bürger kriegen Bescheid, obwohl Grundstück verkauft ist

Oft sei es bei den Rückfragen um die Höhe des Messbetrages gegangen. „Den können wir als Stadt aber gar nicht beeinflussen“, betont Blümel. Dessen Ermittlung sei einzig und allein Sache des Finanzamtes. Letzten Endes multipliziere die Stadt lediglich diesen Betrag mit dem vom Stadtrat beschlossenen Hebesatz (400 Prozent bei der Grundsteuer A, 575 Prozent bei der Grundsteuer B) und ermittele so die zu zahlende Summe. Ein weiteres Thema der Nachfragen sei, dass Bürger einen Steuerbescheid bekommen hätten, obwohl sie die Immobilie in der Zwischenzeit verkauft hätten.

Ein solcher Fall ist dem Starnberger Merkur auch aus Tutzing bekannt. „Notarvertrag im Januar 2024, Mitteilung an die Gemeinde im Mai 2024 mit Daten des neuen Eigentümers, Nutzungsübergang am 30. Juli 2024“, berichtet eine Leserin und sagt: „Offensichtlich ist das zuständige Finanzamt auch nach vielen Monaten mit den Meldungen über Veräußerungen an die Gemeinden in deutlichem Verzug, was bedeutet, dass wir bis auf Weiteres für ein Objekt, das uns nicht mehr gehört, grundsteuerpflichtig sind.“ Solche Fälle gebe es auch in Starnberg, bestätigt Christian Blümel. Zwar könne er für Tutzing keine Auskünfte geben, in der Kreisstadt werde die Grundsteuer aber „unaufgefordert“ zurückgezahlt, sobald vom Finanzamt die entsprechenden Unterlagen vorliegen würden, erklärt er.

Insgesamt rechnet der Leiter des Steueramtes für die Stadt Starnberg im Übrigen mit niedrigeren Einnahmen als den bisher genannten 5858 200 Euro. „Wir werden wohl um rund 150 000 Euro runtergehen müssen“, sagt er. Wie berichtet, hatte der Stadtrat sich Ende vergangenen Jahres dafür ausgesprochen, die neuen Hebesätze „aufkommensneutral“ zu gestalten – was natürlich nicht jedes einzelne Objekt betrifft, sondern die Gesamtheit aller Steuerbeträge. Generell sei es in Bayern so, dass große Grund- und Wohnflächen nun höher besteuert würden als vorher, kleine Grund- und Wohnflächen dagegen niedriger, erläutert Blümel. Eine Erklärung für den exorbitanten Anstieg beim Ehepaar Brabetz in Percha ist aber auch das nicht.

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