Bis zu 105 Flüchtlinge im Studienzentrum? In Schliersee regt sich Widerstand
Was schon länger gemunkelt wird, ist jetzt offiziell: Das Landratsamt plant die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft für bis zu 105 Personen im Studienzentrum Josefstal.
Schliersee – Dass die rund 100 Betten im Studienzentrum Josefstal auch nach dessen Schließung Ende des Jahres erhalten bleiben, entspricht für sich betrachtet zunächst dem Ziel des Schlierseer Gemeinderats. Nicht jedoch die Art und Weise, wie sie belegt werden sollen: mit Geflüchteten. „Wir werden versuchen, uns dagegen zu wehren“, kündigte Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer (CSU) am Ende der öffentlichen Sitzung am Dienstagabend an. Die rechtlichen Möglichkeiten dafür seien aber beschränkt, die Erfolgsaussichten derzeit kaum einzuschätzen.
Dass das Thema auch in der Bevölkerung bereits für Unruhe sorgt, hatte Karl Hiermeyer (PWG) gleich zu Beginn der Gemeinderatssitzung angesprochen. In anderen Gemeinden hätte es bei geplanten Flüchtlingsunterkünften frühzeitig Infoveranstaltungen für die Bürger gegeben und auch Bestrebungen, die Projekte zu verhindern. „Je eher man sich rührt, desto besser“, fand Hiermeyer und beantragte deshalb, den eigentlich für die nicht öffentliche Sitzung geplanten Tagesordnungspunkt zum Studienzentrum in den öffentlichen Teil zu verlegen. Schnitzenbaumer entgegnete, dass er ohnehin in den Bekanntgaben etwas zum Thema sagen werde. Er warnte aber davor, die Beratungen über das weitere Vorgehen verfrüht nach außen zu tragen. „Das schwächt unsere Verhandlungsposition.“ So sahen es auch die meisten anderen Gemeinderäte. Nur Hiermeyer selbst und sein Fraktionskollege Horst Teckhaus votierten folglich für den Antrag der vollständigen öffentlichen Behandlung.
Bürgermeister sieht Schliersees Soll als erfüllt
Dennoch gab Schnitzenbaumer später einen umfangreichen Einblick in die Planungen. Es sei kein Geheimnis, dass die Lage in Sachen Flüchtlingsunterbringung angespannt sei im Landkreis Miesbach. Auch in seinen Augen sei die Belegung von Turnhallen ein auf Dauer „unerträglicher Zustand“. Dennoch habe die Marktgemeinde Schliersee mit der Aufnahme von 45 Geflüchteten auf dem früheren Firmengelände von Warnecke & Böhm ihren Beitrag geleistet, betonte der Rathauschef. Auch deshalb habe man dem Gemeinderat die Ausweisung eines Sondergebiets Fremdenverkehr und Bildungsstätte und den Erlass einer Veränderungssperre für das 22 600 Quadratmeter große Grundstück empfohlen, was dieser dann auch im September einstimmig so beschlossen hat (wir berichteten).
Dies allein werde aber wohl nicht reichen, die Planungen zu stoppen, räumte Schnitzenbaumer ein. Das Landratsamt als Genehmiger habe bei der Flüchtlingsunterbringung „sehr weitreichende Möglichkeiten“. Die Gemeinde werde sich aber „einspreizen, wo es geht“. Gleiches werde er auch einigen Anwohnern mitteilen, die in einem mehrseitigen Schreiben ihre Bedenken und eine Bitte um ein Gespräch ans Landratsamt und das Rathaus zum Ausdruck gebracht hätten. Da die Kreisbehörde diesem Wunsch bislang nicht nachgekommen sei, habe er die Nachbarn nun für kommenden Freitag zu sich eingeladen.
Bei allem Widerstand warb Schnitzenbaumer aber auch um Verständnis fürs Landratsamt. „Niemand schreit Hurra bei diesem Thema“, betonte er. Der Landrat fungiere hier leider nur als Staatsbeamter. Und trotz aller Hilferufe nach oben seien zuletzt wieder mehr Busse mit Geflüchteten in den Landkreis Miesbach gekommen.L
Landratsamt bestätigt Pläne, Studienzentrum rudert zurück
Das Landratsamt bestätigt derweil die Planungen auf Anfrage unserer Zeitung. Die hauseigene Unterkunftsverwaltung sei auf die Eigentümer des Studienzentrums zugegangen, als dessen Schließung mit Suche nach einer neuen Nutzung bekannt wurde, teilt die Pressestelle mit. Der Wunsch nach einer Infoversammlung sei dem Landratsamt aber neu. Details zum weiteren Vorgehen sowie dem Zeitplan konnte die Pressestelle wegen einer internen Veranstaltung am Mittwoch nicht mehr liefern. Auch im Schlierseer Gemeinderat gab es keine weiteren Wortmeldungen oder Fragen – zumindest nicht im öffentlichen Teil.
Interessant liest sich derweil die Antwort des Leiters des Studienzentrums Josefstal, Pfarrer Roger Schmidt, auf die Frage nach der möglichen künftigen Nutzung des Areals: „Bei uns hat sich nichts verändert“, schreibt Schmidt. Man sei weiterhin mit verschiedenen Interessenten im Gespräch. Fast schon überraschend dann die Aussage im letzten Satz: „Gespräche mit dem Landratsamt werden gegenwärtig keine weiterverfolgt.“