Atom-Pakt mit Tschechien: Söders Plan für Bayerns Strom
Der Bedarf an Strom wächst. Markus Söder begibt sich auf die Suche nach einem Partner. Im Fokus: Die Kernkraft des Nachbarn, wo die Meiler noch laufen.
Prag – Besinnlichkeit sieht anders aus. Weihnachtslieder tönen penetrant aus irgendwelchen Boxen. Ein Pulk an Menschen bahnt sich langsam seinen Weg zur nächsten Essensbude. Schaulustige zücken ihre Handys – wahrscheinlich, weil sie ihren eigenen Ministerpräsidenten Petr Fiala erkennen, der da gerade über den Weihnachtsmarkt in der Prager Altstadt zu schlendern versucht. Doch auch sein Gast aus Bayern bleibt in der tschechischen Hauptstadt nicht unerkannt. „Ah, das ist der Söder“, ruft ein Mann seiner Begleitung zu.
Nach den schweren Themen der Warschau-Reise am Tag zuvor ist dieser Kurztrip für Ministerpräsident Markus Söder – bis auf die lange Anreise erst mit dem Auto, dann mit dem Bus – praktisch das Zuckerl zum Schluss. Die bayerisch-tschechische Beziehung ist gut, vielleicht die beste seit Ende des Krieges. Ein Vermächtnis von Horst Seehofer, der 2010 als erster bayerischer Ministerpräsident seit 1989 zu einem offiziellen Besuch nach Prag reiste. Damit beendete er die Eiszeit, hob das Verhältnis auf eine vertrauensvollere, sogar freundschaftliche Ebene.

Söder hofft auf bayerische Beteiligung an Tschechiens Atomkraft
Deswegen kommt Söder bereits zum vierten Mal in zweieinhalb Jahren mit Regierungschef Fiala zusammen und wird diesmal ganz prominent in der Innenstadt empfangen. „Wir essen das Gleiche, wir trinken das ähnliche, wir denken und fühlen ähnlich – wir sind einfach die Mitte von Europa“, fasst Söder die Verbundenheit zusammen. Aber natürlich geht es auch um mehr als weihnachtliche Fotos und die obligatorische Bratwurst.
Mittlerweile hat man in Bayern ein so gutes Verhältnis zum Nachbarn, dass man jetzt auch bei der Energie – ja, auch bei der Atomenergie – zusammenarbeiten will. Tschechische Atomkraft und das lädierte Atomkraftwerk Temelin waren insbesondere wegen seiner 60 Kilometer Luftlinie zu Bayern noch in den 2010er-Jahren ein Aufregerthema. Der damalige bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU) forderte deswegen, in den Sicherheitsprozess des umstrittenen Ausbaus der Atomanlage eingebunden zu werden.
Grünen-Fraktion attestiert Söder einen „Atomkraftwahn“
Heute will Ministerpräsident Söder die Atomkraft-Zusammenarbeit ausgerechnet mit Tschechien intensivieren. „Die tschechische Kernenergie hat sich über viele Jahre entwickelt, hat Versorgungssicherheit gezeigt und das Sicherheitsniveau hochgehalten“, begründet Söder seinen Kurs. Er glaube, „dass der Ausbau der Kernenergie in Tschechien ein großer Vorteil ist für Deutschland, insbesondere für Bayern“.
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Seine Vision: Den steigenden Strombedarf zu decken, das Netz zu stabilisieren – mithilfe eines Energiemixes aus tschechischer Kernenergie und Erneuerbaren Energien.
Schon vor Söders Abfahrt hat das nicht jedem gefallen. Die Grünen-Fraktion attestiert ihm einen „Atomkraftwahn“. Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze wirft Söder eine „Irrfahrt in die energiepolitische Vergangenheit“ vor. Allein in diesem Jahr habe es bei dem AKW „mindestens vier gravierende Zwischenfälle“ gegeben. Felix Matthes, Energieexperte vom Öko-Institut, watscht Söders Atompläne gleich ganz ab. „Es geht nicht: weder technisch noch marktlich noch rechtlich.“
Söder hält an seiner Atom-Offensive fest
Noch ist es ohnehin nur eine Absichtserklärung: weder rechtlich bindend noch kann Fiala konkrete Zahlen zur exportierbaren Energiemenge nennen. Doch Söder hält an seiner Atom-Offensive fest, setzt vor allem auf die Forschung. „Es gibt in Deutschland im Moment mehr Lehrstühle für Gender-Forschung statt für Reaktorsicherheit.“ Und auch bei der Suche nach einem Atommüllendlager für eine Million Jahre hofft er auf den Fortschritt, wodurch vielleicht irgendwann mal nicht mehr so viel radioaktiver Müll anfällt.
Generell geht es Söder auch ums Tempo. In seinen Worten „mehr China-Speed, statt German-Langsamkeit“. Ein Abbild für Letzteres sei etwa der Ausbau der Bahn. Ab 2030 soll es von München nach Prag schneller gehen. Die Arbeiten laufen aber auf einer Seite schneller: der tschechischen. So braucht man momentan etwa sechs Stunden für rund 400 Kilometer. Noch ist Söder da mit seinem Dienstwagen schneller wieder daheim.