Traktoren rollen vors Brandenburger Tor: Corona, Ukraine, Trump – „Sie sind irgendwie gegen alles“

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Demonstranten schieben einen Sarg mit der Aufschrift „Deutschland stirbt“ in Richtung Brandenburger Tor. © Carsten Koall/dpa

Vor einem Jahr gab es Bauernproteste im ganzen Land. Auch an diesem Wochenende fuhren Menschen mit Traktoren nach Berlin und schimpften auf so ziemlich alles – außer Landwirtschaft.

Stehen die Bauerndemos vor einem Comeback? Der Verein „Hand in Hand für unser Land“ lud am Wochenende zur Großkundgebung auf der Straße des 17. Juni in Berlin. Doch was mit lauten Ankündigungen begann, endete ernüchternd. Zur Demo kam nur ein Zehntel der angemeldeten Menge – und mit Landwirtschaftspolitik hatte die Veranstaltung dann auch recht wenig zu tun.

„Bauerndemo“ in Berlin: „Sie sind irgendwie gegen alles“

10.000 Menschen sollten laut dem Verein kommen. Das teilten die Veranstalter auch den Behörden mit. Doch am Ende waren nur knapp 1000 Menschen da, wie die Polizei Berlin auf Anfrage von IPPEN.MEDIA erklärt. Die Protestler standen damit eher isoliert da. Denn die großen Landwirtschaftsgruppierungen rund um den Bauernverband wollten mit der Kundgebung nichts zu tun haben. Mehrere Verbände distanzierten sich öffentlich. Vom Bauernverband hieß es gegenüber IPPEN.MEDIA, man stehe in keinerlei Verbindung zu der Organisation.

Der Landesverband Brandenburg erklärte mit Blick auf die Demoteilnehmer: „Sie sind irgendwie gegen alles. Ich sehe keine Sachforderungen“, wie Vizepräsident Christoph Plass der Märkischen Oderzeitung sagte. „Der Bauernverband sieht keine Schnittmengen mit den Forderungen.“ Auch von anderen Gruppierungen wie etwa „Land schafft Verbindung“ kam keine Unterstützung.

Teilnehmer der Demonstration des Vereins „Hand in Hand für unser Land“ fahren mit Traktoren, Autos und gehen zu Fuß aus verschiedenen Richtungen zur Straße des 17. Juni und zum Brandenburger Tor.
Teilnehmer der Demonstration des Vereins „Hand in Hand für unser Land“ fahren mit Traktoren, Autos und gehen zu Fuß aus verschiedenen Richtungen zur Straße des 17. Juni und zum Brandenburger Tor. Erwartet wurden zu der Großdemonstration, die als Sternfahrt angekündigt war, 10.000 Teilnehmer. Gekommen ist nur ein Zehntel davon. © Carsten Koall/picture alliance

Wilder Mix auf Demo: „Ich bin rechts, weil ich Putin nicht als Feind ansehe“

Verfolgte man die Veranstaltung, konnte man erahnen, warum das so ist. Schon im Vorfeld berichtete die taz von rechtspopulistischen Tendenzen unter den Teilnehmern und sprach von einer „nationalistisch-populistischen Veranstaltung“. Zu Beginn betonte der Veranstaltungsleiter, man sei „nicht rechts, nicht links, oder sonstiges“, und schob gleich noch hinterher: „Wir sind nicht rechts.“

„Ich bin kein Bauer, aber sauer: Protest am Samstag (23. November) auf der Straße des 17. Juni in Berlin.
„Ich bin kein Bauer, aber sauer“: Protest am Samstag (23. November) auf der Straße des 17. Juni in Berlin. © Carsten Koall/dpa

Eine Rednerin namens „Vicky“ konterkarierte diese Aussagen sodann: „Ich bin rechts, weil ...“, schrie sie ins Mikro, ehe sie mehrere zusammenhangslose Begründungen folgen ließ. „Ich bin rechts, weil ich will, dass Kinder mit Knete, Bausteinen und Stiften malen und basteln.“ Oder: „Ich bin rechts, weil ich möchte, dass unsere Rentner keine Flaschen sammeln müssen.“ Und: „Ich bin rechts, weil ich Putin nicht als Feind ansehe.“ Doch: „Mein Land verlangt von mir, dass ich Russland hasse.“

Es folgte ein Vortrag gegen das Selbstbestimmungsgesetz, die aktuelle Entwicklungspolitik und – wie von vielen Rednern an diesem Tag – „für den Frieden“. Der frühere Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer (einst CDU, heute Chef einer nach ihm benannten 0,5-Prozent-Partei) forderte ein Ende von Waffenlieferungen und raunte: „Wir rufen den Chaos-Politikern von Berlin zu: Gebt uns unser Deutschland zurück.“

„Hand-in-Hand“-Demo in Berlin: „Jagend wir sie zum Teufel“

Auch andere Redner überraschten mit teils größtmöglicher inhaltlicher Ferne von Agrarpolitik. Sie sprachen über ein buntes Potpourri aus Coronamaßnahmen, Ukraine-Krieg und Donald Trump. Der frühere Bundeswehrmajor Florian Pfaff etwa schimpfte auf die „Verbrecherorganisation Nato“, ein anderer Redner über angebliche „Lügen“ während der Pandemie.

Landwirtschaftsbezug kam nur selten auf. Ein Milchviehhalter sprach über Wettbewerbsnachteile heimischer Bauern durch das geplante EU-Mercosur-Abkommen mit Südamerika, das auch der Bauernverband kritisiert. Eine als „Landwirtin Marion“ vorgestellte 78-Jährige forderte für eine Regierung nach Neuwahlen: „Lassen wir uns nicht verarschen und nehmen Fachleute aus der Wirtschaft für die wichtigen Ämter. Das geht – siehe Trump.“ Wohl mit Blick auf aktuelle politische Entscheider in Deutschland rief sie: „Jagen wir sie zum Teufel.“

Demo in Berlin: Wer ist „Hand in Hand für unser Land“?

Wer steht hinter dieser Demonstration gegen alles und jeden? Angemeldet hatte sie der Verein „Hand in Hand für unser Land“. Er gründete sich im Frühjahr 2024, also nach den Bauernprotesten vom vergangenen Jahr. Nach Informationen von IPPEN.MEDIA kommt der Kopf der Bewegung aus dem niederbayerischen Landkreis Straubing-Bogen. Er ist Landwirt und legte zumindest im Vorfeld den Blick auf Agrarpolitik. „Wir müssen eine breite Unterstützung bekommen. Warum? Weil die französischen und englischen Landwirte schon auf der Straße sind“, hieß es von ihm in sozialen Medien. Nun müssten die deutschen nachziehen: „Es reicht.“

Der Verein vertritt aber nicht nur die Interessen von Bauern. Sich selbst bezeichnet „Hand in Hand“ als Sprachrohr für „Unternehmer (Handwerk, Industrie; Handel, Logistik), Landwirte, Arbeitnehmer, Familien und Rentner sowie Gesundheit, Pflege und öffentlicher Dienst“ oder auch für: „alle rechtschaffenen Bürger“.

Die Proteste hätten die „hundertprozentige Unterstützung von Bayern bis Berlin“, hieß es bei der Auftaktveranstaltung Mitte der Woche im Freistaat. Die Zahl der Menschen, die diese „hundertprozentige Unterstützung“ auf die Straße tragen, war allerdings überschaubar. Videos der von Bayern und Thüringen aus startenden Protestfahrten zeigten je nur ein paar dutzend Traktoren.

Einer der Initiatoren zeigte sich auf Instagram „maßlos enttäuscht“ und beklagte: „Keiner will rauf fahren, es wird nur viel geredet. Jeder jammert, wie scheiße, alles ist, wie scheiße die Politiker sind. Aber ganz ehrlich: Wer nur redet, jammert und nix dafür tut, ist auch nicht besser als die da oben.“

Mit diesem KI-Bild versuchen Unterstützer der Bauernproteste im Internet Stimmung zu machen.
Mit diesem KI-Bild versuchen Unterstützer der Bauernproteste im Internet Stimmung zu machen. Die Fälschung erkennt offenbar nicht jeder. © Screenshot X

In sozialen Medien tauchten diese Woche KI-generierte Fotos auf, die lange Staus zeigen sollen. „Bundesweite Bauerndemos legen heute Verkehr lahm“, hieß es in einem Post auf X (früher Twitter), der mehr als 200.000-mal aufgerufen wurde. Geht man den Kommentaren nach, glaubten offenbar etliche Nutzer, es handle sich um ein echtes Bild.

Was will „Hand in Hand“ mit dem Protest bezwecken? In Berlin bekam man den Eindruck, als gehe vor allem um eines: aich Ärger über die Politik Luft machen. Einen Punkt betonten die Veranstalter darüber hinaus immer wieder: „Wir fordern eine Redezeit im Deutschen Bundestag.“

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