Bamf-Chef bricht linke Tabus – SPD-Aufschrei ist bezeichnend für Asyl-Debatte
- Im Video: BAMF-Chef hat recht: Für eine Asyl-Wende bleibt uns nur eine realistische Wahl
Politiker von SPD, Grünen und Linken fordern seine Entlassung. Sie wollen ihn canceln, seine Einsichten und Ansichten passen ihnen nicht. Sie sagen, so dürfe sich ein Beamter doch nicht äußern. So machen sie aus einer Sachdiskussion eine Debatte über den Gehorsam eines Staatsdieners.
Zu Hans-Eckhard Sommer, Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), der das deutsche Asylrecht abschaffen will, kann man dies feststellen: Er weiß, was er sagt, und er liegt mit seiner Diagnose wie mit seiner Therapie richtig.
Den gebürtigen Münsteraner verschlug es früh nach Bayern, wo er Jura studierte. Und zwar bis zu seiner erfolgreichen Promotion. Den Doktorgrad erwarb Sommer an der Ludwig-Maximilians-Universität. Sommer arbeitete als Verwaltungsrichter in Bayern. Er diente einem der fachlich strengsten Arbeitgeber, CSU-Größe Edmund Stoiber, als Büroleiter.
Bamf-Chef Sommer ist „fachlich exzellent“ – und dennoch im Kreuzfeuer
20 Jahre arbeitete Sommer im bayerischen Innenministerium. Als Referatsleiter dort war er verantwortlich für die Ausländer- und Asylpolitik – viele Jahre lang. Im Bundestag wurde er dazu als Sachverständiger gehört. Die „Süddeutsche Zeitung“, kein CSU-freundliches Organ, nannte diesen Christsozialen „fachlich exzellent“.
Seit nunmehr rund sieben Jahren führt Sommer das Bamf. Kurzum: Der Mann ist ein erfahrener Insider und einer der besten Kenner der so komplexen und politisch heiklen Materie in Deutschland.
SPD-Politiker Ralf Stegner, der für die neue Koalition die Migration verhandelt, würde ihn am liebsten hinauswerfen. Ebenso wie Grünen-Migrationspolitikerin Filiz Polat, die das ganz große Besteck auf den Tisch legt: „Dass ein Präsident einer deutschen Behörde geltendes deutsches Recht und das Völkerrecht infrage stellt, ist für einen Rechtsstaat nicht tragbar.“ Damit ordnet die Grünen-Politikerin den Beamten in eine Kategorie ein, die allenfalls knapp vor Verfassungsfeind liegt.
Jan Dieren von der SPD führt gleich noch Moral, Anstand und Christentum gegen den Verwaltungschef ins Feld. Sommer wolle aus einem „unverrückbaren“ Grundrecht eine „Kontingentfrage“ machen: „Man muss nicht Christ sein, es reicht ein bisschen Anstand, um das verwerflich zu finden.“ Und Juso-Chef Philipp Türmer, der demnächst ein Wort mitzureden hat, wenn die SPD den Koalitionsvertrag ihren Mitgliedern zur Abstimmung stellt, fragt: „Was kommt als Nächstes? Eine Mauer um ganz Deutschland?“
Sommer bricht mit vier linken Migrations-Tabus
Sommer sagt mit seinen 20 Jahren migrationspolitischer Erfahrung dies, und das erklärt dann auch die große linke Aufregung und den Versuch, den Mann mundtot zu machen:
- Erstens: Es sei „falsch“ am individuellen Asyl-Grundrecht festzuhalten.
- Zweitens: Es sei „falsch“, auf „positive Effekte“ der Gemeinsamen Europäischen Asylpolitik zu hoffen, also auf die europäische Asylreform, die in Deutschland noch nicht umgesetzt ist.
- Drittens: Internationales Recht, wie die Genfer Flüchtlingskonvention, lasse sich auch wieder ändern.
- Viertens: „Politik kann vieles, wenn sie nur will.“
Damit bricht Sommer mit gleich vier linken wie grünen Tabus auf einmal. Der grundlegende Befund des Spitzenbeamten: Das geltende Asylrecht habe den demokratischen Rechtsstaat „in krisenhafte Entwicklungen“ gestürzt.
Einen größeren Kontrast zwischen der Feststellung der sozialdemokratischen Bundesinnenministerin Nancy Faeser, mit den getroffenen asyl- und migrationspolitischen Maßnahmen seien sie und die Ampel-Koalition auf dem richtigen Weg, und ihrem wichtigsten Behördenchef könnte es gar nicht geben.
Thorsten Frei: Asylsystem basiert „auf einer Lüge“
Die Unionsführung nahm Sommer in Schutz: Thorsten Frei, der auf dem besten Weg ist, Kanzleramtsminister zu werden, verwies darauf, er sei zum selben Schluss gekommen wie der Beamte. Diese Bemerkung ging in der Nachrichtenflut unter, sie ist aber bedeutsam.
Nicht nur, weil Frei Volljurist ist und innenpolitischer Experte seit vielen Jahren. Sondern, weil Frei schon länger der Meinung ist, dass sich die von der Union angepeilte „Asylwende“ im bestehenden Asylsystem nicht wird erreichen können. Denn dieses System basiert, so schrieb Frei es am 7. Juli 2023 für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nieder, „auf einer Lüge“.
Frei stellt wie Sommer einige auch für die Union unbequeme Wahrheiten ins Schaufenster. Demnach sei das Asylrecht längst „dem nationalen Gesetzgeber entzogen“. Hinter dieser Tatsachenfeststellung verbirgt sich eine grundstürzende Tatsache, die sich bis zu den allermeisten Bürgern noch nicht herumgesprochen haben dürfte: Deutschland könnte an seinem Asylrecht schrauben wie es will – eine grundlegende Veränderung, eine „Asylwende“ ließe sich so nicht erreichen.
Die europäische Grenzöffnung startete schon mit Kohl
Denn: Seit inzwischen 30 Jahren sind ein Dutzend rechtspolitische Entscheidungen gefallen, die vor allem eins zur Folge hatten: die Übertragung der Zuständigkeit für das deutsche Asylrecht nach Brüssel. Das begann nicht erst mit Angela Merkel, sondern lange vorher, 1994 schon – da regierte noch Helmut Kohl.
Die von ihm – und Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand – betriebene europäische Grenzöffnung lief nach der Devise: Freizügigkeit vor Grenzschutz. Mit den Jahren kamen zwei rechtspolitische Entwicklungen hinzu: Das Menschenrecht auf Asyl wurde rechtlich aufgewertet, im europäischen Recht verankert und von Flüchtlingen selbst einklagbar gemacht.
Deshalb war es objektiv falsch, als der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag sagte, Deutschland könne sich selbstverständlich „aussuchen“, wer in die Bundesrepublik komme. Nein, das kann Deutschland nicht, denn: Asylrecht ist kein Recht, das der Staat nach Maßgabe seiner Gesetze vergibt, sondern das Recht jedes Menschen, der von sich behauptet, politisch verfolgt zu sein.
Das Asylrecht ist nicht gerecht oder human
Jeder, der an der deutschen Grenze das Wort „Asyl“ ausspricht hat Anspruch auf eine Überprüfung seines Asylbegehrens. Damit ist er erst einmal in Deutschland. Ihn wieder hinauszubekommen, auch im Fall einer Asyl-Ablehnung, ist so gut wie unmöglich. Warum, das hat zuletzt ein Journalist der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bei Markus Lanz nach einer langen Recherche anschaulich geschildert. Deutschland bezahlt dem Flüchtling, nach einer Intervention der Grünen, Anwälte bis zum letzten Verfahren.
Anders, als SPD, Grüne und Linke behaupten, ist das Asylrecht auch kaum gerecht oder human. Es kommen knapp 70 Prozent junge Männer als Migranten nach Deutschland, und sie haben Geld genug, sich einen kriminellen Schleuser zu leisten.
„Wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank ist, ist chancenlos“, lautet der nüchterne Befund des CDU-Politikers und Experten Frei. Und: Die bestehende Rechtslage sei absurd, denn danach wäre Deutschland „verpflichtet, rund 35 Millionen Menschen vom Hindukusch aufzunehmen“.
Der Bamf-Chef hält auch der Union einen Spiegel vor
Das deutsche Asyl-Grundrecht zu ändern, würde nichts mehr bringen. Der Kampf dafür oder dagegen ist nicht mehr als ein Scheingefecht. Wenn sich nichts am europäischen Asylrecht ändert, ändert sich so gut wie gar nichts.
Allenfalls hätte es eine Wirkung, Deutschland würde die Grenze für ausnahmslos alle dichtmachen, die Asyl begehren, was zwar eine Forderung des mutmaßlich nächsten Kanzlers Friedrich Merz ist; allerdings eine, die absehbar die Koalitionsverhandlungen nicht überleben wird.
Die Unionsführung bringt ihr eigenes Konzept nicht mehr in die Koalitionsverhandlungen ein. Deshalb hält der Behördenchef Sommer nicht nur der SPD, sondern auch der Union einen Spiegel vor.
Einwanderungsländer suchen sich die Einwanderer aus
Der einzige Politiker von Rang, der vorschlug, das internationale Asylrecht zu ändern, war der Unions-Fraktionsvize Jens Spahn. Er brachte ins Spiel, die Genfer Flüchtlingskonvention zu ändern. Der linke Aufschrei war laut. Dort gilt diese Konvention nicht als politisch veränderbares Recht, sondern als unantastbares Völkerrecht. Dabei ist auch Völkerrecht eine Folge nicht nur rechtlicher, sondern auch politischer Entscheidungen.
Das bestehende Asylsystem zu verändern, ist möglich. Sommer hat einen Vorschlag dafür, ebenso wie Frei. Vorbild dafür sind traditionelle Einwanderungsländer wie die USA oder Kanada. Der Unterschied zwischen diesen Ländern und dem behaupteten Einwanderungsland Deutschland: Einwanderungsländer lassen sich nicht von Einwanderern aussuchen, sondern suchen sich ihre Einwanderer selbst aus – auch ihre Flüchtlinge. Kanada etwa lässt seit rund vier Jahren die Vereinten Nationen die Anfangsarbeit machen.
Unter denjenigen, die in großen Flüchtlingslagern ausharren und von den UN als Flüchtlinge anerkannt sind, sucht sich Kanada „seine“ Migranten aus. Die werden vor der Einreise penibel sicherheitsüberprüft.
Kanadier können sich bei der Regierung melden, um für deren Betreuung mit privatem Geld aufzukommen. Das hat Folgen: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Integration gelingt, ist durch diese Art von öffentlich-privater Partnerschaft wesentlich höher. Und damit – in der Regel – auch die Akzeptanz.
Wenn Asylwende scheitert, sollte SPD sich nicht freuen
Mit anderen Worten: Europa könnte sein komplett dysfunktionales Asylsystem abschaffen und durch eine tatsächlich humanitäre, weitgehend von organisierten Kriminellen wie Schleppern freie Flüchtlingspolitik ersetzen. Dafür könnte es, weil inzwischen immer mehr Länder in der EU konservativ regiert werden, womöglich sogar eine Mehrheit geben. So argumentiert jedenfalls Faesers Asyl-Experte Sommer.
Allein: Eine solche Asylwende werden sie bei den Koalitionsverhandlungen sicher nicht zustande bringen. Die SPD sollte allerdings nicht glauben, dass dies allein zu Lasten der Unionskonkurrenz ginge. In ihrem Ruhrgebiets-Stammland, ausgerechnet in Gelsenkirchen, wurde die AfD zum ersten Mal in der Geschichte der Malocher-Stadt bei der Bundestagswahl stärkste Kraft.