„Bruchlandung“ für Pistorius bei Wehretat – CSU glaubt an Retourkutsche von Scholz

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Was soll das, Chef? Boris Pistorius ist mit der Etat-Planung von Olaf Scholz (r.) unzufrieden. Unser Bild zeigt beide kurz vor einer Kabinettssitzung in Berlin © Kay Nietfeld/dpa

Wegen der Lücken im Wehretat im Haushalt 2025 reagiert Verteidigungsminister Boris Pistorius ungewohnt heftig. Mehrere Projekte stehen wohl auf der Kippe.

München/Berlin – Es scheint ein Wochenende lang gebrodelt zu haben in Boris Pistorius. Bis Montag schwieg er, aber dann muss es raus. „Ja, ich habe deutlich weniger bekommen, als ich angemeldet habe“, sagt der Verteidigungsminister (SPD). „Das ist ärgerlich für mich, weil ich bestimmte Dinge dann nicht in der Geschwindigkeit anstoßen kann, wie es Zeitenwende und Bedrohungslage erforderlich machen.“ Klare Kritik am Haushaltsentwurf der Ampel-Koalition also. Und Pistorius ist damit nicht allein. Aus mehreren Ecken in Berlin kommt Widerspruch.

Die Zahlen klingen zunächst nicht schlecht. Der Verteidigungshaushalt von 52 Milliarden Euro soll um 1,2 Milliarden wachsen. Pistorius hatte aber über sechs Milliarden mehr angemeldet. Und selbst das ist noch klein gegenüber den Mittelfrist-Plänen, bis zum Jahr 2028 (wenn das 100-Milliarden-Sondervermögen endet) auf 80 Milliarden Euro zu kommen. Er fordert indirekt den Bundestag auf, jetzt nachzusteuern. „Wir werden sehen, was sich in den nächsten Wochen und Monaten weiter ergibt.“

Bundeswehr kritisiert Verteidigungsetat der Ampel – „Truppe ist schockiert“

In der SPD-Fraktion, die über die Parteiflügel hinweg wenig von der Schuldenbremse hält, hätte er da Unterstützer. Haushaltsexperten kündigen Nachverhandlungen an. Auch in der Bundeswehr gibt es, wenig überraschend, Rückendeckung. „Die Truppe ist verwundert, größtenteils schockiert“, sagt Andre Wüstner, der Chef des Bundeswehrverbands. Generalinspekteur Carsten Breuer warnte laut SZ, Russland könne sich um das Jahr 2029 herum auch gegen Nato-Staaten wenden, daher sei die Abschreckung so wichtig.

Für Pistorius ist das in der Sache unangenehm, politisch ebenso. Er soll ja heute in Washington beim Nato-Gipfel die Verbündeten davon überzeugen, dass Deutschland es ernst meine mit dem Hochfahren des Verteidigungsetats. Gleichzeitig wird innenpolitisch getuschelt, im Etat-Streit habe ihm Kanzler Olaf Scholz (SPD) wohl vorsätzlich eins auf den Deckel gegeben.

Der Minister mit dem Anpacker-Image führt die meisten Beliebtheits-Umfragen an, auch die seriöseren, und wird immer wieder als Scholz-Ersatz genannt. Die Schlagzeilen nun: „Pistorius verliert heftigen Milliarden-Poker“ (Bild), „Einer der Verlierer“ (Stuttgarter Nachrichten), „Minister Klartext plötzlich kleinlaut“ (Spiegel).

Der Minister musste eine Bruchlandung erleben.

„Der Minister, der wiederholt deutlich mehr Geld für die Bundeswehr gefordert hatte, musste eine Bruchlandung erleben“, sagt der CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn. Er warnt, die 1,2 Milliarden mehr reichten „nicht einmal für Inflations- und Personalkostensteigerungen“. Hahn, der gerade mit Pistorius durch die USA reist, wirft Scholz dabei Absicht vor: Offenbar sei dem Kanzler „wichtiger, den unliebsamen Konkurrenten kleinzuhalten, als Deutschland endlich verteidigungsfähig zu machen“.

Haushalt 2025: Einkäufe von Taurus-Raketen angeblich auf der Kippe

Was an konkreten Projekten nun kippt, ist noch offen. Laut Spiegel wackelt der Kauf von vier U-Booten sowie von neuen Taurus-Marschflugkörpern, letztere von MBDA im oberbayerischen Schrobenhausen hergestellt. Auch ein neues Raketensystem stehe auf der Kippe. General Breuer weist zudem auf ein ganz anderes Feld hin: die Infrastruktur. Alles Gerät, was zur Nato-Ostflanke soll, muss durch Deutschland rollen – auf maroden Straßen und Schienen?

Das Haushaltspaket der Koalitionsspitzen noch einmal aufzuschnüren, dürfte kompliziert werden. Offenbar wird es nur mit umstrittenen Tricks zusammengehalten. In Pistorius‘ Posten ist vorgesehen, dass er Waffenkäufe über „Verpflichtungsermächtigungen“ regeln darf. Vereinfacht gesagt: Die Rechnung wird in die Zukunft verschoben, also auf die nächste Regierung.

Laut einem Politico-Bericht werden auch Milliarden mit dem Rechentrick verschoben, Schulden auf die Bahn oder die Autobahn AG weiterzureichen. Zudem wurde rechnerisch ein Sicherheitspolster von acht Milliarden Euro für Beiträge an die EU gestrichen, obwohl die Zahlungen nach Brüssel in Wahrheit eher steigen werden.

Und Pistorius? Verliert er die Lust, den Eifer? Schon im Mai verstörte er die Koalition mit dem Satz vor Abgeordneten, er müsse das hier nicht machen. Nun bemüht er sich bei allem Ärger um einen verbindlicheren Ton und sagt: „Ich muss mich darauf einstellen und das Beste daraus machen.“ (Christian Deutschländer)

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