Parlamentswahl in Frankreich: Diese Wahl hat Folgen auch für Deutschland
Die Franzosen wählen am 30. Juni ein neues Parlament. Die Umfragen deuten auf einen Rechtsruck hin. Auch für Deutschland und die EU hätte das klare Folgen.
Paris/Berlin/Brüssel – Frankreich steht heute vor einer Richtungswahl: Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Nachbarland wird ein Rechtsruck befürchtet, der Präsident Emmanuel Macron das Leben schwer machen könnte. Aber nicht nur ihm würde ein starkes Ergebnis der Rechten um Marine Le Pen zu schaffen machen. In der gesamten EU und vor allem für die deutsche Wirtschaft hätte das Folgen. Alle schauen auf Paris, wenn an den Abenden des 30. Juni und 7. Juli die Ergebnisse einlaufen.
Frankreich-Wahl heute: Wie groß wird die Mehrheit von Le Pen?
Was am Ende von den Plänen des Rassemblement National (RN) übrig bleibt, hängt natürlich maßgeblich davon ab, ob und wie groß ihre Mehrheit am Ende ist. Ohnehin dürfte die Wahl heute jedoch als Blaupause für die Präsidentschaftswahl 2027 dienen. Dann darf Macron nämlich nicht mehr antreten.
Insgesamt sorgt sich die deutsche Wirtschaft um die Folgen der Frankreich-Wahl. „Bei der Analyse der wirtschaftspolitischen Ankündigungen der Rechten und der Linken kommen deutsche und französische Unternehmen zu demselben Schluss: Die Attraktivität Frankreichs würde darunter leiden“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer, Patrick Brandmaier, laut dpa.
Frankreichs Rechte wollen „französischen Strompreis“ – für Europa wäre das fatal
Ein Beispiel liefert das Wahlprogramm der extremen Rechten um Marine Le Pen. Jordan Bardella, der Spitzenkandidat der rechten Rassemblement National (RN), fordert nämlich eine Loslösung von den europäischen Strompreisregulierungen und einen „französischen Strompreis“, wie das Handelsblatt berichtete. Experten warnen jedoch, dass dies drastische Folgen für Frankreich und Europa haben könnte.
Damit steht Bardella nicht alleine da. Die politische Rechte in Frankreich fordert, dass das Land auf Atomenergie, Wasserkraft und Erdgas setzt, statt auf Wasserstoff, Solar- und Windenergie setzt. Dahingehend äußerte sich auch der Vorsitzende der Partei Les Républicains, Éric Ciotti: „Frankreich muss aus dem europäischen Energiemarkt aussteigen, um wieder eine autonome Stromproduktion und günstigere Strompreise zu garantieren“.
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Catherine MacGregor, die Geschäftsführerin des französischen Energiekonzerns Engie, äußerte in der Zeitung La Tribune ihre Besorgnis über starke Preisschwankungen und das „Risiko von Stromausfällen“. Sollten wieder Energiebarrieren innerhalb Europas errichtet werden, würde dies das „Risiko von Versorgungsproblemen und höheren Preisen“ erheblich steigern.
Rente in Frankreich: Linke und Rechte wollen das Rentenalter absenken
Ebenfalls für Aufsehen sorgen außerdem die Pläne der französischen Rechten zur Rente. Sie wollen das Renteneintrittsalter in Frankreich von aktuell 64 auf 62 herabsetzen. Noch drastischer würde es das linke Bündnis „Neue Volksfront“ machen: Sie plädieren für eine Rente schon ab 60 Jahren. Auch die Linken stehen in Frankreich in den Umfragen vor der Partei von Macron.
So eine Entscheidung würde die Staatskasse in Paris massiv belasten. Die Pläne beider Parteien würden zu mehr Schulden führen – dabei hat die EU-Kommission schon beschlossen, ein Verfahren gegen Frankreich wegen gebrochener Schuldenregeln einzuleiten. „Sollten [die Pläne] umgesetzt werden, würde dies zwangsläufig zu einer weiteren Verschuldung führen“, sagte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank, in der Bild-Zeitung. „Eine weitere Verschuldung würde die Zinsen für französische Staatsanleihen in die Höhe treiben und den ohnehin strapazierten französischen Staatshaushalt weiter belasten“.
Das wiederum würde auch die deutsche Wirtschaft treffen, da viele Unternehmen hierzulande Geschäfte in Frankreich tätigen. Wer in Deutschland schon Probleme hat, Fachkräfte zu finden angesichts einer alternden Bevölkerung, wird in Frankreich auf ähnliche Probleme stoßen – wenn nicht sogar schlimmere, bei einem Rentenalter von 60 oder 62.
Droht Europa nach der Frankreich-Wahl eine Finanzkrise?
Apropos Staatsverschuldung: Neben der EU-Kommission ist auch schon die Europäische Zentralbank (EZB) hellhörig geworden. Experten befürchten, dass ein Konfrontationskurs mit Brüssel bevorsteht, was die gesamte Währungsunion destabilisieren und den Euro schwächen könnte. Bruno Le Maire, Frankreichs Finanzminister, warnt sogar vor einer möglichen Finanzkrise im Zuge der Neuwahlen.
Die RN hat versprochen, sich an das im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegte EU-Regelwerk zu halten. Doch es bleibt unklar, ob die teuren Ausgabenpläne ohne Verstoß gegen die EU-Verschuldungsregeln finanzierbar sind. Es stellt sich auch die Frage, ob die EZB eingreifen muss, wenn die Finanzmärkte sich gegen Frankreich wenden. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, warnt vor diesem Szenario: „Wenn ein Land die Regeln einfach ignorieren und sich von der Notenbank helfen lassen kann, werden viele Zweifel am künftigen Wert und Zusammenhalt des Euro aufkommen.“
Die EU hat Frankreich, das seit 25 Jahren nach EU-Regeln zu große Haushaltslücken aufweist, lange Zeit Nachsicht gewährt. Die Glaubwürdigkeit der französischen Finanzpolitik steht daher bereits vor einem möglichen Rechtsruck in Paris auf dem Spiel. Für 2023 weist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone ein Defizit von 5,5 Prozent der Wirtschaftsleistung auf. Im laufenden Jahr wird ein Minus von 5,3 Prozent erwartet. Die EU-Schuldenregeln sehen jedoch nur eine Obergrenze von drei Prozent vor. Zwei Ratingagenturen haben die Kreditwürdigkeit Frankreichs bereits herabgestuft. (mit Material von Reuters und dpa)