KI-Krebsforscher kritisiert - „Bevor wir dem ersten Patienten helfen, vergehen drei Jahre für die Zulassung“

Titus Brinker ist nicht irgendein Wissenschaftler, sondern der Arzt ist die Kapazität in Deutschland, wenn es um Hautkrebs und das rechtzeitige Erkennen dieser tückischen Krankheit geht. Er hat das erste Dermatoskop zur Erkennung von Hautkrebs entwickelt und dafür in diesem Jahr den Innovationspreis des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg bekommen. Das KI-System des Geräts kann Auffälligkeiten an der Haut angeblich besser erkennen kann als jeder Hautarzt. Es befindet sich derzeit im Zulassungsverfahren – und damit fangen Brinkers Probleme an.

„Die EU-Medizinprodukteverordnung macht den Einsatz von KI am Patienten ähnlich schwierig und bürokratisch, wie die europäische Datenschutzgrundverordnung die Datenforschung insgesamt“, sagte er jetzt den Zeitungen der Funke-Mediengruppe „Beide EU-Verordnungen sind sehr effektive Bremsklötze für Fortschritt.“

KI-Gesetz grenzt Forschung ein

Der Hintergrund: Die EU-Kommission unter ihr gerade wiedergewählten Chefin Ursula von der Leyen hatte im März stolz als erste Regierung der Welt ein umfassende KI-Gesetz beschlossen. Sie will damit Standards setzen, an denen sich der Rest der Welt ausrichtet. Es sei „das erste umfassende Gesetz über KI von einer großen Regulierungsbehörde irgendwo“, lobte Ursula von der Leyen ihren EU-Beamtenapparat, das Parlament und sich selbst - als ob allein die Tatsache, dass es ein Gesetz gibt, schon einmal ein Volltreffer ist. Das Gegenteil ist richtig.

Denn dieses Gesetz wäre dann angebracht gewesen, wenn Europa bei Entwicklung und Verkauf von KI an der Weltspitze stünde. Tatsache ist aber, dass Europa in Sachen digitaler Technologien höchstens noch Trostpreise abräumt. Das KI-Gesetz begrenzt das Risiko bei einem Thema, wo erst einmal Aufbruchstimmung nötig ist, um es überhaupt zum Thema zu machen.

Forschung wird teurer und langwieriger

Brinkers Forschung und das Bemühen, den Durchbruch in der Hautkrebs-Früherkennung auch Wirklichkeit werden zu lassen, sind nun die direkte Folge einer Regulierung, die die Technologie eher behindert als fördert. Datenforschung und Zulassungsprozesse seien durch die EU-Gesetze aufwendig und teuer. Deswegen erlebten Patienten „Künstliche Intelligenz“ in Europa selten in der klinischen Praxis, klagt der Wissenschaftler. Europa gelte als KI-Standort zumindest wirtschaftlich bereits als abgehängt. „Wir würgen uns durch überbordende Bürokratie einen sehr wichtigen Wirtschaftsmotor ab.“

Die Kosten für die Bürokratie zur Zulassung des KI-assistierten Dermatoskops betragen Brinker zufolge mindestens drei Millionen Euro. „Bevor ein Unternehmen den ersten Euro verdient, vergehen mindestens drei Jahre Zulassungsprozess, in der Regel sind es sogar sechs bis acht Jahre“, sagte Brinker. Und in dieser Zeit könne es passieren, dass das Produkt vollständig das Marktpotential verliere, etwa weil ein Konkurrent etwas schneller sei.

Die Zulassung des KI-Dermatoskops funktioniere nur, weil es durch Steuergeld gestützt werde. Mittel des Landes Baden-Württembergs stellten sicher, „dass wir eine Chance haben, die Bürokratie personell abzuarbeiten“, erklärt der Krebsforscher. Ein kleines oder mittelständisches Unternehmen hätte keine Chance, aus eigener Kraft ein solches Produkt in Europa auf den Markt zu bringen. Aktuelle EU-Gesetze begünstigten deshalb Konzerne wie Google, Amazon oder Apple.