Blick in die Geschichte: Warum aus „Krankenheil“ vor 125 Jahren „Bad Tölz“ wurde

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Tölzer Kurgäste vor der alten Wandelhalle. Sie war 1866 errichtet worden. Patienten sollten auch bei Regen das Wasser der „Krankenheiler Jodquellen“ wie vorgeschrieben spazieren gehend zu sich nehmen können. (Repro) © cs

Seit 125 Jahren führt Tölz das „Bad“ in Namen. Den Wegfall der früheren Bezeichnung „Krankenheil“ würde man heute als geschickte Marketing-Maßnahme bezeichnen.

Bad Tölz – Unter dem Motto „Fest der Gesundheit“ hat die Stadt vor Kurzem im Kurpark und rund um das Vitalzentrum den Tag vor 125 Jahren gefeiert, als Tölz den Titel „Bad“ erhielt und sich seitdem „Bad Tölz“ nennen darf. Jahrelange Bemühungen waren vorangegangen. Letztlich ging es nämlich um einen Imagewandel.  

Marktsekretär bittet „alleruntertänigst“ um Namensänderung

Man erinnert sich noch gut, als sich die Allgemeine Ortskrankenkasse AOK vor Jahren plötzlich aus Marketinggründen in eine „Gesundheitskasse“ verwandelte. Mit Kranksein, was wenig optimistisch klang, wollte die AOK nicht assoziiert werden, sondern mit dem positiv belegten Begriff „Gesundheit“.

1902 war die Kanalisation im Badeteil abgeschlossen und damit eine Bedingung für den Titel „Bad Tölz“ erfüllt. Der neue Kanal führt auf Höhe des Lindenhofs in die Isar. In der Mitte (6.v.re.) J.R. Durham, Ingenieur der Frankfurter Firma Lindley. Links von ihm der damalige Bürgermeister Jakob Faist.
1902 war die Kanalisation im Badeteil abgeschlossen und damit eine Bedingung für den Titel „Bad Tölz“ erfüllt. Der neue Kanal führt auf Höhe des Lindenhofs in die Isar. In der Mitte (6. v. re.) J.R. Durham, Ingenieur der Frankfurter Firma Lindley. Links von ihm der damalige Bürgermeister Jakob Faist. (Repro) © cs

So ähnlich war das wohl auch vor 125 Jahren in Tölz, als der aufstrebende Kurort den Titel „Bad“ anstrebte und endlich die ungeliebte Bezeichnung „Krankenheil“ loswerden wollte. In Tölz suchten damals Patienten mit Frauenkrankheiten, Syphilis, Hautkrankheiten und Gicht Linderung ihrer Leiden. Alle Führer jener Zeit sprachen vom Kurort nur als „Tölz – Bad Krankenheil“.

„Ziemlich umfangreiche Villenkolonie links der Isar“

Im Stadtarchiv ist der Antrag an den „Allerdurchlauchtigsten Prinz und Allergnädigsten Regenten und Herrn“ Luitpold von Bayern erhalten. In dem Schreiben wird daran erinnert, dass nach der Entdeckung der Jodquellen am Sauersberg 1845 innerhalb weniger Jahrzehnte „eine ziemlich umfangreiche Villenkolonie links der Isar entstand“. Seit den 1860er-Jahren sei sie „vom Volksmund Bad Krankenheil“ genannt worden. Der Briefverfasser, der damalige Marktsekretär Georg Meindl, verweist darauf, dass nie eine Genehmigung für diese Bezeichnung erteilt noch je beantragt worden sei. Im Gegenteil: Es habe sich bei Einheimischen und Kurgästen „eine Abneigung“ gegen den Namen gebildet. Auch, weil so „die bisher geschlossene Gemeinde Tölz in einzelne Ortschaften geteilt wird“.

Deshalb, so lasen der Prinzregent beziehungsweise sein Sekretär, hätten die beiden Kollegien des Marktes am 31. März und 21. Juli 1898 beschlossen, seine Königliche Hoheit um Änderung des Namens in „Bad Tölz“ zu bitten. Unterschrieben ist der Brief – jeder Ministerpräsident würde sich das heute ausschneiden und aufhängen – „in tiefster Ehrfurcht, alleruntertänigst und treugehorsamst“.

Kurze Anmerkung zu den zwei Kollegien: Der Markt Tölz wurde noch bis 1919 vom achtköpfigen bürgerlichen Magistrat, der vom 24-köpfigen Kollegium der Gemeindebevollmächtigten gewählt wurde, regiert. Alle maßgeblichen Akteure mussten Bürgerrecht besitzen und waren damit per se einigermaßen wohlhabend.

Der neue Name setzt sich schnell durch

Zurück zur neuen Ortsbezeichnung „Bad Tölz“: Das Innenministerium stimmte am 20. Juni 1899 „im Namen Seiner Majestät des Königs“ zu. In der Amtlichen Bekanntmachung am 12. Juli 1899 im Tölzer Kurier wird ergänzend ausdrücklich vermerkt, dass der Name Krankenheil oder Bad Krankenheil amtlich nicht mehr zugelassen ist.

Es ist durchaus spannend zu verfolgen, wie schnell sich der Name durchsetzte. Der Leiter des Bezirksamtes (= Landrat) von Mahlsen unterschrieb bereits am Tag der Bekanntgabe am 12. Juli stolz mit Bad Tölz. Die Redaktion der Zeitung ging mit keinem Wort auf diese bemerkenswerte und noch 125 Jahre für Tölz bedeutsame Änderung ein. Das „Königlich Bayerische Amtsgericht“ in Tölz ignorierte noch Wochen später die Änderung. Clevere Anzeigenkunden wie der Zahntechniker Chr. Fleischer, der in der Villa Atzl (Ludwigstraße 7) seine Dienste anbot, warben schon am 15. Juli mit der Bezeichnung „Bad Tölz“.

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Es gibt noch einen nicht unwichtigen Zusammenhang, der den Bogen zur 125-Jahr-Feier („Fest der Gesundheit“) spannt. In dem Akt, der sich im Stadtarchiv mit der Namensänderung befasst, sind mehrere Dokumente zu finden, die sich mit „den sanitätswidrigen Zuständen in Bad Krankenheil“ befassen, die es dringend zu verbessern gelte. Zwar gab es die schon erwähnte Villenkolonie mit stattlichen Häusern. Die Beseitigung der Abwässer war hingegen nicht geregelt, was zu katastrophalen Zuständen geführt haben muss. Dem Ruf eines mondänen Kurorts – und nichts anderes wollte Tölz werden – war dies höchst abträglich.

Stararchitekt mit Kanalisation beauftragt

Darin ist wohl auch der Grund zu sehen, warum sich Tölz um den Jahrhundertwechsel herum um eine Kanalisation westlich der Isar bemühte. Und damit wurde nicht irgendwer beauftragt, sondern einer der Besten seines Fachs: Der britische Ingenieur William H. Lindley schuf in 36 europäischen Städten, darunter Prag, Baku und Warschau, Abwassersysteme. Es spricht für das Tölzer Selbstbewusstsein jener Zeit, dass sich auch Bad Tölz von Lindleys Frankfurter Büro die Kanalisation im Badeteil projektieren ließ.

Die über 120 Jahre alten Anlagen – Bauamtsleiter Christian Fürstberger hat dies immer wieder staunend im Stadtrat erwähnt – sind zum Teil sogar noch in Betrieb. Die Abwässer des Badeteils wurden seitdem gesammelt und, wie es damals üblich war, in die Isar geleitet. Eine weitere, wichtige Bedingung für den Zusatz „Bad“ im Ortsnamen Tölz war damit erfüllt. (Von Christoph Schnitzer)

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