Schnee-Orakel Sepp Haslinger: Wetterprophet verrät das Geheimnis der Königskerze

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In die Geheimnisse der Königskerze ließen sich Schüler der Phytotherapeutin Bertlies Adler von Sepp Haslinger (li.) einweihen. © Hias Krinner

Sepp Haslinger weiß, wie der Winter wird. Jetzt hat der Benediktbeurer Schülern einer Phytotherapeutin das Geheimnis der Königskerze erklärt.

Benediktbeuern – Altes Wissen um die Kräfte und Zeigerfähigkeiten der Natur wurde lange Zeit von der modernen Wissenschaft in den Schatten gestellt. Doch seit einigen Jahren suchen viele Menschen aus der komplexen Technikwelt wieder zurück zu den ursprünglichen Quellen. So hatte sich jetzt auch eine Besuchergruppe aus dem schwäbischen Ingenried auf den Weg gemacht nach Benediktbeuern, um von Sepp Haslinger die Eigenschaften und Eigenheiten der Königskerze oder Wetterkerze, wie sie auch oft genannt wird, zu erfahren.

Das Geheimnis kannten schon die alten Holzknechte

Haslinger ist hierzulande bekannt für seine Vorhersagen über weiße oder eher grüne Phasen des nächsten Winters, die er hauptsächlich am Blütenstand der Wetterkerzen zur Zeit um Mariä Himmelfahrt (15. August) abliest. Das hätten früher schon die Holzknechte so gemacht, um den Holzeinschlag und die Abfuhr per Schlitten aus dem Bergwald besser planen zu können, sagt Haslinger.

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Das Interesse der Gäste kam nicht von ungefähr: Es handelte sich dabei um „Schüler“ der Phytotherapeutin Bertlies Adler. Adler führt den „Kräuterhof Ingenried“, auf dem sie ihre mittlerweile im Verlauf von 30 Jahren angesammelten Kenntnisse über die heilenden Kräfte der Natur an Gleichgesinnte weitergibt. „Mein Hauptanliegen ist es, Volksheilkunde zu vermitteln, damit man sich mit natürlichen Dingen selbst helfen kann“, erklärte die Kräuterhof-Leiterin. Im Rahmen der Schulungen für die angehenden oder ebenso als Weiterbildung für bereits fertig ausgebildete Phytotherapeuten stehen auch Exkursionen auf dem Programm.

Königskerze ist in den Kräuterbuschen ein besonderer Blickfang

Diesmal also ging es unter anderem ins Loisachtal und nach Benediktbeuern, wo Sepp Haslinger die Gruppe zum Kloster und der vom vorjährigen Hagelunwetter massiv ramponierten Klostergärtnerei lotste. Im dortigen Umfeld gab es ein paar stattliche Exemplare der Königskerze zu begutachten. Mit ihrem langgestreckten, hochaufragenden Wuchs und dem ährenartigen Blütenstand unterscheidet sie sich doch deutlich von anderen Pflanzen – in den Kräuterbuschen, die zum Festtag Mariä Himmelfahrt in den Gottesdiensten geweiht werden, ist sie immer ein besonderer Blickfang.

Alten Aufzeichnungen zufolge sei die Wetterkerze, von der es eine klein- und eine großblütige Spezies gibt, schon vor mehr als tausend Jahren in der Heilkunde verwendet worden, erklärte Haslinger der Besuchergruppe. Die geernteten Blüten würden in Form von Tee etwa gegen Reizhusten und Erkältungskrankheiten angewendet, Teile von jungen Wurzeln oder Blättern kurz mitzukochen, mache Suppen und Fleischspeisen schmackhaft.

Wie lässt an der Pflanze der Verlauf des Winters ablesen

Die wesentliche Frage der Gäste lautete aber: Wie lässt sich nun an dieser Pflanze der witterungsmäßige Verlauf des folgenden Winters ablesen? Generell müsse man dazu mehrere Exemplare anschauen, der richtige Zeitpunkt sei etwa Mitte August, unterstrich Haslinger. Überdies wählt der 83-Jährige gezielt Wetterkerzen aus, die in freier Natur und nicht in einem Garten gewachsen sind. „Und sie müssen ausgewachsen sein, aber noch ‚leben‘.“ Es sei noch Leben in der Pflanze, wenn die oberste Spitze noch grün und mit Blüten besetzt sei, auch wenn die übrige Ähre bereits dürr aussehe.

Die aktuell noch vorhandenen Blüten zeigen Schnee an – wann dieser Schnee kommt, ermittelt Haslinger, indem er die Ähre optisch in fünf oder sechs aneinandergereihte gleiche Abschnitte einteilt, die die Wintermonate markieren. Man könne den Schneefall natürlich nicht auf den Tag oder die Woche exakt fixieren, schließlich spielten auch noch andere Faktoren wie etwa die jeweils vorherrschende Temperatur eine Rolle.

Wetterkerze hat nun ein paar aufmerksame Beobachter mehr

Ob denn derzeit alle Wetterkerzen die selben Blütenstände aufweisen, hakten die Teilnehmer nach, die wissbegierig und auch kritisch den Ausführungen folgten. Nein, das nicht, meinte der Meister. Zudem könne es gut sein, dass bei manchen die Spitze in den nächsten Wochen noch einmal ein Stück „anschiebe“. Was dann? „Dann muss ich noch einmal neu denken“, so Haslinger in seiner selbstbewussten Art.

Das „Wie neu denken“ blieb aber eher vage. Dennoch – die Königskerze, im Lateinischen Verbascum, aus der Familie der Braunwurzgewächse, hat von nun an ein paar aufmerksame Beobachter mehr. „Wir wollen dranbleiben und eigene Erfahrungen sammeln“, war sich die Gruppe zum Abschluss der Stippvisite in Benediktbeuern einig. (Rosi Bauer)

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