Kempten: Arbeitskreis „Alternative Wohnformen“ verfolgt ambitioniertes Ziel

  1. Startseite
  2. Bayern
  3. Augsburg & Schwaben
  4. Kreisbote Kempten

Kommentare

Roland Graef und Elfriede Mischke sind zwei der Gründungsmitglieder des Arbeitskreises „Alternative Wohnformen“. © Sabine Stodal

Ein Arbeitskreis in Kempten entwickelt alternative Wohnformen für ein selbstbestimmtes Leben im Alter – in Gemeinschaft und jenseits von Pflegeheimen.

Kempten – Wie kann man im Alter selbstbestimmt und in Gemeinschaft leben, jenseits von Pflegeheim oder klassischem betreuten Wohnen? Mit dieser Frage beschäftigt sich seit fast einem Jahr der Arbeitskreis „Alternative Wohnformen“ in Kempten. Die Initiative wurde von acht engagierten Bürgerinnen und Bürgern, alle um die 70 Jahre, ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, eine Wohnform zu schaffen, die Eigenständigkeit, soziale Einbindung, gegenseitige Unterstützung und ein Leben in Würde auch bei knapper Rente oder gesundheitlichen Einschränkungen ermöglicht.

Experte: Umsetzung dauert etwa sieben Jahre

Schon früh holte sich die Gruppe fachlichen Rat. Der damalige Hochschulprofessor Dr. Johannes Zacher machte allerdings deutlich: Für ein solches Wohnprojekt brauche es eine stabile Gruppe von rund 40 Personen und Zeit – im Schnitt dauere die Umsetzung sieben Jahre. „Da waren wir erstmal ernüchtert“, berichtet Elfriede Mischke, Mit-Initiatorin des Arbeitskreises. Aufgeben kam dennoch nicht in Frage und mittlerweile ist der Arbeitskreis einige Schritte seines Weges gegangen.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Wetzel, Gerontologe an der Hochschule Kempten, beteiligten sich Studierende im Frühjahr 2025 mit fünf Projekten an der Weiterentwicklung der Idee. Sie entwickelten Vorschläge für rechtliche Strukturen, eine künftige Website, analysierten bestehende Wohnprojekte im Allgäu (wie etwa das Vinzenz Areal in Wangen, die Stiftung Liebenau, das Mietshäuser Syndikat, die Wahlfamilie Sonthofen) und führten Umfragen unter den Anwesenden durch. Letztere machten deutlich: Die Vorstellungen vom Wohnen im Alter sind unterschiedlich. Während manche eine gemeinschaftsorientierte Wohnform mit gemeinsamen Aktivitäten und gegenseitiger Unterstützung bevorzugen, wünschen sich andere ein stärker auf hochaltrigkeitsorientiertes Wohnen, also ein auf Pflege und Barrierefreiheit ausgerichtetes Modell – beide Wohnformen mit dem Ziel, möglichst lange selbstbestimmt zu leben.

Alternative Wohnformen: Sehr großes Interesse

Dass die Suche nach Alternativen Wohnformen im Alter bei immer mehr Menschen einen Nerv trifft, zeigte sich bei fünf Infoveranstaltungen: sie waren mit jeweils 40 bis 60 Interessierten gut besucht. Ein Blick auf die demografische Entwicklung unterstreicht die Dringlichkeit. Wie Prof. Wetzel in der jüngsten Sitzung des Seniorenpolitischen Beirates ausführte, leben derzeit rund 3.700 Pflegebedürftige in Kempten, in zwanzig Jahren werden es etwa 4.400 sein. Gleichzeitig fehlt es an Pflegefachkräften und auch die Zahl pflegefähiger Angehöriger geht zurück. Wohnprojekte, die auf gegenseitige Hilfe und soziale Nähe setzen, könnten eine Möglichkeit zum Umgang mit der Problematik sein. Sie könnten die Pflegeinfrastruktur entlasten und zugleich einen Beitrag zur effizienteren Nutzung bestehenden Wohnraums leisten, so der Experte.

Aktuell erarbeitet der Arbeitskreis, dem mittlerweile 15 aktiv mitarbeitende Personen angehören, ein konkretes Konzept. „Beim letzten Treffen wurde ein erster Entwurf diskutiert und ergänzt“, berichtet Elfriede Mischke. Sie nennt einige Details: „Wir stellen uns Hausgemeinschaften vor mit ca. 10 abgeschlossenen, barrierefreien Wohnungen mit Balkon oder Terrasse sowie Gemeinschaftsräumen für Begegnung und Aktivitäten. Die Häuser sollen möglichst im Stadtgebiet Kemptens oder im Umkreis von zehn Kilometern liegen, mit guter ÖPNV-Anbindung und Infrastruktur.

Ohne Unterstützung geht es nicht

Unsere Zielgruppe sind Menschen ab 50 Jahren; je nach Objekt könnten auch Familien oder Alleinerziehende mit einbezogen werden.“ Zur Umsetzung der weiteren Schritte wurden erste Arbeitsgruppen gegründet: für Öffentlichkeitsarbeit, für die Vereinsgründung – ein notwendiger Schritt, um eine rechtliche Struktur zu schaffen – und für die Suche nach geeigneten Objekten. Der Arbeitskreis weiß: Ohne Unterstützung geht es nicht. Darum baten Elfriede Mischke und ihre Mitstreitenden die Mitglieder des Seniorenpolitischen Beirats bereits um Hilfe, z. B. durch Kontakte zu Bauträgern, Hinweise auf infrage kommende städtische Liegenschaften, Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit sowie rechtliche und finanzielle Beratung. Menschen, die sich für diese Idee begeistern und sich einbringen möchten, werden dringend gesucht. Wer Interesse an einer Mitarbeit, fachliche Expertise oder Kontakte zu Immobilien hat, kann sich mit Elfriede Mischke in Verbindung setzen (E-Mail: elfriede.mischke@freenet.de).

Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.

Mit dem Kreisbote-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Kreisbote“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.

Auch interessant

Kommentare