„Wie im Zirkus“: Polizei will Raser ausbremsen – Tempo 50 am Sylvenstein eingeführt
Die kurvenreichen Straßen am Sylvenstein sind in diesem Jahr ein Unfallschwerpunkt. Besonders viele Motorradfahrer sind heuer rund um den Stausee verunglückt. Polizei und Tölzer Landratsamt reagieren mit einem Tempolimit. Doch selbst die Biker sind skeptisch, ob das ausreicht.
Lenggries – Auf dem Asphalt am Sylvensteindamm sind deutliche Reifenspuren zu erkennen. Die schwarzen Streifen lassen erahnen, was in den vergangenen Tagen und Nächten los gewesen sein muss. Sie entstehen durch „Donuts“, bei denen Motorradfahrer ihre Reifen mit viel Getöse zum Qualmen bringen und sich dabei im Kreis drehen. Im Internet gibt es zahlreiche Anleitungen dazu. „Das ist wie im Zirkus“, sagt Roman Gold, Leiter der Kontrollgruppe (KG) Motorrad bei der Polizei. Der Sylvenstein ist zu einem Schwerpunkt für Motorradraser und -Poser geworden. Dabei kommt es regelmäßig zu schweren Unfällen.
Unfallschwerpunkt Sylvenstein: Polizei und Landratsamt reagieren
Polizei und Landratsamt wollen die Raser nun ausbremsen. „Im März haben wir mit den Planungen für ein Tempolimit angefangen“, sagt Karsten Ludwig von der Straßenverkehrsbehörde im Landratsamt. Seit dem 21. August stehen die Schilder. Auf dem Abschnitt der B13 vom Abzweig zum Wasserkraftwerk bis zum Staudamm gilt fortan Tempo 50, ebenso auf der B307 über die Faller-Klamm-Brücke bis nach Fall und auf einem Teil der B307 vom Staudamm Richtung Achenkirch. „Das Tempolimit gilt unbefristet“, betont Ludwig.

Eigentlich wollten die Beamten sogar Tempo 30 auf dem Sylvensteindamm einführen. „Auf dem Damm fahren verschiedene Fahrzeugtypen“, sagt Lars Werner von der Tölzer Polizei. Nicht nur Motorräder, sondern auch Autos, Wohnmobile und Fahrradfahrer hielten sich dort auf. Dazu kommen viele Fußgänger, die über die Straße gehen, etwa um Fotos von der Landschaft zu schießen. „Das ist wie auf einer Fußgängerzone. Und vorher gab es dort keine Beschränkung“, erklärt Gold. Tempo 30 war mit den übergeordneten Behörden aber nicht zu machen.
„Keine Seltenheit“: Raser auf Motorrädern werden mit bis zu 200 km/h geblitzt
Von einem „Kesselberg 2.0“ will der Leiter der KG Motorrad noch nicht sprechen. „Das Sudelfeld ist aktuell der Motorrad-Hotspot überhaupt“, sagt er. Am Sylvenstein habe „das Unfallgeschehen subjektiv sicherlich zugenommen“, ergänzt Lars Werner. Einmal sei hier ein Biker mit 194 km/h in einem 100er-Bereich geblitzt worden. „So etwas ist keine Seltenheit.“ Auf dem Streckenabschnitt nach Fall gebe es aber noch keine Häufung.
Die Nähe zur Grenze und dem Großraum München ist laut Polizei einer der Gründe für die Geschwindigkeitsüberschreitungen. „Wir haben hier viele österreichische Kradfahrer – aus einem einfachen Grund: Bei uns kostet das Rasen viel weniger.“ Ein neues Phänomen sind laut Gold außerdem viele sehr junge Motorradfahrer, die auf dem Abschnitt vom Sylvensteindamm nach Fall mit 125er-Maschinen hin und her fahren. „Das sind teils 16-Jährige, die die Strecke als ,Kurventraining‘ benutzen“, sagt Gold. Auch dabei kann es zu schweren Unfällen kommen, wie zuletzt am Sonntagabend.
Sylvenstein auf für Poser ein beliebter Treffpunkt
Das Landratsamt hat die Beschwerden von Anwohnern und Radfahrern über den Lärm und die Raser registriert. „Im Straßenbau haben wir die Maßnahmen eigentlich ausgereizt“, sagt Ludwig. Planungen, den Radverkehr von der Straße zu bekommen, seien bislang am Grunderwerb, den hohen Kosten und dem Naturschutz gescheitert. „In baulicher Art ist am Sylvenstein nicht mehr viel rauszuholen.“ Der Stausee sei nicht nur für die Motorrad-, sondern auch für die Autoposer-Szene ein beliebter Treffpunkt.
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„Die Erfahrung zeigt: Ein Schild allein reicht nicht, man muss es mit Kontrollen versehen“, fügt Werner hinzu. „Der Erwartungsdruck an die Behörden und Entscheidungsträger ist hoch. Die Kontrollen laufen auf Hochtouren“, versichert er. Auch der Zweckverband Kommunale Dienste Oberland könne nun an zwei Stellen blitzen. „Aber wir haben in der Region verschiedene Hotspots.“

Bei einer Kontrolle der Beamten auf der B 13 halten sich die meisten Fahrer brav an das neue Tempolimit. Lediglich ein Biker wird überführt. Sein Reifen hatte nur noch 0,8 Millimeter Profil. Gesetzlich vorgeschrieben sind 1,6 Millimeter.
Biker fordert Tempo 30 und Standblitzer
Motorradfahrer Christoph Wiesheu lehnt an der Mauer des Sylvensteindamms. Er kommt aus dem Raum München und pendelt regelmäßig über den Sylvenstein nach Tirol. Immer wieder heulen Motoren laut auf. Das Treiben der Poser verfolgt er mit einem Kopfschütteln. Wiesheu ärgert sich darüber, dass eine kleine Gruppe von schwarzen Schafen die ganze Motorrad-Szene in Verruf bringt. „Die Raser bremsen unten, wo die Polizei kontrollieren kann, und spätestens oben geben sie wieder Vollgas“, vermutet er. „Die Tiroler machen es viel besser, die sperren einfach ab.“

Die Raser bremsen unten, wo die Polizei kontrollieren kann, und spätestens oben geben sie wieder Vollgas.
Für den Sylvensteindamm bringt Wiesheu Tempo 30, einen Standblitzer und eine Kameraüberwachung ins Spiel. „Es wird bestimmt trotzdem weiter Unfälle geben“, befürchten zwei weitere Biker, die aus der Oberpfalz mit ihren 125er-Maschinen gekommen sind.
Polizei setzt sich für härtere Strafen ein
„Ein Fahrverbot für Motorradfahrer funktioniert am Sylvenstein rechtlich nicht“, sagt Karsten Ludwig vom Landratsamt. Dafür seien die Straßen für den grenzübergreifenden Verkehr zu relevant. „Wir wollen das Motorradfahren nicht per se verbieten, nur weil ein bis zwei Prozent die Straße als Rennstrecke missbrauchen“, erklärt Lars Werner von der Tölzer Inspektion. Die Polizei setze sich schon länger für härtere Strafen und die Halterhaftung ein, sagt er. Stationäre Blitzer, wie es sie in Baden-Württemberg und Österreich häufig gibt, seien in Bayern politisch nicht gewollt.
„Man kann nicht lückenlos kontrollieren“, sagt Karsten Ludwig vom Landratsamt. Mit dem neuen Tempolimit auf der B13 und B307 hofft die Polizei trotzdem, dem Problem mit den Motorradrasern am Sylvenstein Einhalt gebieten zu können. (vfi)