FOCUS online: Herr Masala, Putin hat seine Maximalforderung erneut unterstrichen. Er sagte: "Wenn die ukrainischen Truppen die von ihnen gehaltenen Gebiete verlassen, werden wir die Kampfeinsätze beenden" und weiter: "Wenn sie dies nicht tun, werden wir dies mit militärischen Mitteln erreichen." Welche Gebiete meint Putin genau, die gesamte Ukraine?
Carlo Masala: Putin meint nicht die gesamte Ukraine, sondern vermutlich nur den Osten. Wobei nicht klar ist, ob er seine Forderung auf die Oblaste Donezk und Luhansk beschränkt, oder ob er auch Saporischschja und Cherson mitmeint, also ob es ihm um alle vier Oblaste geht.
Nach erhofftem Frieden klingt das aber nicht, oder? Das lässt eher auf die Gesinnung Putins schließen.
Masala: Unabhängig davon, wie der 28-Punkte-Plan zustande gekommen ist, sage ich: Die Tatsache, dass Vertreter der USA die Ukraine zur Kapitulation aufgefordert haben, ermöglicht es Wladimir Putin, noch entschlossener und härter aufzutreten.
Sie sehen den 28-Punkte-Plan und die anderen Pläne als Aufforderung zur Kapitulation?
Masala: Verhandler Witkoff und Vizepräsident J.D. Vance wollen, dass die Ukraine kapituliert. Putin hat die USA jetzt genau da, wo er sie immer haben wollte. In dem Plan ist alles enthalten, was Russland immer haben wollte: die 20 Prozent des Donbass, die die Ukrainer noch verteidigen, einen Dialog mit der Nato sowie eine Reintegration in die Weltwirtschaft. Die Ukraine erhält für ihre Zugeständnisse nichts. Das ist ein umgekehrter Versailler Vertrag. Das Opfer wird bestraft, der Aggressor wird für seine Taten auch noch belohnt.
Trotzdem fragen sich viele: Wann und wie endet dann dieser Krieg in der Ukraine?
Masala: Der Krieg könnte morgen enden, wenn Russland den Vorschlag der Europäer annimmt. Das heißt, dass es erst einen Waffenstillstand gibt und danach verhandelt wird. Das aber will Russland im Moment nicht. Putin will Krieg führen und dabei über den Frieden verhandeln. Ein zweites realistisches Szenario ist, dass der Krieg noch zwei bis drei Jahre dauert. Denn Russland erzielt taktische Gewinne, aber keine strategischen. Die Ukraine steht mit dem Rücken zur Wand, wird aber nicht kollabieren. Ein drittes Szenario wäre, dass Russlands Wirtschaft irgendwann so Schaden genommen hat, dass der Krieg nicht mehr finanzierbar ist. Das wird mit Putin aber nicht zu machen sein. Er will den Sieg. Wenn er ihn militärisch nicht bekommt, will er den politischen. Dann werden sich einige russische Eliten fragen: War es das wirklich wert?