Die Mär von der höheren Rente: Eine Million Rentner könnten enttäuscht werden
Viele Selbständige sorgen bei Versorgungswerken für ihr Alter vor. Doch diese stehen vor der Herausforderung, die Beiträge ihrer Mitglieder gewinnbringend anzulegen – was nicht immer gelingt.
Berlin – Berufsständische Versorgungswerke ersetzen in vielen freien Berufen praktisch die gesetzliche Rente, zum Beispiel bei Ärzten, Apothekern, Rechtsanwälten, Architekten, Notaren oder Steuerberatern. Die Mitgliedschaft in einem der Versorgungswerke ist für die Angehörigen dieser Berufe Pflicht, ein Austritt ist nicht möglich.
Enttäuschung bei den Renten der Versorgungswerke: Finanziert nur aus Mitgliedsbeiträgen
Die Versorgungswerke finanzieren ihre Leistungen ohne staatliche Zuschüsse ausschließlich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder. Wie bei der gesetzlichen Rente werden die Einnahmen direkt für die Rentenzahlungen an die Mitglieder verwendet. Der größere Teil wird jedoch angelegt. Diese verzinste Geldanlage wird dann später für die Rentenzahlungen verwendet.
Und das kann zum Problem werden. Denn für die Versorgungswerke ist es wichtig, den Kapitalstock möglichst gewinnbringend anzulegen, um die späteren Renten der Mitglieder zu sichern. Doch in der Niedrigzinsphase lässt sich mit den traditionell favorisierten Anleihen kaum noch Geld verdienen. Viele haben deshalb in den vergangenen Jahren ihre Portfolios umgeschichtet.
Enttäuschung bei den Renten der Versorgungswerke: Nur geringe Erhöhung der Altersbezüge
Die Mitgliedsbeiträge wurden nun auch in Aktien oder Immobilien investiert. Dabei kam es auch zu Fehlspekulationen, wie beim Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin. Ein weiteres Beispiel ist die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein, die in riskante Geschäfte investierte und Verluste erlitt. Da es bei den Versorgungswerken keine Garantien gibt, sind Kürzungen der Leistungszusagen möglich, wie es unter anderem bei der Zahnärzteversorgung Berlin geschehen ist.

Das Niedrigzinsumfeld hat aber auch dazu geführt, dass viele Versorgungswerke ihre Anwartschaften, also die in Aussicht gestellten späteren Renten, deutlich weniger stark erhöhen konnten als in der Vergangenheit. Wie die WirtschaftsWoche berichtet, hat das Versorgungswerk der Ärzte in Baden-Württemberg auf Basis der 2021 vorliegenden Daten die Anwartschaften und Renten in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt nur um 0,7 Prozent pro Jahr erhöht. Bei der gesetzlichen Rente seien die Rentenwerte dagegen um 2,5 Prozent pro Jahr gestiegen.
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Die Welt berichtet von einem Mitglied des Versorgungswerks der Architekten in Nordrhein-Westfalen, dessen Rente innerhalb von 15 Jahren um knapp acht Prozent gestiegen sei, also sogar nur um 0,5 Prozent pro Jahr. Bei einer ehemaligen Tierärztin aus Niedersachsen, die seit Herbst 2015 Leistungen aus ihrem Versorgungswerk bezieht, betrug die Steigerung in diesem Zeitraum insgesamt zwei Prozent von monatlich 1443 auf 1483 Euro. Allerdings bezieht die Tierärztin aus einer früheren Berufstätigkeit zusätzlich Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Enttäuschung bei den Renten der Versorgungswerke: Durchschnittliche Auszahlung ist höher
Allerdings sind die Renten der Mitglieder von Versorgungswerken höher als die der gesetzlichen Rente. „Da viele deutlich überdurchschnittlich verdient haben, bewegen sich ihre Altersbezüge dennoch auf einem hohen Niveau“, sagt Andreas Irion, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der Rentenberater, der Welt.
Zahlen der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) und des Rentenatlas 2023 der Deutschen Rentenversicherung (DRV) bestätigen dies. Laut ABV betrug die durchschnittliche Rente eines Versicherten in einem berufsständischen Versorgungswerk im Jahr 2022 2205 Euro im Monat. Die gesetzliche Rente nach mindestens 35 Versicherungsjahren lag laut Rentenatlas bei durchschnittlich 1550 Euro brutto monatlich.
Nach Angaben der ABV gab es 2022 insgesamt 91 Versorgungswerke mit über einer Million Mitgliedern (Stand 2021). Davon beziehen mehr als 200.000 eine Rente.