Warum Hexen Rathäuser stürmen
Am Weiberfasching schlüpfen Frauen in die Rolle von Hexen, um kostümiert durch die Straßen und Geschäfte zu ziehen und ausgelassen zu feiern. Auch den Männern geht es an diesem Tag an den Kragen – oder die Krawatte. Doch was hat es mit dieser Tradition auf sich?
Landkreis – Wenn die Indersdorfer Hexen mit ihren verfilzten Hüten und Umhängen durch die Straßen ziehen und maskierte Frauen auf Besen das Rathaus stürmen, dann ist schnell klar: Es ist Weiberfasching. Traditionell ziehen die Indersdorfer Hexen am Unsinnigen Donnerstag mit Scheren, Besen und Trillerpfeifen bewaffnet von Geschäft zu Geschäft und treiben überall in der Gemeinde ihren Schabernack. Aber warum eigentlich?
„Der Brauch stammt ursprünglich aus dem Rheinland und ist erst vor wenigen Jahrzehnten durch Zuwanderer in unsere Region gekommen“, erklärt Norbert Göttler, langjähriger Kreis- und Bezirksheimatpfleger des Landkreises Dachau. Obwohl es den Unsinnigen Donnerstag schon seit fast 200 Jahren gibt, hatte er ursprünglich in unserer Region eine andere Form. Damals ging es vor allem darum, die Tage vor der Fastenzeit mit ausgiebigem Essen und Trinken zu genießen. „Die Tradition, sich als Hexen zu verkleiden, Rathäuser zu stürmen und Bürgermeistern die Krawatten abzuschneiden, ist daher relativ neu und geht auf die frühen 70er und 80er Jahre zurück“, so Göttler.
Eine der ältesten und größten Hexengilden in Oberbayern ist die Indersdorfer Hexengilde. Seit 1980 ziehen die Frauen am Donnerstag vor Aschermittwoch als Hexen verkleidet durch die Straßen, um ausgelassen zu feiern – und dem Bürgermeister einen Besuch abzustatten. Dabei wird Franz Obesser Jahr für Jahr auf humorvolle, aber direkte Weise gezeigt, was die Hexen an seiner Arbeit auszusetzen haben. „Wir Hexen sind dabei natürlich auch das Sprachrohr der Bürger“, erzählt Sonja Moser, die bereits seit 44 Jahren der Indersdorfer Hexengilde angehört.
Norbert Göttler: „Die Tradition, sich als Hexen zu verkleiden und Rathäuser zu stürmen, ist relativ neu“
Doch neben Verkleidungen und Schminke, abgeschnittenen Krawatten und spöttischen Bemerkungen ist es bei den Hexen immer üblicher geworden, bei ihren Besuchen auch politische Botschaften zu verkünden. So zum Beispiel 2020 in Hebertshausen, als die Hebertshauser Hexen Klaus Rabl als Bürgermeisterkandidaten vorstellten.
Diese Art des Weiberfaschings, so Göttler, sei vor allem im Zuge der Industrialisierung in Oberbayern entstanden. Zwar habe es schon vorher einige Tage im Jahr gegeben, an denen alles erlaubt war und die üblichen Herrschaftsverhältnisse auf den Kopf gestellt wurden. „Aber mit dem Zuzug verschiedener Bevölkerungsgruppen wurde es immer moderner, auch politische Kritik an den Bürgermeistern zu üben und diese auf den Arm zu nehmen“, erzählt Göttler.
So musste sich Vierkirchens Bürgermeister Harald Dirlenbach vor einigen Jahren beispielsweise in ein Frauenkleid zwängen. „Aber das gehört dazu, das muss man sich dann einfach gefallen lassen“, erzählt er. Denn bei dieser Gelegenheit bekomme er von den Vierkirchner Gmoa-Hex´n einen Spiegel vorgehalten, was in seiner Gemeinde alles schief läuft. Trotzdem pflegen sie ein „sehr gutes Verhältnis“, und er freut sich jedes Jahr auf ihren Besuch.
Marcel Fath freut sich heuer auf die Petershauser Hexen
Anders sieht es mit den Petershausener Hexen und Bürgermeister Marcel Fath aus. Vor einigen Jahren sei ein Besuch der Hexen eskaliert und seitdem war das Verhältnis zwischen den beiden Seiten ziemlich angespannt. „Aber dieses Jahr bekomme ich zum ersten Mal wieder Besuch von den Hexen. Wir haben uns ausgesprochen, und ich bin fest davon überzeugt, dass ihr Besuch ein Erfolg wird“, sagt er.
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Morgen werden auch die Indersdorfer Hexen wieder durch die Straßen ziehen und ihr Unwesen treiben. Auch wenn sie mit ihrem Rathaussturm keine großen politischen Projekte vorantreiben können, so sind sie doch stolz auf ihre Arbeit und haben immer viel Spaß dabei. Und ihr Einsatz ist nicht umsonst. „Vor ein paar Jahren hatten wir nicht einmal einen Fahrradständer am Rathaus. Das haben wir dann angesprochen“, erzählt Sonja Moser. Wenige Wochen später hat sich das dann geändert.