Die neue Mittelmeer-Anomalie – und wieder lauert gefährliche Regen-Gefahr

Das Mittelmeer gleicht derzeit einer Badewanne. Während die Menschen in Europa in den vergangenen zwei Wochen unter hohen Temperaturen, schwüler Luft und zwischendurch schweren Gewittern ächzen mussten, ist die Situation für Meeresbewohner noch drastischer: Vor der Küste der italienischen Hafenstadt Genua wurden 27 Grad gemessen, entlang der französischen und spanischen Mittelmeerküste waren es 26 Grad. Damit liegt die Wassertemperatur vier bis fünf Grad über dem Durchschnitt. Das Mittelmeer erleidet eine Hitze-Anomalie.

Ein "Hitzedom" hat sich über Europa gelegt: Das Hochdruckgebiet hält die Hitze an Ort und Stelle fest. Abkühlung ist nicht in Sicht.
Ein "Hitzedom" hat sich über Europa gelegt: Das Hochdruckgebiet hält die Hitze an Ort und Stelle fest. Abkühlung ist nicht in Sicht. European Union, Copernicus Sentinel-3 imagery

Hitzewelle im Mittelmeer: Das passiert gerade

Schon am Dienstag sorgte eine Mitteilung von Copernicus, dem Erdbeobachtungsprogramm der EU, für Aufsehen. In Europa ist es viel zu warm - und zwar nicht nur am Festland, wie jeder spüren konnte, sondern ganz besonders im Meer. Besonders stark betroffen:

Bereits am Dienstag sorgte eine Mitteilung des EU-Klimawandeldienstes Copernicus für Bestürzung: Es ist viel zu warm in Europa – und zwar nicht nur an Land, was jeder spüren konnte, sondern ganz besonders im Meer. Besonders stark betroffen ist:

  • das westliche Mittelmeer
  • die Balearische See
  • das Tyrrhenische Meer

Samantha Burgess, Vizedirektorin von Copernicus, verglich die Temperaturen mit dem Hochsommer – nur, dass diese fast zwei Monate zu früh auftreten. „Diese Temperaturen sind eher typisch für die Monate Juli und August und treten in der Regel nur wenige Male pro Sommer auf. Wir haben das bereits 2024 gesehen, dem wärmsten aufgezeichneten Jahr”, so Burgess.

Die Visualisierung zeigt, dass fast das ganze Mittelmeer um fünf Grad wärmer als normal ist.
Die Visualisierung zeigt, dass fast das ganze Mittelmeer um fünf Grad wärmer als normal ist. The Weather Channel

Korallensterben, Fische, Vögel: So wirkt sich die Hitzewelle aus

Copernicus hat mittlerweile festgestellt, dass der vergangene Monat zu den fünftwärmsten Junimonaten überhaupt gehört. „Der Klimawandel führt dazu, dass Hitzewellen häufiger und intensiver auftreten und sich auf größere geografische Gebiete auswirken”, bestätigt Burgess.

Genau solche Hitzewellen treffen das Mittelmeer besonders hart. Hitze wird vom Wasser langsamer aufgenommen als von Landmassen, sodass sie auch entsprechend langsamer wieder abgegeben wird. Erhitzt sich das Meer während einer Hitzewelle, dauert es entsprechend länger, bis diese Wärme wieder verpufft ist. Meereslebewesen sind zwar perfekt an ihre Umgebung angepasst, lang anhaltende Veränderungen der Wassertemperatur vertragen sie jedoch nicht. Die Folgen:

  • Fische: Warmes, oberflächennahes Wasser ist sauerstoffärmer und wird für Fische zur Todesfalle, da sie ersticken.
  • Vögel: Fische, die sich in tiefere und kühlere Gewässer flüchten, können nicht von Vögeln gefangen werden, die dann wiederum verhungern.
  • Muscheln: Auch wirbellose Tiere sterben aufgrund der Hitze, beispielsweise durch die Ausbreitung von Krankheiten.
  • Korallen: Bei zu hoher Wassertemperatur stoßen Korallen die in ihnen lebenden Algen ab, weil diese Giftstoffe produzieren. Hält dieser Vorgang an, sterben auch die Korallen.

Die nächste Hitze-Gefahr: Starkregen

Auch für Menschen kommt durch das aufgeheizte Mittelmeer noch eine reale Gefahr hinzu: Starkregen. Die Hitze im Mittelmeer vergeht nicht einfach im luftleeren Raum, die Energie – in Form von Wärme – muss irgendwo hin.

Und genau hier stoßen wir auf ein Problem. „Ist das Meer sehr warm, dann kann sehr viel mehr Wasser verdunsten und als Wasserdampf in die Luft übergehen”, erklärt Jan Schenk, Meteorologe bei „The Weather Channel”. „Das allein macht noch kein Unwetter, zumindest solange der Hochdruck nicht gestört wird.”

Autos sind durch Überschwemmungen in Valencia eingeschlossen.
Autos sind durch Überschwemmungen in Valencia eingeschlossen. dpa

Auf den „Hitzedom” folgt der Wasserballon

Stand Jetzt ist das Hochdruckgebiet über dem Mittelmeer stabil und schließt die Hitze unter sich ein, wie in einer Kuppel – der sogenannte „Heat Dome”. Daher auch diese langanhaltende, drückende Hitze, unter der die Europäer so sehr leiden. Doch: „Kommt es nun doch zu einer Störung, zum Beispiel durch ein Tiefdruckgebiet, dann werden sofort extrem starke Gewitter ausgelöst”, warnt Schenk. „Je mehr Wasserdampf in der Luft ist, desto stärker werden die Gewitter und desto stärker wird auch der Regen.”

Die Folge: Extremer Starkregen. Wie genau das aussehen kann, ließ sich im vergangenen Jahr im spanischen Valencia beobachten. Sturzfluten ergossen sich aus den küstennahen Bergen auf die Stadt und überfluteten sie. Autos wurden mitgerissen, ebenso wie Häuserdächer oder ganze Gebäude. Mehr als 200 Menschen kamen ums Leben. 

Ein Ereignis, das in Hitzephasen jederzeit passieren kann, warnt Schenk: „Es kann auch an der Adria, auf Mallorca, Korsika oder in Nizza passieren." Das warme Wasser blähe die Atmosphäre mit Wasser auf, wie einen Luftballon, erklärt der Experte. „Kommt es dann zu Gewitter, platzt er. Nur dass extrem viel Wasser im Spiel ist.” Genau dieses Wasser würde dann in Sturzbächen durch die Gassen von Nizza, die schmalen Täler Korsikas oder auf den Straßen Mallorcas hinabrauschen. 

Es kann allerdings auch zu weniger verheerenden Folgen kommen: Wasserhosen, Sturmwind oder Hagel etwa sind auch möglich. Kommt in der nächsten Woche also die Abkühlung über Europa, bleibt zu hoffen, dass dabei kein Tiefdruckgebiet über das Mittelmeer zieht.