„Maschinen, die sprechen“ – Putins Ausbeutung nordkoreanischer Arbeiter im Ukraine-Krieg

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Zehntausende schuften wie Sklaven in Russland. Es ist ein weiteres dunkles Kapitel der Allianz zwischen Kim Jong-un und Wladimir Putin.

Wladiwostok/Pjöngjang – Immer enger verschränkt sich die Allianz zwischen Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und Russlands Präsident Wladimir Putin – und sie zeigt ihr grausamstes Gesicht nicht an der Front im Ukraine-Krieg, sondern auf den Baustellen und in den Fabriken Russlands. Nach aktuellen Recherchen schuften Zehntausende Nordkoreaner in Russland unter Bedingungen, die Überlebende selbst als „wirklich miserabel“ und „sklavenähnlich“ bezeichnen.

So verheizt Putin Nordkoreas Arbeiter im Ukraine-Krieg

Laut südkoreanischen Geheimdiensten, wie die BBC in einer großangelegten Reportage ermittelte, hat Moskau allein 2024 über 10.000 nordkoreanische Arbeiter ins Land geholt – und will diese Zahl bis Ende 2025 auf über 50.000 steigern.

Nordkoreas Arbeiter werden in Russland offenbar vor allem auf Großbaustellen, in Textilfabriken, IT-Zentren sowie bei militärischen Bau- und Minenräumprojekten eingesetzt – oft unter extremen und gefährlichen Bedingungen.

Das geschieht trotz eines UN-Beschlusses von 2019, der die Beschäftigung nordkoreanischer Arbeitskräfte verbietet, um Kim Jong-un die Finanzierung seines Atomprogramms zu erschweren. Die Arbeiter werden dabei nicht nur in russischen Großstädten eingesetzt, sondern nach Einschätzung von Experten auch in von Russland besetzten ukrainischen Gebieten wie der Region Kursk.

Nordkoreanische Zwangsarbeiter in Russland: 18-Stunden-Tage, zwei freie Tage im Jahr

Sechs ehemalige Arbeiter, die aus Russland fliehen konnten, berichten übereinstimmend von täglichen Schichten von 6 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts – mit gerade einmal zwei freien Tagen im ganzen Jahr. „Aufzuwachen war furchterregend, weil man wusste, dass sich derselbe Tag wiederholen würde“, schilderte einer von ihnen der BBC. Ein anderer erklärte: „Manche schliefen im Stehen ein, doch die Aufseher fanden sie und prügelten sie. Es war wirklich so, als würden wir sterben.“

Gearbeitet wurde, so die Geflüchteten, oft nachts im Dunkeln, weil die Baustellenbeleuchtung ausgeschaltet wird – Sicherheitsausrüstung ist Mangelware. Die Unterbringung erfolgte gemäß des Berichts in überfüllten, verdreckten Containern voller Ungeziefer oder auf dem nackten Boden unfertiger Hochhäuser, notdürftig mit Planen vor Kälte geschützt. Selbst schwere Verletzungen führten offenbar nicht zur medizinischen Versorgung: Ein Arbeiter berichtete den britischen Reportern, nach einem Sturz aus vier Metern Höhe und schweren Gesichtsverletzungen trotzdem am Arbeitsplatz festgehalten worden zu sein.

Links schuften nordkoreanische Arbeiter unter teils „sklavenähnlichen“ Bedingungen. Rechts stoßen Wladimir Putin und Kim Jong Un bei einem Empfang in Pjöngjang an – Symbol einer Allianz, die Menschenleben und Menschenrechte dem Krieg opfert. © Foto links: X (Screenshot)/@TVPWorld_com | Foto rechts: IMAGO / SNA

Systematische Kontrolle und Hungerlohn: Putin beutet Nordkoreaner im Ukraine-Krieg aus

Von den versprochenen hohen Löhnen sehen die Arbeiter nur einen Bruchteil. Der Großteil wird als sogenannte „Loyalitätsgebühr“ direkt an den nordkoreanischen Staat abgeführt. Die verbleibenden 100 bis 200 US-Dollar monatlich werden nicht während des Einsatzes, sondern erst nach Rückkehr nach Nordkorea ausbezahlt – oft mit dem Risiko, gar nichts zu erhalten. „Ich fühlte mich wie in einem Arbeitslager; ein Gefängnis ohne Gitter“, so ein Betroffener gegenüber der BBC.

Besonders geprägt hat sich der Arbeiter Jin eine Demütigung gemerkt: „Ihr seid keine Menschen, nur Maschinen, die sprechen können“, höhnten andere Arbeiter. Als ihm sein Vorgesetzter eröffnete, dass er womöglich gar kein Geld erhalten werde, „weil der Staat es stattdessen brauche“, entschloss er sich zur Flucht – trotz der Lebensgefahr.

Um wiederum Fluchten zu verhindern, so die BBC, seien die Baustellen rund um die Uhr von nordkoreanischen Geheimdienstoffizieren überwacht. Ausgänge werden gestrichen oder nur noch in streng kontrollierten Gruppen erlaubt. Zusätzlich müssen Arbeiter immer häufiger ideologische Schulungen und Selbstkritiksitzungen absolvieren, um ihre Loyalität zu Kim Jong-un zu bekunden. Laut südkoreanischen Behörden hat sich die Zahl derer, die aus Russland nach Südkorea entkommen, seit 2022 halbiert – von etwa 20 auf nur noch zehn pro Jahr.

Nordkoreanische Arbeitskräfte in Russland – ein Überblick

Kategorie Details
Aktuelle Zahl der Arbeiter (2024) ca. 10.000
Geplante Zahl bis Ende 2025 bis zu 50.000
Arbeitszeit z.B. von 6:00 – 2:00 Uhr, bis zu 18 Stunden täglich
Unterkünfte Überfüllte Container mit Ungeziefer oder Rohbauten ohne Türen
Lohn Großteil als „Loyalitätsgebühr“ an Staat; 100–200 USD/Monat, erst bei Rückkehr ausgezahlt
Überwachung Ständige Bewachung durch nordkoreanische Agenten, kaum Ausgang
Verletzungen/Krankheit Kein Zugang zu medizinischer Versorgung – selbst bei schweren Unfällen
Umgehung UN-Verbots Einreise häufig über „Studentenvisa“
Weitere Einsätze Auch in russisch besetzten Gebieten (z. B. Region Kursk)

Quellen: BBC, The Moscow Times.

Kriegsfreundschaft zwischen Kim Jong-un und Putin

Die Entsendung von Zwangsarbeitern ist nur ein Teil von Pjöngjangs Unterstützung für Moskau. Nordkorea liefert seit Beginn der Invasion auch Soldaten, Munition und schwere Waffen – darunter Millionen Artilleriegeschosse, ballistische Raketen und Raketenwerfer, wie die DW schreibt. Seit 2024 sollen rund 15.000 nordkoreanische Soldaten in Russland gekämpft haben, viele in der Region Kursk. Schätzungen zufolge, konstatiert CNN, wurden mehrere Tausend getötet oder verwundet.

In einem Telefonat am 12. August lobte Putin die „Tapferkeit, den Heldenmut und die Aufopferungsbereitschaft“ der nordkoreanischen Soldaten, die an der Seite russischer Truppen einen ukrainischen Angriff abgewehrt hätten, berichtet Radio Free Asia. Kim Jong Un sicherte daraufhin zu, alle künftigen Maßnahmen Russlands „vollständig zu unterstützen“.

Putin und Kim Jong-un: Umgehung der UN-Sanktionen

Obwohl der Einsatz nordkoreanischer Arbeitskräfte in Russland offiziell verboten ist, umgeht Moskau das Verbot systematisch. Viele der Arbeiter reisen mit „Studentenvisa“ ein – allein 2024 waren dies laut offiziellen Zahlen rund 8000 von insgesamt 13.000 nordkoreanischen Einreisen. Dieses Schlupfloch erlaubt es dem Kreml, den massiven Arbeitskräftemangel infolge des Krieges zu decken.

Beobachter wie der Nordkorea-Experte Andrei Lankow von der Kookmin-Universität in Seoul warnen, dass diese Form der Zusammenarbeit über das Kriegsende hinaus bestehen könnte. „Diese Arbeiter werden das bleibende Erbe von Kims und Putins Kriegsfreundschaft sein“, sagte er der BBC.

Nordkorea profitiert von unmenschlicher Zusammenarbeit mit Putin

Die Kooperation zwischen Moskau und Pjöngjang hat auch eine sicherheitspolitische Dimension. Ukrainische Militärgeheimdienste warnen, dass Nordkorea durch die enge Zusammenarbeit wertvolle Kampferfahrung, neue Technologien und militärische Ausbildung erhält – Vorteile, die das Machtgefüge im asiatisch-pazifischen Raum verschieben könnten. Russland liefert im Gegenzug nicht nur Geld und Lebensmittel, sondern auch Unterstützung bei Raketen-, Drohnen- und Satellitenprogrammen.

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