Pistorius schlägt Alarm: Putins Panzer-Produktion bootet die Nato aus
Russland hat den nächsten Bradley-Panzer gekapert – und braucht den gar nicht. In der Rüstungsproduktion hechelt der Westen hoffnungslos hinterher.
Moskau – „Soldaten kosten viel Geld und erwirtschaften nichts. Im Krieg werden Menschen getötet oder verletzt, während teure Rüstungsgüter massenweise zerstört werden“, schreibt Ingo Natusius darüber, was der Rubel-Verfall für Russland bedeutet. Jenseits gelegentlicher Erfindungen, die mehr oder minder zufällig auch zivil brauchbar seien, belaste der Militärsektor jede Volkswirtschaft, so der Autor des Hessischen Rundfunks auf tagesschau.de. Während Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) aktuell über Russlands bedrohliche Panzer-Produktion klagt, hat Wladimir Putins Entwicklungs-Abteilung wohl gerade einen neuen Glücksgriff getan.
Im Ukraine-Krieg soll der Invasions-Armee jetzt wohl wieder ein US-amerikanischer Bradley-Schützenpanzer M2A2 ODS-SA in die Hände gefallen sein, schreibt das Magazin Defense Express. „Nicht alle Schützenpanzer- und Panzerbesatzungen waren bereit, sich einem Bradley zu stellen, da dieser eine ernsthafte Bedrohung für sie darstellte“, schrieb das Magazin Militarnyi im Januar dieses Jahres – seit zwei Jahren verstärkt der amerikanische Schützenpanzer im Ukraine-Krieg die Verteidigung gegen die Invasionstruppen Wladimir Putins. Jetzt wird er wohl erneut filetiert und ausspioniert werden.
Spionage: Moskau liegt im Rennen um die Analyse von auf dem Schlachtfeld erbeuteter Ausrüstung vorn
Beide Seiten machen sich die Technik der jeweiligen Seite zunutze so gut sie können. Moskau liegt im Rennen um die Analyse von auf dem Schlachtfeld erbeuteter Ausrüstung vorn, hatte bereits Mitte des vergangenen Jahres Intelligence Online gemutmaßt Allerdings spionierten die westlichen Mächte ebenso – „im industriellen Ausmaß“, wie das Magazin schreibt. Davon abgesehen ist Russland sehr viel stärker auf westliche Technologie angewiesen als umgekehrt. Bereits vor dem Ukraine-Krieg war Russland knapp an modernen Halbleitern, Elektronikkomponenten und Werkzeugmaschinen. Die westlichen Sanktionen und der horrende Verbrauch des Aggressor-Staates in diesem Waffengang kommen erschwerend dazu.
„Die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten führen einen Krieg, den sie gerne gewinnen würden, während Russland einen Krieg führt, den es gewinnen zu müssen glaubt – einen existentiellen Krieg.“
Dennoch sieht die Prognose für die westlichen Länder düster aus. „Deutschland und Europa insgesamt werden Jahrzehnte brauchen, um mit der derzeitigen russischen Waffenproduktion Schritt zu halten“, publiziert aktuell der belgische Thinktank Bruegel. über die wirtschaftlichen Erfolge Russlands während des nahenden Endes des dritten Kriegsjahres. „Um einen solchen Zermürbungskrieg zu führen, ist eine ständige Versorgung mit neuen Truppen und Kriegsmaterial unerlässlich. Politischer Wille, Produktionskapazität und die Mittel, um all dies zu bezahlen, werden über den Sieger entscheiden“, schreiben die Bruegel-Autoren Guntram B. Wolff, Alexandr Burilkov, Katelyn Bushnell und Ivan Kharitonov.
Fakt ist, dass Russland die Anstrengungen seiner Rüstungsproduktion weiter nach Kräften forciert. Die rund 4.000 Kampfpanzer der Russischen Föderation von Beginn des Krieges sind in der Masse erstmal verloren – die Invasionsarmee habe Mühe, allein die horrenden Verluste adäquat auszugleichen, hatte im vergangenen September Tomas Malmlöf nahegelegt. Der Autor der Schwedischen Verteidigungsforschungsagentur (FOI) mutmaßt, dass Russland in der Lage sei, pro Jahr rund 520 neue Fahrzeuge auf die Ketten zu stellen: „62 Panzer vom Typ T-90M Proryv, 62 weitere vom Typ T-90/T-90A; 80 Panzer, Typ T-80BVM; 140 Panzer vom Typ T-72B3 und weitere 140 vom Typ T-72B3M“, wie das Magazin Defense Express über Malmlöfs Ergebnisse berichtet hat.
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Putins Rüstungsschmied prahlt: Produktion von Kampfpanzern sei um das Siebenfache gestiegen
Die Veröffentlichung rückt gerade, was, laut der russischen Nachrichtenagentur Tass, Sergej Tschemesow im November vergangenen Jahres über die russische Panzerproduktion geprahlt hatte. Der Chef des russischen staatlichen Rüstungskonzerns Rostec, wollte die Welt glauben machen, dass die russische Rüstungsindustrie ihre Panzerproduktion im Jahr 2023 um das Siebenfache hatte steigern können.
„Auf Grundlage dieser Behauptungen errechnete der russische Militärexperte Viktor Murakhovsky, dass die Rüstungsindustrie des Landes die russische Armee im Jahr 2023 mit sage und schreibe 2.100 Panzern verschiedener Typen beliefert hat, vom T-54/55 und T-62 bis hin zum neuesten T-90M Proryv“, schrieb daraufhin das Magazin Defense Express.
Allein im vergangenen Jahr sei die Produktion von Kampfpanzern um das Siebenfache, von leicht gepanzerten Fahrzeugen – um das 4,5-fache, von Artillerie und Mehrfach-Raketenwerfern um das 2,5-fache und von Munition und einigen Produkttypen um das 60-fache gestiegen, habe Tschemesow die Welt wissen lassen, so die Tass, . Insofern scheint maßlos übertrieben, was Boris Pistorius jüngst im Bundestag drohend verkündet hatte: dass Russland seiner Armee jedes Jahr 1.000 bis 1.5000 Panzer „auf den Hof“ stelle, wie die Bild-Zeitung den Bundesverteidigungsminister zitiert. Dennoch liegt Pistorius in der Tendenz richtig, dass Russland seine Bestände forcierter auffüllt, als das offensichtlich die europäischen Länder zu tun in der Lage oder überhaupt gewillt wären.
Expertenmeinung: Die sowjetische Panzer-Doktrin hat nie das Einzelfahrzeug im Blick
Der erbeutete Bradley-Panzer wird offenbar aufgrund seiner Optiken einen schmerzlichen Verlust darstellen und Russland in der Optimierung seiner eigenen Zielsysteme helfen; allerdings scheint das ohnehin kaum mehr ins Gewicht zu fallen, wie die Wissenschaftler des Thinktank Bruegel beklagen. Während der zurückliegenden Jahre sollen der Entwicklung der Bundeswehr systematisch und strukturell 400 bis 600 Milliarden Euro entzogen worden sein, wie die Autoren den Stand der Forschung wiedergeben.
Mit 312 Kampfpanzern in Deutschland wird in einem möglichen kommenden Landkrieg kein Staat zu machen sein, egal, wie weit oder wenig fortgeschritten die russischen Optiken auch sein mögen. „Die sowjetische Panzer-Doktrin hat nie das Einzelfahrzeug im Blick gehabt, die westliche Panzer-Doktrin dagegen schon“, sagt Ralf Raths. „Für die westlichen Panzerbauer war immer von höchster Wichtigkeit, dass das Einzelfahrzeug auf dem Gefechtsfeld so lange wie möglich überlebt; wenn es ausgeschaltet wird, dass es möglichst schnell wieder einsatzfähig gemacht werden kann; und dass innen drinnen die Besatzung auch leistungsfähig bleibt“, führt der Direktor des Deutschen Panzermuseums in Muster auf seinen Social-Media-Kanälen aus.
Nato im Hintertreffen: Eine Rüstungsindustrie, die nur an ihren Profit denkt, lässt Putin siegen
Fehlendes vorausschauendes Denken sowie eine Rüstungsindustrie, die nur an ihren Profit denke, seien eine böse Gemengelage, wie Michael Fredenburg im August geurteilt hat. Für den US-Thinktank Responsible Statecraft hat der Analyst gegeneinander gestellt, dass Russland weiterhin mehr Munition, Raketen und Panzer produziere als die USA und die Nato insgesamt. Dabei hätte Russland im vergangenen Jahr einen Verteidigungshaushalt von umgerechnet rund 100 Millionen Euro ausgeschöpft bei umgerechnet rund zwei Billionen Euro Brutto-Inlandsprodukt (BIP), also der Menge an Werten, die in einem Jahr im Land produziert worden sind. USA und Nato hätten ein Verteidigungsbudget von umgerechnet 1,4 Billionen Euro sowie gemeinsam eine Gesamtjahres-Wertschöpfung von umgerechnet mehr als 40 Billionen Euro erwirtschaftet.
Der jetzt erbeutete Bradley oder ein bereits vor Wochen gekaperter westlicher Leopard-Panzer werden für diese Gleichung wenig Bedeutung haben. Fredenburg geißelt die Westmächte für ihre betriebswirtschaftliche Denkweise, für die demnach die einzelbetriebliche Marktmacht und der betrieblich Gewinn das Handeln bestimmten. Bestätigt wird das beispielsweise für die europäische Luftverteidigung – aus der European Sky-Shield-Initaive (ESSI) hält sich beispielsweise Frankreich heraus, weil Paris kritisiert, dass auch Technik aus Israel und den USA eingekauft wird.
Genauso in der Panzer-Beschaffung: Während Deutschland und Frankreich gemeinsam einen Panzer bauen, stellt Rheinmetall als deutsches Unternehmen sein eigenes Fahrzeug ins Schaufenster. Und der Nato-Grenzstaat Polen kauft aus Südkorea. Analyst Fredenburg unterstellt den westlichen Ländern eine grundlegend andere intrinsische Motivation gegenüber einem Krieg als Fortsetzung der Außenpolitik, wie er schreibt: „Die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten führen einen Krieg, den sie gerne gewinnen würden, während Russland einen Krieg führt, den es gewinnen zu müssen glaubt – einen existentiellen Krieg.“