Antwort auf Putin: Politologe drängt auf europäische Atomwaffe

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Mit Hinblick auf Putin und den Ukraine-Krieg sehen Experten in Europa zu wenig Abschreckungskraft. Nun fordern sie konkrete Maßnahmen.

München – Der Ukraine-Krieg hat hierzulande sicherheitspolitische Diskussionen neu angefacht. Gerade mit Blick auf Russlands Atombomben geht in Europa Angst um, dass der Kreml den Krieg ausweitet und weitere Länder angreift.

Doch wie soll sich Europa absichern? Der deutsche Politologe Herfried Münkler schlägt nun einen drastischen Schritt vor: ein gemeinsames europäisches Arsenal von Atomwaffen.

Europäische Atombombe gegen Putin?

„Die europäische Atombombe wäre ein entscheidender Schritt hin zu einer strategischen Autonomie und zu einer eigenen Abschreckungskraft. Diese Abschreckungskraft sollte schleunigst aufgebaut werden“, sagte Münkler der Welt. Mehrere Staaten sollten gemeinsam über das Arsenal verfügen. „Die Staaten des Weimarer Dreiecks, also Frankreich, Deutschland, Polen plus zweier Südeuropäer, also Madrid und Rom, verfügen über Atomwaffen in gemeinsamer Entscheidungsgewalt, also: Der Koffer mit dem roten Knopf zirkuliert zwischen den genannten Staaten“, sagte er.

Grund für das gemeinsame europäische Handeln sei das Risiko, dass sich die USA als Schutzmacht von Europa abwenden könnten. Mit Frankreich und Großbritannien blieben zwei Atommächte in Europa. Nukleare Abrüstung sei hingegen völlig unrealistisch. Russland um Wladimir Putin habe ohne seine Rohstoffe und Atomwaffen keine weltpolitische Bedeutung, urteilt Münkler.

Russlands Präsident Wladimir Putin hält seine Neujahrsansprache im Fernsehen.
Russlands Präsident Wladimir Putin hält seine Neujahrsansprache im Fernsehen. Wie will sich Europa verteidigen, sollte der Kreml-Chef den Krieg ausweiten? © Adrien Fillon/Imaago

Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München spricht sich derweil für einen „europäischen Nuklearschirm“ aus, sollten „die Amerikaner keinen Schutz mehr garantieren“. Im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe rät Masala zu Sondierungen mit Frankreich, deren Nuklearstrategie bislang rein national sei. „Vielleicht gelingt es, diese dahingehend zu verändern, dass Frankreich unter bestimmten Umständen auch bereit wäre, europäische Nachbarstaaten mit seinen Atomwaffen zu verteidigen.“ Auch die zweite Atommacht Großbritannien wolle er an Bord holen. Zumindest werde es keinen Atomkoffer geben, der in Brüssel lagert oder „zwischen den europäischen Hauptstädten hin- und herwandert“. Solche Forderungen seien Blödsinn, meint Masala.

Deutsche Atombombe „anti-europäisch“?

Auch Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hält diese Möglichkeit für unrealistisch, wie er in einem Gastbeitrag für den Spiegel schrieb. Ein Problem sei etwa die Ungewissheit über die Kontrolle im Ernstfall, gerade aus deutscher Sicht: „Es erscheint kein akzeptables Modell für die deutsche Sicherheitspolitik, dass Berlin europäische Nuklearwaffen mitbezahlt, aber keinerlei Einfluss auf ihren Einsatz hätte“, so Kaim, der drei Optionen für Deutschland sieht: eine Annäherung an Kräfte wie Russland oder China, einen womöglich wegfallenden Schutz der USA einfach hinnehmen oder Deutschland atomar aufzurüsten. Letzteres sei ein „scharfer Bruch mit den Traditionen bundesdeutscher Außenpolitik“.

Die Politikwissenschaftler Claudia Major und Liviu Horovitz (ebenfalls SWP) schreiben im Spiegel, dass die Idee einer deutschen Atombombe zum Selbstschutz „anti-europäisch“ sei, da Russland in erster Linie seine Nachbarländer bedrohe. Ein EU-weites Atomwaffenarsenal sei unrealistisch. Zudem müsste man Nordkorea folgen und aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten. Stattdessen sei es wahrscheinlicher, dass Frankreich und Großbritannien ihr Programm jeweils ausweiten.

Masala sieht Europa nicht auf Trump-Sieg vorbereitet

Carlo Masalas größte Sorge für das neue Jahr ist, „dass es uns nicht gelingt, eine dauerhafte Unterstützung der Ukraine zu garantieren“. Dann „würde sich der Aggressor Russland durchsetzen“ und Europas Sicherheit nachhaltig destabilisieren, befindet er. Sowohl außen- als auch innenpolitisch.

Ein großer Risikofaktor sei wie erwähnt die USA – insbesondere, falls Donald Trump die kommende US-Wahl im November gewinnen sollte. Europa bereite sich nicht ernsthaft für den Fall vor, auch die Bundesregierung nicht. „Vermutlich haben wir den richtigen Zeitpunkt auch schon verpasst“, sagte Masala. Sollte Trump erneut an die Macht kommen, könnte das aus Masalas Sicht schwere Folgen für einige Nato-Bündnispartner in Europa haben. „Unter amerikanischem Schutz stünden dann nur noch jene Staaten, die seinen Forderungen nachkommen - etwa mit Blick auf die Verteidigungsausgaben. (...) Und da reden wir nicht mehr von zwei Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung, sondern von deutlich mehr.“ Hier spricht Masala gar von „Erpressung“. (lrg)

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