Umwege statt Russland-„Notfall“ – Kiesewetter rügt: „Wollen Wahrheit nicht zumuten“
Roderich Kiesewetter begrüßt neue Mittel für die Verteidigung – hadert aber mit dem Weg der rot-schwarzen Sondierer. Er warnt vor falschen Signalen an Russland.
Mit unerwarteter Geschwindigkeit haben sich die Sondierer von Union und SPD auf ein riesiges Schuldenpaket für die Bundeswehr geeinigt. Bei einer deutsch-litauischen Konferenz am Freitag in München stieß der Schritt auf große Anerkennung. Aber es gibt auch Mahnungen. Und Kritik am konkreten Vorgehen:
Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, einer der bekanntesten Unterstützer der Ukraine im Bundestag, hätte sich einen anderen Weg gewünscht, wie er im Gespräch mit dem Münchner Merkur am Rande der Veranstaltung erklärte – auch als Signal an die Menschen in Deutschland sowie an Wladimir Putins Russland.
Bedrohung aus Russland: Kiesewetter hadert – „Man will den Menschen die Wahrheit nicht zumuten“
Deutschland scheue sich mit Blick auf die Finanzen den „Notfall“ auszurufen – Vorteilen zum Trotz, wie Kiesewetter monierte. Mit dem Mittel des Haushalts-Notfalles brauche es „keine Grundgesetzänderung und man muss nicht einen alten Bundestag für eine Zweidrittelmehrheit bemühen“, sagte der frühere Bundeswehr-Oberst: „Aber man will den Menschen die Wahrheit nicht zumuten.“

Zu dieser gehöre, dass es in Deutschland Sabotage gebe, Bahninfrastruktur zerstört werde oder es etwa in Bayern „gezielte Tötungen“ gebe. In Murnau südlich von München waren im April 2024 zwei ukrainische Soldaten getötet worden, ein russischer Staatsbürger wurde am Freitag für die Tat verurteilt. Die Anklage hielt einen Streit über den Ukraine-Krieg für den Anlass.
Kiesewetter betonte, der Bundestag könne auch einen „Spannungsfall“ ausrufen – die Vorstufe des „Verteidigungsfalls“. Das würde Russland klarmachen: „Wir haben verstanden, wir lassen uns nicht einschüchtern, wir klären unsere Bevölkerung aus.“ Neben Rüstung und militärischer Vorbereitung benötige die Bundesrepublik auch „politischen Willen“ – „die Bereitschaft zu erkennen, dass Russland sich im Krieg mit uns sieht und wir mit Verhandlungen alleine nicht weiterkommen“. Die Devise müsse „Diplomatie durch Stärke“ lauten.
Kiesewetter warnt vor Russland: Europa brauche „offensive Fähigkeiten“ gegen Putin
In einer Serie von Tweets hatte Kiesewetter am Donnerstag auch „offensive Fähigkeiten“ für Europas Streitkräfte gefordert. Wenig später beschloss auch ein EU-Gipfel neue Mittel für Rüstung und Verteidigung. Im Gespräch mit unserer Redaktion erläuterte Kiesewetter: Zu den gesuchten Mitteln zählen aus seiner Sicht weitreichende Waffensysteme – aber eben auch Kommunikation.
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„Es geht darum, russische Kommandoposten, Befehlsstellen, Raketenstellungen in einer Reichweite von 2500 bis 3000 Kilometer erreichen zu können“, sagte Kiesewetter. Auch, um eine „Erpressung“ durch den Kreml zu verhindern. Denn Russland verfüge über Waffen, die „bis in unseren Bereich“ reichen.
„Taurus“ in die Debatte einbringen – Kiesewetter hält Angriff auf EU aus Russland für möglich
Der CDU-Politiker forderte zugleich die Bereitschaft zu Hacker-Gegenangriffen bei Cyberattacken aus Russland und Aufklärung des russischen Publikums mittels gezielter Kommunikation über Sender wie Radio Free Europe oder die Deutsche Welle. Und wenn besser ausgestattete Kampfflugzeuge oder Taurus-Marschflugkörper „in die Debatte eingebracht“ würde, ließe sich Druck auf Russland ausüben.
Zunächst könne Europa mit der Ausbildung an den Systemen in der Ukraine beginnen. Setze Wladimir Putin die Eskalation fort, könne auch tatsächlich geliefert werden. Kiesewetter machte deutlich, dass er weiter große Gefahren aus Russland sieht. Wenn man die neuen Gelder nicht rasch und zielgenau einsetze, könne der Kreml eine „Schwäche“ erkennen. Denkbar sei dann, dass Russland mit einem Angriff auf EU-Länder „nicht drei bis fünf Jahre warte“. Das komplette Interview mit Roderich Kiesewetter lesen Sie hier. (fn)