Mini-Malteser, Meerschweinchen und ein Leguan: Amtstierarzt berichtet über „Animal Hoarding“

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Einen besonders Aufsehen erregenden Fall von Tierhortung gab es 2020 in Bad Tölz: Eine Mutter und ihr Sohn lebten mit 21 Mini-Maltesern. © privat

Wenn Tierliebe außer Kontrolle gerät: Das krankhafte Horten von Tieren wird immer wieder zum Fall fürs Veterinäramt – auch im Tölzer Landkreis.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Kaninchen, Katzen, Meerschweinchen, Mäuse: Rund 300 Tiere, die meisten davon in schlechtem bis kritischem Zustand, wurden kürzlich von einem Hof im Oberallgäu beschlagnahmt und in Tierheime gebracht. Es handelte sich um einen Fall von krankhafter „Tierhortung“, in der englischen Fachsprache „Animal Hoarding“ genannt. Auch im Landkreis ist das Veterinäramt immer wieder mit dem traurigen Phänomen konfrontiert. Der wohl spektakulärste Fall war vor einigen Jahren der Fund von 21 Mini-Maltesern in Bad Tölz.

Kaninchen aus Baumarkt „befreit“

„Jeder Fall ist vom Ausmaß und der Ausprägung her unterschiedlich“, schildert der Leiter des Tölzer Veterinäramts, Dr. Bernhard Hauser. Das Grundmuster aber sei, dass Menschen die Kontrolle über ihre eigene Tierhaltung verlieren, „nicht weil sie Tierquäler oder böse Menschen sind“, wie Hauser betont. Im Gegenteil: Meist liege eine große Tierliebe zugrunde – allerdings gepaart mit der fehlenden Einsicht, wann die Zahl der Tiere im eigenen Haushalt so groß wird, dass eine artgerechte Haltung und Versorgung nicht mehr möglich ist.

Der „Klassiker“ seien dabei Kleintiere wie Kaninchen oder Meerschweinchen. „Da braucht man nur ein männliches und ein weibliches Tier, die nicht getrennt gehalten werden und nicht kastriert sind, und schon nimmt die Zahl der Tiere rapide zu“, stellt Hauser fest. In einem anderen Fall, den er in seiner Anfangszeit am Tölzer Veterinäramt erlebte, erklärte ihm eine Frau, dass sie jedes Mal von Mitleid überflutet wurde, wenn sie in Baumärkten zum Verkauf angebotene Kleintiere in ihren Boxen sah. „Sie konnte nicht anders und musste die Tiere kaufen und damit befreien“, berichtet der Tierarzt.

Wegnahme von Tieren als letzter Schritt

Nur: Ob es den Nagern am Ende bei ihr besser ging, war fraglich. Der Amtstierarzt fand die Tiere in ihrer Wohnung in winzigen Transportboxen lebend vor. Am Ende musste er zweimal anrücken, um ihr Tiere wegzunehmen. Insgesamt seien es etwa 25 Kaninchen und 40 Meerschweinchen gewesen.

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Die Wegnahme sei aber der letzte Schritt, der nur selten zur Anwendung komme. Davor gebe es noch „mildere Mittel“, etwa, einen Tierhalter aufzufordern, selbst die Haltungsbedingungen zu verbessern oder seinen Tierbestand zu reduzieren. „Oft schafft man es noch, dass die Sache in ein vernünftiges Fahrwasser kommt.“ Eine behördliche Wegnahme sei auch verwaltungsrechtlich aufwendig und müsse gut begründet sein, „zum Beispiel, wenn die Tiere am Verhungern sind“.

Mini-Malteser in Bad Tölz erregen Aufsehen

Bis zum Äußersten kam es dagegen Ende 2020. Damals hausten eine Mutter und ihr erwachsener Sohn mit einer ganzen Schar sich unkontrolliert vermehrender Mini-Malteser in einer Tölzer Wohnung. Nach der Zwangsräumung campierten die beiden im Wald am nördlichen Ortsrand. Spaziergängern fielen immer wieder frei herumlaufende, offensichtlich verwahrloste kleine weiße Hunde auf, eines der Tiere wurde auf der B13 überfahren. Polizei und Veterinäramt schritten ein. Letztlich war die Überraschung groß, dass Mutter und Sohn mit nicht weniger als 21 Hunden gelebt hatten. Die Tiere wurden schließlich ins Tierheim nach Garmisch-Partenkirchen gebracht. Der Fall erregte große mediale Aufmerksamkeit, der es letztlich auch zu verdanken war, dass alle Mini-Malteser ein neues Zuhause fanden – getrennt voneinander.

Extremfälle von Tierhortung sind selten

Einen solchen Extremfall von Tierhortung erlebt Hauser freilich höchst selten. Aber auch in weniger dramatischen Situationen sind es nicht nur die Tiere, sondern auch die Menschen, deren Situation ihn persönlich berührt. „Es können psychische Störungen oder Schicksalsschläge dahinter stehen“, sagt er. Die Betroffenen seien in keiner schönen Situation, verlören oft alle sozialen Kontakte, weil sie niemanden mehr in die Wohnung lassen. Das Veterinäramt versuche dann auch, den Tierhaltern Hilfen zu vermitteln.

Weniger erfreulich: Der Steuerzahler bleibe immer wieder auf beträchtlichen Beträgen für die Versorgung sichergestellter Tiere sitzen. „Im Prinzip könnte man die Kosten an die Tierhalter weitergeben, aber sie sind oft nicht zahlungsfähig“, so der Amtstierarzt.

Illegaler Import von Zwergspitzwelpen

Dass das Veterinäramt Tiere wegnimmt, kommt nicht nur bei Tierhortung vor, sondern auch bei illegaler Welpeneinfuhr. „Gerade vor Kurzem sind der Polizei im Landkreis bei der Kontrolle eines Transporters aus Moldawien zwei Zwergspitzwelpen aufgefallen“, berichtet Hauser. Es stellte sich heraus, dass die notwendigen Papiere gefälscht waren. „Chipnummer, Geschlecht und Alter der Tiere haben überhaupt nicht gepasst.“ Die Polizei nahm dem Fahrer die Tiere weg. Ihn selbst ließen sie nach Bezahlung einer Sicherheitsleistung weiterfahren. Für die Begleichung der Kosten für Versorgung und Impfung der Welpen sei er danach nicht mehr greifbar gewesen.

Ein ganz anderer Fall, der zu einer Tierwegnahme führte: „Bei seiner Arbeit an einem mehrstöckigen Wohnblock fiel einem Fensterputzer in einer Wohnung ein riesiger Leguan in einem winzigen Terrarium auf“, erinnert sich Hauser. Das verständigte Veterinäramt stellte fest, dass das exotische Haustier nicht wie vorgeschrieben gemeldet und die Haltungsbedingungen nicht geeignet waren. „Letztlich war die Dame froh, dass wir ihr den Leguan weggenommen haben“, sagt Hauser. „Ihr Enkel hatte ihn vor Jahren ins Haus gebracht, war dann weggezogen und hatte ihn bei der Oma zurückgelassen.“ (ast)

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