Abschied am Vogelhaus: Geretsrieder Vögel starten in ein neues Leben
Ein Umzug der besonderen Art fand am Montag statt, als die Vögel des Geretsrieder Vogelhauses abgeholt wurden. Jedes Tier wurde vorab untersucht, um sicherzustellen, dass es gesund in sein neues Zuhause kommt.
Geretsried – „Das war’s dann wohl“, sagt Ingrid Brauner trocken und zuckt mit den Schultern, als der weiße Transporter mit Augsburger Kennzeichen vor dem Vogelhaus am Schulzentrum hält. Am Montag war es so weit: Die Vögel werden abtransportiert.
Jeder Vogel wurde vorab auf Krankheiten untersucht
Schon seit Anfang Mai laufen die Vorbereitungen für den Umzug. Ein Team des Vereins Federnhilfe reist an. Ingrid Brauner, die sich über 30 Jahre lang um das Vogelhaus gekümmert hat, ist natürlich auch dabei. Alle rund 120 Tiere werden beringt und auf Krankheiten wie Pilze, Chlamydien und Parasiten getestet. „Die Zebrafinken werden heute nochmals kontrolliert“, erklärt Tierarzt Hermann Kempf. Er ist Vorsitzender der Federnhilfe. Vor knapp zwei Wochen hat man bei den Zebrafinken noch Parasiten nachgewiesen, sogenannte Trichomonaden. „Sie gehen jetzt in cleane Bestände, deshalb müssen sie gesund sein“, erklärt Kempf. Bei allen anderen Vögeln verlaufen die Tests negativ.
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Abrissarbeiten sollen so bald wie möglich erfolgen
Weil das Schulzentrum wie berichtet erweitert wird, muss das Vogelhaus weichen. „Die Abrissarbeiten sollen so zeitnah wie möglich beginnen“, sagt Thomas Loibl, Sprecher der Stadt, auf Nachfrage. Er geht davon aus, dass es im Juni so weit ist.
Die Federnhilfe verteilt die Geretsrieder Tiere auf Vogelparks. „Wir vermitteln pro Jahr circa 500 000 Papageien und Papageienartige“, berichtet Kempf, der in Augsburg eine Tierarztpraxis für Exoten betreibt. Er geht zum Eingang des Vogelhauses. Jetzt werden die Tiere eingefangen. Kleine Schachteln aus Pappe stehen dazu bereit. Gerade so groß, dass ein Vogel hineinpasst. Kempf schätzt, dass es etwa 20 Minuten dauern wird, bis alle Tiere untergebracht sind.
Die Zebrafinken haben keine Parasiten mehr
Er und Brauner nehmen je einen Kescher in die Hand und gehen in die Voliere. Es dauert kurz, dann kommt Kempf wieder heraus. Den winzigen Zebrafink in seiner Hand sieht man kaum, nur das kleine Köpfchen mit dem orangefarbenen Schnabel ragt heraus. Der Tierarzt greift sich ein Teststäbchen, ähnlich einem Coronatest, und nimmt einen Abstrich aus dem Rachen des kleinen Exoten. Unter dem Mikroskop werden stichprobenartig zehn Zebrafinken überprüft. Gute Nachrichten: Die Medikamente, die sie in den vergangenen Tagen gegen die Parasiten erhalten haben, haben angeschlagen. Jetzt steht dem Umzug nichts mehr im Weg. Vogel um Vogel verschwindet in den kleinen, bunten Pappkartons. „Die Agaporniden kommen als letztes dran, sie können sich am schnellsten durch die Schachtel durchnagen“, sagt der Tierarzt.
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Der Transport in ihr neues Zuhause – die Kosten dafür übernimmt die Stadt – macht den Tieren nichts aus. „Vögel sind Nahrungsopportunisten aus der Wüste“, erklärt er. „Sie müssen sich schnell anpassen, wenn der Habicht kommt oder es mal kein Wasser oder Futter gibt. Was sie viel mehr stresst, ist die Einzel- oder Paarhaltung. Sie leben eigentlich in Schwärmen.“ Ähnlich ist es mit dem Eingewöhnen am neuen Ort. „Das dauert vielleicht ein bis zwei Minuten. Sie erkunden und schauen ein bisschen.“
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Ingrid Brauner: „Habe mich mental darauf eingestellt“
Eine größere Umgewöhnung wird das leere und bald fehlende Vogelhaus wohl für Ingrid Brauner. „Ich fühle mich ein bisschen mau“, sagt sie und blickt zwischen den Gitterstäben auf die fröhlich vor sich hin zwitschernden Vögel. „Aber es ist okay. Ich habe mich mental darauf eingestellt.“ Und mehr Zeit hat Brauner in Zukunft. Denn Arbeiten wie Saubermachen und Füttern waren aufwendig. Diese Zeit kann Brauner nun gut füllen: „Ich bin am Freitag nochmals Oma geworden“, erzählt sie und lächelt.