Bomben auf Bichl – Augenzeugen erinnern sich: „Dann hat’s auch schon gekracht“

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Der Bichler Bahnhof (hi. Mitte) in den 1930er-Jahren. Hans Sachenbacher berichtet, dass der kriegswichtige Bahnhof sogar noch erweitert werden sollte. Dazu kam es nicht mehr. Er war Ziel eines Bombenangriffs am 22. Februar 1945. Hinten links das sogenannte Strobl-Haus, das dabei ebenfalls zerstört wurde. © Privat

Vor 80 Jahren haben Bomben im Zweiten Weltkrieg Bichl getroffen. Es hat über 20 Todesopfer gegeben. Augenzeugen erinnern sich.

„Operation Clarion“ hieß der größte amerikanisch-britische Luftangriff im Zweiten Weltkrieg, der vor 80 Jahren vor allem Verkehrsanlagen überall in Deutschland treffen sollte. Ein Ziel war am Donnerstag, 22. Februar 1945, auch das kleine Bichl im Loisachtal. Am Bichler Bahnhof wurden die Munitionszüge aus Geretsried in Richtung Tutzing weitergeleitet. Der schwerste Bombenangriff des Krieges im Altlandkreis Tölz forderte 22 oder 23 Todesopfer. Genaues weiß man nicht.

20 amerikanische Flugzeuge warfen 50 bis 60 Bomben ab

Im Gespräch mit dem Tölzer Kurier erinnern sich Franz Pfund und Hans Sachenbacher, die damals sieben und zehn Jahre alt waren, an den Angriff, bei dem etwa 20 amerikanische Flugzeuge von Süden kommend 50 bis 60 20-Zentner-Bomben abwarfen. „Wir hatten einen französischen Kriegsgefangenen bei uns, der Radio hörte und von Bombenangriffen schon im Vorhinein wusste“, berichtet Franz Pfund. „Nur nicht den vom 22. Februar.“ Er hatte die Flugzeuge hinterm Haus in der Sindelsdorfer Straße kommen sehen und dann seien auch schon die Bomben gefallen. Seltsam, was alles hängenbleibt: Der Bichler Altbürgermeister weiß noch, dass ihm als Bub auffiel, dass die abgeworfenen Bomben noch ein Stück mit den Flugzeugen mitflogen, bevor sie hinabfielen. „Und dann hat’s auch schon gekracht.“

Altbürgermeister Franz Pfund (87) beobachtete den Bombenangriff.
Augenzeuge Hans Sachenbacher war damals zehn Jahre alt. © cs

Benachbartes Haus flog in die Luft

Hans Sachenbacher, damals zehn Jahre alt, beobachtete mit seinem sieben Jahre älteren Bruder Walter vor dem Haus in der Sindelsdorfer Straße die sich nähernden Bomber. „Ich dachte zunächst, die werfen Silberstreifen ab, um das deutsche Radar zu stören.“ Es war kein „Lametta“, es waren Bomben. Sachenbacher beschreibt ihr pfeifendes Geräusch beim Fallen. Dann seien der Bahnhof sowie die Restauration getroffen worden. Das benachbarte Haus des Toni Strobl, „Mauser-Toni“ genannt, sei buchstäblich in die Luft geflogen. Sachenbacher, selbst ehemaliger Eisenbahner, hat dennoch bis heute das Gefühl, dass sich die Piloten bemüht hätten, möglichst nur das Ziel, den Bahnhof, zu treffen und Kollateralschäden im Dorf zu vermeiden.

Glück: Schule fiel an diesem Tag aus

Franz Pfund und Hans Sachenbacher hatten selbst Glück. Im Bahnhofs-Salettl, sagt Pfund, war damals die Schule. Er weiß nicht mehr, warum sie an diesem Donnerstag ausfiel. Ein großes Glück war auch, dass Stationsvorsteher Schurer und der Bahnbeamte Michael Schwaller einen Munitionszug aus Geretsried kurz vor dem Angriff gerade noch rechtzeitig weiterschickten. Schwaller starb, Schurer verlor Frau und Kinder.

Augenzeuge Hans Sachenbacher war damals zehn Jahre alt.
Altbürgermeister Franz Pfund (87) beobachtete den Bombenangriff. © cs

Bahnhofskeller wurde total zerstört

Die hohe Zahl der Todesopfer war auch deshalb zu beklagen, schreibt die Gemeindeangestellte Anny Brenck in einem Bericht 1946 ans Landratsamt, weil bis wenige Tage vor dem Angriff der Luftschutzraum der Güterhalle genutzt worden war. Plötzlich habe sich aber die Meinung verbreitet, dass der Luftschutzraum des Bahnhofs sicherer sei. Die Leute hätten also dort Zuflucht gesucht, schreibt Brenck. Das war fatal. Der Bahnhofskeller wurde total zerstört, der Luftschutzraum der Güterhalle blieb unversehrt.

Im Schuttberg wurde mit bloßen Händen nach Angehörigen gegraben

Unter den Opfern war auch der Münchner Schüler Ernst Pflie, der mit Mutter, Vater und Schwester wegen der Luftangriffe auf die Landeshauptstadt Schutz in Bichl gesucht hatte. Mutter und Schwester wurden bei dem Bombenangriff am 22. Februar 1945 schwer verletzt. Der Vater war an dem Tag nicht da. Ironie des Schicksals: Das Haus der Pflies in München blieb unversehrt. Es gibt Bilder, die man trotz der vielen Jahre nicht los wird. Der 90-jährige Hans Sachenbacher erzählt beim Treffen vor Ort schließlich von einem Schulkameraden, den er auf dem Schuttberg, der ehemals der Bahnhof gewesen war, mit bloßen Händen nach seinen Angehörigen graben sah. „Das habe ich nie vergessen.“

Gedenkmesse

Anlässlich des 80. Jahrestags des Bombenangriffs findet am Samstag, 22. Februar, eine Gedenkmesse in der Bichler Kirche St. Georg statt. Bürgermeister Benedikt Pössenbacher wird im Anschluss eine Rede halten. Beginn der Messe ist um 19 Uhr.

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