Studie warnt: Reiches Energiepläne kosten jeden Bürger bis zu 1200 Euro im Jahr

Der Plan von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche, die Stromversorgung schnell durch Gaskraftwerke abzusichern, steht vor einer neuen Hürde: 

  • Laut einem Rechtsgutachten verstoßen Reiches Pläne gegen EU-Recht. Die Ministerin selbst sagte im August, sie habe mit der EU "signifikant mehr als die Hälfte" verhandelt.
  • Das Gutachten stammt von den Spezialisten für Wettbewerbs- und Vergaberecht der Kanzlei K&L Gates im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
  • Kernpunkt: Staaten müssen für Förderungen im Energiesektor Notwendigkeit, Angemessenheit, Verhältnismäßigkeit und Transparenz nachweisen. Kurz gesagt: Versagt der Markt, darf der Staat helfen. Sonst nicht.
  • Reiche will ab 2027 mindestens 20 Gigawatt Leistung an Gaskraftwerken zubauen, die eingeschaltet werden können, sobald Erneuerbare wenig Strom liefern. Weil sich die Kraftwerke dann nicht allein rechnen, will der Staat sie bezuschussen.
  • Dafür seien Notwendigkeit und Angemessenheit dieser Gaskraftwerke aber nicht ausreichend belegt, meint die Studie. Großbatteriespeicher und Stromtransfer über Grenzen hinweg könnten den Bedarf ebenfalls decken. Allein durch den Markt.

Das Gutachten stellt Regierung und Bundesrepublik vor eine Entscheidung mit vielen Unsicherheiten. Einige Lösungen riskieren teuren Strom. Einige, dass das Licht ausbleibt. Vier Punkte erklären das Dilemma.

1. Günstiger Strom: Gut für Verbraucher, schlecht für Gaskraftwerke

Das Dilemma beginnt mit Batteriespeichern, wie sie derzeit in Deutschland vielerorts entstehen. Diese beeinflussen den Strommarkt laut Studien enorm. Übersteigt die Stromnachfrage das Angebot, speisen sie Energie ins Netz. Dadurch mildern sie gerade die enormen Preisspitzen, die etwa bei Dunkelflauten auftreten. Für ein auf erneuerbaren Energien basierendes Netz enorm wichtig.

Gaskraftwerke sollen aber vor allem einspringen, wenn Energie knapp und teuer wird. Je mehr Batteriespeicher am Markt sind, desto seltener passiert das. 

Stromkunden koste das Geld, meinen Kritiker. Die Regierung darf den Bau der Kraftwerke wohl mit Staatshilfen stützen, den Betrieb aber nicht. Im Betrieb müssen sich die Kraftwerke am Markt finanzieren. Das treibt den Preis:

  1. Gaskraftwerke laufen wegen Batteriespeichern seltener zu profitablen Preisen oder generell seltener.
  2. Die Fixkosten dieser Kraftwerke bleiben fast gleich, verteilen sich aber auf weniger erzeugte Kilowattstunden.
  3. Dadurch steigen die Kosten pro erzeugter Kilowattstunde. Die Kraftwerke rechnen sich noch weniger.

Laut den angesprochenen Studien könnten bereits 100 Megawatt Batterie-Leistung den Strompreis um mehrere Prozent senken. Netzbetreiber haben mehr als das 1600-Fache dieser Leistung beantragt. Die Folgen lassen sich nicht einfach hochrechnen, dürften aber deutlich sein.

Kritiker bezeichnen Gaskraftwerke daher als Preistreiber: Steuerzahler stützten zwangsweise den Bau einer klimaschädlichen Technologie. Darunter leide eine nicht bezuschusste, klimafreundliche Technologie, die das Netz sowieso brauche. Die "Vorfestlegung von Frau Reiche auf den Neubau von fossilen Gaskraftwerken" sei "völlig aus der Zeit gefallen", sagt DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.

Eine Lösung für Deutschlands Stromzukunft könnte also heißen: Gaskraftwerke streichen.

2. Keine Gaskraftwerke: Höheres Blackout-Risiko bei Dunkelflaute?

Befürworter der Gaskraftwerke widersprechen den Kritikern. 

  • E-Autos, Wärmepumpen und KI-Rechenzentren steigern den künftigen Strombedarf deutlich.
  • Laut Netzentwicklungsplan Strom (NEP) könnte Deutschland bis ins Jahr 2045 ohne Wind- und Solarkraft (die sogenannte Residuallast) bis zu doppelt so viel Strom erzeugen müssen wie bislang.
  • Erneuerbare wie Biogas und Geothermie erzeugen zwar ebenfalls zuverlässig Energie. Die Menge decke aber nicht den Bedarf. Noch stockt außerdem der Anschluss von Batteriespeichern ans Netz.
  • Es drohe eine Lücke, meinen Kritiker. Die Bundesrepublik könne es sich nicht leisten, Betriebe und Haushalte unsicher mit Strom zu versorgen.
  • Wasserstofffähige Gaskraftwerke liefern zukunftsfähige Sicherheit, meinen ihre Unterstützer. Deswegen ergebe ihr Bau Sinn. So sieht das auch Reiche.

Die zweite Lösung für Deutschlands Energiezukunft könnte also lauten: Gaskraft ja, Batteriespeicher nein. Wozu Doppelkapazitäten aufbauen?

Doch so einfach ist es nicht.

In Belgien betreibt Aquila Clean Energy einen Batteriespeicher mit 100 MWh Speicherkapazität – ähnlich einer Anlage in Deutschland bei Lüneburg. Meist umfasst due Größe der Speicher eine Fläche von rund zwei Fußballfeldern.
In Belgien betreibt Aquila Clean Energy einen Batteriespeicher mit 100 MWh Speicherkapazität – ähnlich einer Anlage in Deutschland bei Lüneburg. Meist umfasst due Größe der Speicher eine Fläche von rund zwei Fußballfeldern. Aquila Clean Energy

Mit 73 Prozent unterstützt eine klare Mehrheit der Menschen in Deutschland die Energiewende und wünscht sich mehr Investitionen in Erneuerbare Energien. Das zeigt eine repräsentative Studie des Meinungsforschungsinstituts Pollytix. 

Fossile Projekte wie den Bau neuer Gaskraftwerke lehnt eine Mehrheit von insgesamt 59 Prozent entschieden ab, unter Wählern der Union sogar 61 Prozent. 

71 Prozent der Menschen fordern zudem die Fortsetzung der Förderung von Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern – einem der wichtigsten Treiber der Energiewende in Bürgerhand.

3. Keine Batterien: Wohl teurer – und unsicherer?

Anhängern von Batteriespeichern widersprechen der Darstellung, die Bundesrepublik baue mit ihnen Doppelkapazitäten auf. Batterien speichern auf absehbare Zeit zwar nicht genug Strom für einen windstillen Winter. Sie gleichen aber die teils nur sekundenlangen Preisspitzen aus, in denen Gaskraftwerke nicht einspringen können. Und sie überwinden stunden- bis tagelange Durchhänger, in denen weniger oder keine Gaskraftwerke anspringen müssen. Beides dämpfe den Preis für Endkunden. "Wenn jetzt zu viele Gaskraftwerke gebaut werden, statt Batteriespeicher, wird man doppelt zahlen müssen", twitterte Karl Lauterbach (SPD).

Außerdem scheint auch der Bau neuer Gaskraftwerke nicht absolut sicher. Milliardär Elon Musk ließ jüngst ein gebrauchtes Gaskraftwerk in Mexiko abbauen und in den USA neu aufbauen, weil er keine neue Turbine für ein Rechenzentrum seiner Firma xAI fand. Viele KI-Firmen bauen derzeit Gasturbinen an Rechenzentren. Der Markt ist leergefegt. 

Die Regierung muss also erst einmal Gasturbinen bekommen. Die EU muss ihr erlauben, den Bau zu subventionieren. Regierung und Netzbetreiber müssen die Kraftwerke dann mit grünem Wasserstoff versorgen, den es bislang fast nicht gibt in Deutschland, um sie langfristig betreiben zu können. Alles nicht unmöglich, aber auch alles keine Selbstläufer.

Die dritte Lösung für Deutschlands Energiezukunft könnte also lauten: Batterien und Gaskraftwerke bauen. Damit riskiert die Bundesrepublik Doppelkapazitäten. Aber das Licht bleibt in Häusern und Fabriken am sichersten an.

Mischlösung am wahrscheinlichsten

Vieles spricht derzeit dafür, dass Deutschland diese dritte Lösung, die Mischlösung, wählt.

Die Unternehmensberatung Roland Berger errechnete im Auftrag des Energiedienstleisters Enpal, dass dezentrale Energielösungen wie Batteriespeicher und Erneuerbare über die kommenden 20 Jahre rund 185 bis 255 Milliarden Euro im Vergleich zu Gaskraftwerken einsparen. Verbraucher sparten dadurch die Hälfte ihrer Energiekosten, im Schnitt rund 1200 Euro im Jahr.

Dezentrale Energielösungen seien wegen ihren intelligenten Steuerungsmöglichkeiten auch "unumgänglich zur Sicherstellung der künftigen Versorgungssicherheit in Deutschland"; schaffen 100.000 neue Arbeitsplätze und senkten die Netzausbaukosten um die Hälfte. 20 Firmen von VW bis Vonovia unterstützten die Studie. 

Studie: Günstiges Stromnetz braucht auch Gaskraftwerke

Ein möglichst günstiges Stromnetz brauche auch Gaskraftwerke, schreiben die Autoren weiter. Wohl nicht im Ausmaß, das Reiche plant. Aber es brauche sie.

Eine Debatte um Gaskraft oder Speicher verfehle das Ziel, sagt daher Benjamin Merle-Oberheide, Strategiechef und CPO bei Enpal: "Entscheidend ist, welche Lösungen mit geringstem Aufwand den größten Nutzen bringen." Speicher und Solar seien die tief hängenden Früchte. 

Giovanni Palazzo, CEO von Volkswagen Group Charging (Elli), sagt, Deutschland müsse dezentrale Ansätze "erst vollständig nutzen, bevor wir zu viele Investitionen in zentrale Gaskraftwerke tätigen".

Eine Mischlösung strebt derweil auch Reiche an. Am Ziel, bis ins Jahr 2030 mindestens 80 Prozent des deutschen Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien zu decken, hält die Ministerin fest. Ob das Land dazu 20 Gigawatt Leistung aus Gaskraftwerken braucht oder weniger, werden die kommenden Jahre zeigen.

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