Gefahr von Brownouts - Eine Lösung verhindert Stromausfälle – doch wir bekommen sie nicht ans Netz

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    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Getty Images Schlimmstenfalls müssen Stromanbieter in Zeiten mit wenig Stromproduktion einigen Gegenden den Strom abstellen. Große Batteriespeicheranlagen können die Gefahr lindern. Doch das Netz muss sie erst einmal geladen bekommen.
Donnerstag, 05.12.2024, 08:30

Erneuerbare Energien liefern in Dunkelflauten kaum Strom. Große Batteriespeicher könnten Abhilfe schaffen. Unternehmen wollen die Anlagen auch bauen. Doch die Netzbetreiber lassen sie nur sehr schleppend ans Netz. Dadurch bleibt die Brownout-Gefahr.

In der Nähe von Lüneburg baut der Hamburger Investor Aquila Clean Energy eine Batterieanlage, die bis zu 112 Megawattstunden Strom speichern soll. Sie kann 135.000 Haushalte zwei Stunden lang mit Strom versorgen. Sie ist so groß wie zwei Fußballfelder – und bleibt doch ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Anlage bei Lüneburg zeigt ein Grundproblem des deutschen Stromnetzes. Dieses benötigt viele ähnliche Speicheranlagen. Unternehmen wollen die Anlagen sogar bauen, doch sie bekommen sie nur schwer ans Netz. Die Lüneburger Anlage soll 2026 in Betrieb gehen. Doch viele Pläne dauern länger, stocken oder scheitern ganz.

In Belgien betreibt Aquila Clean Energy bereits einen Batteriespeicher mit 100 MWh Speicherkapazität - ähnlich der Anlage bei Lüneburg. Das Bild verdeutlicht die Größe der Speicher. Meist umfassen sie eine Fläche von rund zwei Fußballfeldern.
Aquila Clean Energy In Belgien betreibt Aquila Clean Energy bereits einen Batteriespeicher mit 100 MWh Speicherkapazität - ähnlich der Anlage bei Lüneburg. Das Bild verdeutlicht die Größe der Speicher. Meist umfassen sie eine Fläche von rund zwei Fußballfeldern.

Geladene Batteriespeicher senken Blackout-Gefahr

Batteriespeicher wie in Lüneburg verbreiten Hoffnung und Sorgen zugleich. Sie schaffen Hoffnung, weil sie, einmal geladen, das Netz stützen. Liefern die Erneuerbaren Energien gerade wenig Strom, springen Batterien zuverlässig ein. Egal ob die Sonne scheint und der Wind weht. So beugen sie Brownouts und Blackouts vor.

Derartige Sicherheiten braucht das Netz. In der Dunkelflaute Anfang November erzeugte die Bundesrepublik rund ein Fünftel weniger Strom als sie verbrauchte. Den Rest kaufte sie aus dem Ausland. RWE-Chef Markus Krebber warnte daraufhin, dass auch der zu dieser Zeit verhältnismäßig niedrige Stromverbrauch das Netz entlastete. Deutschland brauche dringend mehr verlässliche Leistung, um auch in Zeiten höheren Verbrauchs bei Dunkelflauten eine stabile Stromversorgung zu garantieren.

Batterien könnten dabei helfen. Wie immer steckt der Teufel aber im Detail.

Ladende Batteriespeicher können das Netz belasten und entlasten

Bevor geladene Batterien das Netz entlasten, müssen sie geladen werden. Die Anlage in Lüneburg füllt ihre Speicher in zwei Stunden. Auch beim Laden können Batterien das Netz entlasten. Der Solar-Boom führt bei viel Sonne und Wind zur Mittagszeit gelegentlich zu negativen Strompreisen. Die Netzanbieter wissen nicht mehr, wohin mit dem vielen Strom. Die negativen Preise sorgen dafür, dass Erzeuger ihre Anlagen abstellen, bevor das Netz zusammenbricht.

Batteriespeicher könnten in dieser Zeit helfen. Sie nehmen den überschüssigen Strom ab und entlasten das Netz. Dadurch verringern sie auch während dieser Zeit die Gefahr von Netzabschaltungen, die einige Experten in diesen Phasen sehen.

Stimmt nur teils, meinen die Netzbetreiber. Batterien entlasten das Netz nur, wenn sie netzdienlich eingesetzt werden. Die Betreiber der Speicher wollen aber Geld verdienen. Sie laden ihre Anlagen also nicht nur, wenn zu viel Strom ins Netz fließt. Sie laden sie, wenn es preislich Sinn ergibt. Manchmal belasten sie das Netz dabei wohl zusätzlich. Dann erhöhen sie die Chance auf einen Brownout.

Zwar steigen meist auch die Strompreise, wenn die Leistung knapp wird. Dann macht es finanziell eigentlich wenig Sinn, Batterien zu laden. Erwartet ein Hersteller für die folgenden Stunden aber weiter steigende Preise, lohnt es sich für ihn vielleicht doch. Die Netzbetreiber scheuen offenbar dieses Risiko.

Henne-Ei-Problem

Das Stromnetz leidet also an einem Henne-Ei-Problem: Geladene Batterien verbessern die Stabilität. Aber das Netz kann die Batterien nicht immer laden.

Die Netzanbieter erlauben daher weniger neue Netzanschlüsse für Batterien als Unternehmen nachfragen. Immer mehr Anfragen würden ganz abgewiesen, berichten Branchenvertreter übereinstimmend. Bei denen, die genehmigt werden, sprechen Marktteilnehmer laut FAZ von Wartezeiten von bis zu acht Jahren. Die nächste Dunkelflaute dürfte vorher eintreten.

„Die Netzbetreiber behindern faktisch den Speicherausbau“, bemängelt daher Urban Windelen, Geschäftsführer des Branchenverbandes BVES, gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Die stufen Speicher immer noch als potenzielle Bedrohung für die Netzstabilität ein und nicht als Helfer bei Engpässen.“

 
 
 

Das Stabilitätsproblem verringern Batteriegroßspeicher dadurch nur langsam.

Batteriespeicher: Ein „Tsunami“ neuer Anfragen

Die Nachfrage nach Großspeichern ist dabei riesig, wie Daten des Energie-Fachportals Montel News zeigen. Demnach haben Unternehmen bei den Übertragungsnetz-Betreibern Netzanschlüsse für Batteriespeicher mit einer Leistung von 161 Gigawatt beantragt. Das entspricht mehr als dem Hundertfachen der derzeitigen Leistung von 1,4 Gigawatt. Thomas Dederichs, Leiter Strategie und Energiepolitik beim Übertragungsnetzbetreiber Amprion, spricht von einem „Tsunami an Anschlussbegehren”.

 
 
 

Zwar führen laut Experten längst nicht alle Anfragen zu tatsächlichen Projekten. Der Netzentwicklungsplan von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plant bis 2045 aber mit 43 bis 54 Gigawatt Leistung von Großspeichern.

Selbst wenn die Anfragenden nur jedes dritte beantragte Projekt umsetzen, überträfen sie den Höchstwert dieses Plans wohl schon vor 2037. Setzen sie mehr um, was wahrscheinlich scheint, überschreiten sie ihn deutlich. Die Rohstoffe dafür seien vorhanden, sagen Hersteller. Auch, weil sie gebrauchte Batterien aus Elektroautos verwenden wollen.

Gleichzeitig erklären diese Zahlen, wieso die Netzanbieter bei den Anschlüssen bremsen. Belasten Batterien das Netz zu ungünstigen Zeiten, könnten sie enorme Mengen Energie ziehen. Zum Vergleich: Anfang November verbrauchte die Bundesrepublik 66 Gigawatt. 161 Gigawatt beantragte Batterieleistung könnten, wenn sie nicht netzdienlich eingesetzt werden, diesen Wert deutlich erhöhen. 

Das Stromnetz braucht mehr Geschwindigkeit bei Anschlüssen

Wieso Deutschland eine Lösung beim Batteriebau braucht, zeigt eine Studie des Fraunhofer ISE Instituts in Freiburg. Demnach benötigt die Bundesrepublik bis ins Jahr 2030 100 Gigawattstunden Stromspeicher. Nehmen wir an, dass alle Speicher ihre Leistung für zwei Stunden halten können, wie die Anlage in Lüneburg, müsste sie innerhalb der kommenden sechs Jahre knapp ein Drittel der beantragten Projekte genehmigen, bauen und anschließen: Bringt sie eine Leistung von 50 Gigawattstunden Leistung für zwei Stunden ans Netz, entspricht das 100 Gigawattstunden.

Bis ins Jahr 2045 braucht das Stromnetz laut der Studie sogar Speicher in Höhe von bis zu 600 Gigawattstunden. Derzeit verfügt es über weniger als 15 Gigawattstunden. Die Lücke müssen Großspeichern nicht allein schließen. Industrielle Speicher, Hausspeicher und als Speicher genutzte E-Auto-Batterien helfen auch. Doch kein Einfamilienhaus baut sich eine Gigawatt-Batterie in den Keller. Diese Mengen bewältigen nur Großanlagen.

Deutschland braucht also einen Batterie-Boom. Der scheint allerdings gar nicht unwahrscheinlich.

Batteriespeicher machen den Nachteil erneuerbarer Energien zum Vorteil

Vieles spricht dafür, dass der Batterieboom anhält: Die Schwankungen erneuerbarer Energien, eigentlich ein Nachteil für die Versorgungssicherheit, entwickeln sich zum Vorteil für Batteriespeicher.

Speisen die Erneuerbaren besonders viel Leistung ins Netz, sinken die Strompreise. Schlimmstenfalls schalten Erzeuger Anlagen ab, um das Netz zu schonen. Betreiber von Batteriespeichern kaufen den Strom zu günstigen Zeiten ein und verkaufen ihn zu Hochpreisen.

Während der teuersten Stunde eines Tages kostete Strom in diesem Jahr durchschnittlich 117 Euro pro Megawattstunde mehr als während der günstigsten, hat Montel errechnet. Zum günstigen Zeitpunkt einzukaufen und zum teuren zu verkaufen, liefert ein sicheres Geschäftsmodell. Unternehmen holen ihre Anfangskosten innerhalb eines Jahres wieder herein. Der Betrieb der Batteriespeicher kostet wenig. Das lohnt sich.

Gleichzeitig entlasten die Speicher die Netze und helfen Energieerzeugern, Kraftwerke seltener abstellen zu müssen. Ein Gewinn für alle, der die Energiewende ganz ohne staatliche Förderung vorantreibt, meint Lars Stephan. Er arbeitet bei Fluence, einem von Siemens und AES gegründeten Batteriespeicher-Hersteller. Stephan verweist auf eine Studie, nach der 15 Gigawatt Batterieleistung neun Gigawatt an neuen Gaskraftwerken ersetzen. Botschaft: Der Speicher-Boom könnte Neubauten überflüssig machen.

Damit er so kommt, dass Netzbetreiber und die Firmen hinter Batterieanlagen mit ihm zufrieden sind, braucht Deutschland aber eine Lösung, die beide Seiten befriedigt. Dabei dürfte auch die Bundesregierung gefragt sein. Doch die muss erst mal neu gewählt werden.

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