„DNR“: Die drei Buchstaben sind auf Brigitte Sageders Dekolleté zu lesen Sie stehen für „Do Not Resuscitate“ – nicht wiederbeleben. Rechtlich bindend ist das zwar nicht, aber ein deutliches Signal.
Hallbergmoos – Brigitte Sageder (69) hat für den Notfall vorgesorgt. Die pensionierte Leiterin des Hallbergmooser Seniorenzentrums möchte im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstands nicht wiederbelebt werden. Falls sie bewusstlos wird und und irgendwo aufgefunden wird, soll ihr Wille sofort für jeden erkennbar sein. Deshalb trägt sie ein besonderes Tattoo.
Vorgesorgt für den Ernstfall
Die Entscheidung dafür traf Sageder vor fünf Jahren beim Übergang in die Rente. „Wenn man sich im Bekanntenkreis umschaut: Es passiert schnell mal etwas: ein Herzinfarkt, ein Schlaganfall.“ Sie betont: „Für den Fall der Fälle habe ich alles selbst geregelt – und meine Kinder stehen nicht vor schwierigen Entscheidungen.“
Allerdings gilt die Tätowierung in Deutschland nicht als rechtsverbindliche Patientenverfügung. Ärzte müssen den Willen unter der Haut im Zweifelsfall nicht befolgen. Ohne unterschriebene Verfügung sind sie sogar verpflichtet, alle nötigen Wiederbelebungsmaßnahmen zu ergreifen.
Strenge Anforderungen des deutschen Rechts
Der Grund liegt in den strengen Anforderungen des deutschen Rechts. Eine Patientenverfügung als Tattoo kann aufgrund der Erschwerung des Widerrufs rechtlich nicht als wirksam eingestuft werden. Das Gebot der Schriftform bedeutet, dass eine Patientenverfügung als Tattoo nur Bestand haben kann, wenn zumindest die Unterschrift vom Errichtenden selbst tätowiert wird.
Sageder weiß um diese rechtlichen Hürden. „Das mag sein. Aber mein Tattoo ist ein sichtbares Zeichen meines Willens. Jeder Sanitäter, jeder Arzt weiß, wofür DNR steht.“ Nämlich für „Do Not Resuscitate“, wörtlich „Nicht wiederbeleben“. Zusätzlich hat sie in ihrer Geldbörse einen Hinweis auf ihre detaillierte Patientenverfügung, die Telefonnummer ihrer Tochter – und ihren Ausweis der Pathologie.
Zweites Tattoo: „Körperspende“
Denn unter dem DNR-Schriftzug trägt Sageder ein zweites Tattoo: das Wort „Körperspende“. Mit dem Gedanken, ihren Körper nach ihrem Tod zu spenden, beschäftigt sie sich schon seit 1974. Während ihrer Ausbildung zur Krankenschwester besichtigte sie die Pathologie in Augsburg und sah bei einer Sektion zu. „Schon damals konnte man seinen Körper einem pathologischen Institut für die Ausbildung von Medizinstudenten zur Verfügung stellen. Im Anschluss wird man anonym beigesetzt. Das ist günstiger als jede Beerdigung.“ Ihren Tätowierer wollte sie sogar noch überreden, ihr auch die Telefonnummer des Pathologischen Instituts in München zu stechen. „Aber da hat er sich geweigert“, schmunzelt sie.
Sageder hat sich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt, doch ihre Familie brauchte Zeit, um die Entscheidung zu akzeptieren. „Im ersten Moment haben beide Kinder geschluckt“, erinnert sich die 69-Jährige. Während ihre Tochter die Entscheidung dann schnell respektiert habe, habe ihr Sohn Probleme damit gehabt. Seine Sorge: Er könnte keinen Ort zum Trauern haben. „Ich habe zu ihm gesagt: Wenn du an mich denken willst, dann kannst du das an jedem Ort tun. Du musst dafür nicht auf den Friedhof rennen.“
Wenn du an mich denken willst, dann kannst du das an jedem Ort tun. Du musst dafür nicht auf den Friedhof rennen.
Das Tattoo löst im Bekanntenkreis regelmäßig Diskussionen aus. Das sei gut so, findet Sageder: „Man setzt sich mit dem Thema Sterben auseinander.“ Die meisten Reaktionen seien positiv. „Viele Leute finden es genial, dass man klar zu seiner Meinung steht. Was nicht unbedingt heißt, dass sie es selbst machen würden.“ Aber eine Freundin trage sich sogar mit dem Gedanken, sich ebenfalls ein DNR-Tattoo stechen zu lassen.
Sageder betont: „Ich bin gesund und denke nicht ans Sterben.“ Aber sie will vorbereitet sein. „Wenn die Zeit gekommen ist, dann ist sie gekommen – und dann sollen sie mich gehen lassen.“ Die Tätowierung mag rechtlich nicht bindend sein, aber sie zeigt: Brigitte Sageder möchte über ihr Lebensende selbst bestimmen. Und sie stößt damit eine wichtige Debatte über Sterben und Selbstbestimmung an.