Urteilsbegründung: Genickschlag für Startbahngegner

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18 000 Startbahngegner demonstrierten schon im Jahr 2007 gegen den Bau des Großprojekts am Flughafen. Ein Ende des Abwehrkampfs ist weiterhin nicht in Sicht. © Archiv

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Begründungen für sein Urteil vom 30. Juli versandt. Doch was bei den Klägern gegen das sogenannte „ewige Baurecht“ für die 3. Startbahn Fragen beantworten sollte, wirft noch mehr Fragen auf. Jetzt prüft man weitere juristische Schritte.

Landkreis Freising – Das VGH-Urteil, der Planfeststellungsbeschluss für die 3. Startbahn laufe nicht nach zehn Jahren aus, sondern gelte weiterhin, weil mit Projekten aus diesem Beschluss bereits begonnen worden sei, hat am 30. Juli die Startbahngegner enttäuscht und erschüttert (wir haben mehrfach berichtet). Jetzt hat das Gericht die Begründung nachgeliefert.

Die Argumente des VGH sind folgende: Der Feststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern, der Planfeststellungsbeschluss laufe nicht zum März 2026 aus, sondern gelte weiter, weil die FMG schon mit der Umsetzung von Maßnahmen aus dem Planfeststellungsbeschluss begonnen habe, „leidet an keinen durchgreifenden formellen Mängeln“. Der Erwerb von 70 Hektar Grund durch die FMG, den man für die Startbahn benötige (von insgesamt rund 300 Hektar), habe „mehr als nur geringfügige Bedeutung“ für das Vorhaben, so die Begründung des VGH weiter. Auch die durchgeführten Baumaßnahmen „stellen bei einer Gesamtbetrachtung einen Vorhabenbeginn dar“. Denn der Betrieb einer 3. Startbahn sei ohne die getätigten Straßenbaumaßnahmen und ein Vorfeld nicht möglich, das wiederum nur realisierbar sei, weil die S-Bahn-Strecke als Tunnel unter dem geplanten Vorfeld errichtet worden sei. Und: „Angesichts der bisherigen Ausgaben in Höhe von 270 Millionen Euro für die Baumaßnahmen seien diese ebenfalls nicht unerheblich.“ Das alles, so Freisings Landrat Helmut Petz, seien juristische Fragen, die man so sehen könne wie das VGH oder so wie die Kläger.

Und dann kommt ein Abschnitt in der Pressemitteilung des VGH, der vor allem den Landtagsabgeordneten der Grünen, Johannes Becher, fassungslos macht: „Politische Erklärungen gegen den Bau der 3. Start- und Landebahn stünden der Plandurchführung nicht entgegen“, heißt es in der VGH-Mitteilung. „Denn maßgeblich sei allein die Willensbildung der aus Bundesrepublik Deutschland, Freistaat Bayern und Landeshauptstadt München bestehenden Gesellschafterversammlung der FMG.“ Und weiter: „Diese habe im September 2011 einstimmig einer zügigen Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses zugestimmt.“

Das freilich war vor dem Münchner Bürgerentscheid im Jahr 2012. Nach dem Bürgerentscheid habe die Gesellschafterversammlung am 5. Juli 2012 einen Antrag der Landeshauptstadt München auf Einstellung des Baus der Startbahn abgelehnt. Fazit: Der Gesellschafterbeschluss von 2011 gelte weiterhin, decke die Aktivitäten der FMG ab. Das erschüttert Becher: „Dass politische Erklärungen keine Bedeutung haben – das ist ein bitterer Satz.“ Wenn es einen Bürgerentscheid gebe, und wenn es klare Aussagen von führenden Politikern gebe, dann müsse denen Bedeutung beigemessen werden, spielt Becher auch auf das seit 2018 im Koalitionsvertrag von CSU und FW festgeschriebene Moratorium an. Becher kritisiert, dass dieses Moratorium nicht in einem Gesellschafterbeschluss festgezurrt worden sei, was jetzt unbedingt nachgeholt werden solle, wenn es CSU und FW ernst sei mit ihren Aussagen. „Oder es stellt sich eben heraus, dass die Öffentlichkeit belogen wurde.“  

Um diese beiden (und womöglich andere) Gesellschafterbeschlüsse aus den Jahren 2011 und 2012 geht es auch dem Landkreis Freising und anderen Klägern (Stadt Freising, Gemeinde Berglern und private Kläger), wie aus einer gemeinsamen Stellungnahme aus dem Landratsamt zu den VGH-Begründungen klar wird: Zum einen zeigt man sich „nach wie vor in besonderem Maße irritiert, dass die FMG nach Auffassung des VGH mit der Durchführung des Plans begonnen haben soll, obwohl dem der Bürgerentscheid der Landeshauptstadt München vom 17. Juni 2012 entgegenstand“. Hierzu vertrete der VGH die Auffassung, dass der  Wille der FMG allein durch entsprechende Beschlussfassung ihrer Gesellschafterversammlung und nicht durch einzelne Gesellschafter maßgeblich sei.  

Zum anderen habe die FMG im Laufe des Gerichtsverfahrens verneint, dass man für die bisherigen Baumaßnahmen überhaupt Gesellschafterbeschlüsse gebraucht habe, dann auf Forderung des VGH aber doch erst „irrelevante“ und dann in wesentlichen Teilen geschwärzte Papiere vorgelegt. Beispielsweise habe der Satz, die Gesellschafterversammlung habe den Antrag Münchens, den Bau einzustellen, abgelehnt, „mittendrin nach einem Komma“ aufgehört, beschreibt es Landrat Helmut Petz. Dass die FMG alle Unterlagen ungeschwärzt vorlegen solle, wie von Klägerseite gefordert, sieht nun der VGH nicht so. Oder, wie es in der Pressemitteilung aus dem Landratsamt heißt: „Der VGH sah sich auch nicht verpflichtet, zur Aufklärung der Beschlusslage der Gesellschafterversammlung die von der FMG in der mündlichen Verhandlung überwiegend geschwärzt vorgelegten Unterlagen in ungeschwärzter Fassung beizuziehen und zur Grundlage der Verhandlung zu machen, wie dies die Kläger beantragt hatten.“ Für die Frage, ob man gegen die Nichtzulassung beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einlegen soll, sei diese Haltung des VGH auf jeden Fall zu prüfen, lautet nun die Marschroute der Kläger.

Ebenfalls zu prüfen sei, dass der VGH einer maßgeblichen Argumentation der Kläger – es handele sich um mehrere, selbstständig voneinander abtrennbare, unabhängige Anlagen eines Gesamtvorhabens – nicht gefolgt ist: Laut Gericht seien mit dem Planfeststellungsbeschluss  keine Einzelvorhaben  festgestellt worden, sondern eine Gesamtplanung. Zur Erinnerung: Selbst die FMG hatte beim Bau des S-Bahn-Tunnels darauf Wert gelegt, dass dieses Projekt in keinem Zusammenhang mit der Startbahn stehe. So geht’s nun weiter: Die Beschwerde, dass eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen wurde, muss innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung eingelegt und innerhalb von zwei Monaten begründet werden.

Johannes Becher, der nach wie vor davon ausgeht, dass für den eigentlichen Bau der Startbahn ein einstimmiger Beschluss der Gesellschafterversammlung notwendig ist, erinnert an die Kommunalwahl 2026 – auch in München. Bisher habe nämlich der Münchner Bürgerentscheid und das Festhalten der Münchner Stadtspitze daran die Region vor diesem Beschluss bewahrt. Die in der VGH-Begründung erwähnten „objektiven Umstände“, unter denen es zu einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses kommen könne, seien beispielsweise entsprechende Beschlüsse und Aussagen, man verabschiede sich vom Bau der 3. Startbahn. Das freilich, so Becher, liege in der Macht der CSU. Und darauf spielt auch Landrat Helmut Petz gegenüber dem FT an: „In jedem Fall werden wir den politischen Abwehrkampf fortsetzen, mit dem wir bisher erfolgreich waren.“   

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