„Das Projekt ist tot“

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Privilegiert für Freiflächen-Photovoltaikanlagen sind 186 Hektar entlang der Autobahn. Nach der Studie müsste nicht einmal ein Drittel davon genutzt werden, um die Ziele des Energienutzungsplans zu erreichen. ©  IFE / Stadt Dorfen
Das Kataster zeigt genau, wo in Dorfen Wärme benötigt wird.
Das Kataster zeigt, wo in Dorfen Wärme benötigt wird. ©  IFE / Stadt Dorfen

Dorfen - Es gibt einen Rückschlag für die Stadtwerke. Ein neuer Energienutzungsplan zeigt neue Potenziale auf.

Es ruckelt bei der Energiewende – auch in Dorfen. Die Stadtwerke bauen nun doch kein Nahwärmenetz in Oberdorfen. Zu viele Interessenten sind abgesprungen. „Wir hätten hier gerne vier Millionen Euro investiert und ein eigenes Wärmenetz gebaut“, berichtet Geschäftsführer Klaus Steiner im Gespräch mit der Heimatzeitung. Doch nach dem Jahreswechsel wurden die betroffenen Bürger über das Aus informiert. „Für uns ist das erst mal erledigt.“

„Das war letztes Jahr alles ganz euphorisch“, erzählt Steiner. Dann kamen aber die Preisexplosionen. „Die Kosten für den Leitungsausbau haben sich vervierfacht.“ Ein Riesenproblem sei auch die schlechte Kommunikation des Gebäudeenergiegesetzes und die folgende politische Debatte gewesen. „Viele Menschen haben sich dann last minute eine Gasheizung aufschwatzen lassen oder haben Biomasseheizungen gebaut. Damit war das Projekt tot“, klagt der Energiemanager.

Preisexplosionen sind das eine, doch die gesellschaftliche Stimmung beim Thema Energie macht Steiner Sorge. „Das, was uns nach vorne bringt, ist der Ausbau der Erneuerbaueren.“ Diese Transformation sei unumgänglich, Ohne Freiflächen-Photovoltaikanlagen und Windräder drehe sich da nichts.

Der ablehnende Bürgerentscheid in Mehring zu zehn Windrädern mitten in Bayerns Chemiedreieck entlockt Steiner ein tiefes Seufzen. „Die Leute haben vergessen, dass der Wohlstand nicht zum Nulltarif zu haben ist.“ Denn gerade in diesem Industriegebiet im Südosten werde viel Energie gebraucht, solche Infrastrukturprojekte seien da essenziell. „Uns ist anscheinend die Fähigkeit zur Solidarität abhanden gekommen“, urteilt Steiner.

Für Dorfen blickt er optimistischer in die Zukunft. Der nun vorliegende Energienutzungsplan enthält neben großen Herausforderungen einige positive Botschaften. Das Institut für Energietechnik (IfE) an der TH Amberg-Weiden hat ihn im Auftrag der Stadt Dorfen erarbeitet – und mittlerweile dem Umweltausschuss präsentiert.

„Bei Aufdach-Photovoltaikanlagen sind wir gar nicht so schlecht“, sagt Steiner beim Blick auf die Studie. Das IfE analysiert darin die Potenziale für 2040 – das Jahr, in dem der Freistaat sein soll. Nach dem Energienutzungspan könnten in Dorfen dann 28 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom auf den Dächern produziert werden. Bereits heute installiert sind Anlagen mit einem Output von 16,6 Millionen kWh. „Dorfen weist einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Aufdach-PV-Anlagen auf“, urteilt das IfE.

Freiflächen-Photovoltaik–anlagen haben auf dem riesigen Gemeindegebiet von Dorfen ein noch größeres Potenzial. Das IfE sieht für 2040 eine Produktion von 56 Millionen kWh als möglich an. Bisher sind es 600 000 kWh – aber mit Tendenz steil nach oben. Bereits jetzt würden Anträge für Anlagen vorliegen, die 30 Millionen kWh produzieren könnten. „Da ist der Weg nicht mehr so weit“, berichtet Steiner.

Im IfE-Szenario für 2040 müssten in Dorfen dafür 0,75 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche genutzt werden, also 56 Hektar. Alleine die für diese Zwecke privilegierten Areale entlang der Autobahn sind im Dorfener Gäu 186 Hektar groß. „Das entlarvt doch viele Diskussionen darüber als reine Scheindebatten“, folgert Steiner.

Entscheidend sei nun aber der Ausbau der Umspannstation in Unterstollnkirchen. Denn der in Dorfen erzeugte Strom muss größtenteils ins Leitungsnetz eingespeist werden, dafür reichen die Kapazitäten in Unterstollnkirchen aktuell nicht. „Das ist gerade der Flaschenhals.“ Einspeisezusagen für Anlagen mit einer Leistung größer als 100 kW Peak seien deswegen momentan nicht möglich. Um das zu ändern, seien die Stadtwerke in intensiven Gesprächen mit dem Netzbetreiber, den Bayernwerken. Es werde wohl zwei bis drei Jahre dauern, bis der Ausbau umgesetzt wird, so Steiner.

Zurück zur Wärmewende, die nun in Oberdorfen einen so herben Rückschlag erlitten hat. Bis spätestens 30. Juni 2028 muss die Stadt einen Kommunalen Wärmeplan aufgelegt haben. Die Ergebnisse des IfE darauf zu übertragen, sei nun „die nächste große Hausaufgabe für Dorfen“, meint Steiner.

Nach Zahlen aus dem Jahr 2021 wurde ein gutes Drittel der Wärme in Dorfen aus Erdgas gewonnen, knapp gefolgt von Holz. Das Institut hat ein gebäudescharfes Gebäudekataster erstellt, das als Basis für die Wärmeplanung – und damit auch für das Wärmenetz – dienen kann.

Einige Hoffnung setzt Steiner hier übrigens auch auf Tiefengeothermie. Der Bereich gilt als gut geeignet dafür. Nach Anregung aus dem Dorfener Umweltausschuss wird das IfE diesen Aspekt noch einarbeiten.

Steiners Bilanz zum Energienutzungsplan: „Man sieht schon, dass hier enorme Dinge passieren. Energiewende ist auch bei uns machbar und wir können sogar Strom exportieren.“ Und das werde auch nötig werden. „Uns zu 100 Prozent selbst zu versorgen, kriegen wir bilanziell sogar hin, ohne dass ein einziges Windrad gebaut wird.“ Das könnten urbane Räume nicht von sich sagen. Sie würden in Zukunft auf Erneuerbare Energie aus dem ländlichen Raum angewiesen sein, prognostiziert Steiner, der ehrenamtlich auch Verbandsvorsitzender der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft ist.

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