Ein Routineeinsatz zur Oktoberfestzeit nahm für zwei Polizisten ein ungewöhnliches Nachspiel. Vor dem Weilheimer Amtsgericht wurde ihnen „Strafvereitelung im Amt“ vorgeworfen.
Weilheim – Das Unverständnis war den beiden Beamten beim Betreten des Sitzungssaals deutlich anzusehen. Laut Anklage sollen sie ihrer Dienstpflicht nicht nachgekommen sein und einem Mann in Not die Hilfe verweigert haben. Kopfschüttelnd nahmen die beiden auf der Anklagebank Platz.
Er war im September 2022, kurz vor Mitternacht, als Unterstützung zum Weilheimer Bahnhof gerufen worden, erklärte einer der beiden 34-jährigen Polizisten. Kurz nachdem er seinen Kollegen vor der Bahnhofshalle begrüßt hatte, sei dieser von einem alkoholisierten Passanten in Tracht, einem 29-jährigen Mann aus Biessenhofen, angesprochen worden. „Einer sichert, der andere nimmt den Sachverhalt auf“, erklärte er ihr Vorgehen – das sei Routine. Die Stimmung habe sich aber in den folgenden Minuten immer weiter aufgeheizt und sei beinahe in ein Geschrei ausgeartet.
Mann habe keinen Abstand gehalten
Sein Kollege gab an, bei der Ansprache durch den Passanten „ziemlich irritiert“ gewesen zu sein. Mit Worten wie „Alter“ und „Digger“ würde man ihn normalerweise nicht um Hilfe bitten. Anschließend sei der Mann „wie Rumpelstilzchen vor mir rumgesprungen“, berichtete er. „Die wollen mir aufs Maul hauen“, zitierte er den Oktoberfestbesucher.
Allerdings sei nicht wirklich klar geworden, wen er dabei gemeint hatte. „Wer sind denn die?“, habe er ihn gefragt, aber „kein weiteres vernünftiges Wort“ aus ihm herausbekommen. Der Mann habe auch keinen Abstand eingehalten. „Ich hatte schon Bedenken, dass es in etwas Körperlichem mündet“, teilte der Polizist mit. Vielleicht sei er ja wirklich bedroht worden – „so kann ich aber nicht mit ihm arbeiten“, sagte der Beamte.
Der Mann habe anschließend unbedingt das polizeiliche Diensthandy nutzen wollen. „Sicher nicht“, will der Polizist entgegnet und ihm stattdessen angeboten haben, mit auf die Dienststelle am Bahnhof zu kommen. Dort hätte er dann telefonieren können.
„Dumm angemacht, gepackt und gewatscht“
Auf den Vorschlag sei dieser aber gar nicht erst eingegangen. „Ich habe ihn zu keinem Zeitpunkt weggeschickt“, beteuerte der Polizist. Manche Zeugenaussagen seien „an Absurdität nicht zu überbieten“. Der Mann „hat sich um’s Verrecken nicht helfen lassen“, ergänzte er und gab an, dass sich der ominöse Geschädigte – um sein Problem selbst „irgendwie zu regeln“ – bald darauf entfernt habe. Bevor er mit dem Taxi verschwunden war, hätte er sich noch das Handy eines Mädchens geliehen.
Der Geschädigte teilte mit, im Zug aus München „dumm angemacht, gepackt und gewatscht“ worden zu sein. Die Kontrahenten hätten angekündigt, ihn am Bahnhof umbringen zu wollen. Seine Notsituation hätte die Beamten überraschenderweise jedoch kaltgelassen. „Die Polizei ist doch da, um zu helfen“, zeigte er sich irritiert. Seiner Ansicht nach – er gestand, sich nicht mehr an alles zu erinnern – sei die Situation ruhig verlaufen. Als er sich von den Beamten, die er vor Gericht nicht wiedererkannte, abgewandt hatte, habe er ein Mädchen um ihr Telefon gebeten.
Der sonderbare Vorfall sei für ihn am nächsten Tag eigentlich „gegessen gewesen“. Erst durch die 19-Jährige und ihre Freundin, die dem 29-Jährigen ihr Handy zur Verfügung gestellt hatten, war letztlich ein Strafverfahren eingeleitet worden. Die beiden hatten die Situation laut eigener Aussage weitestgehend beobachtet und seien „entsetzt“ gewesen, weshalb sie die Polizisten anschließend auch gefragt hatten, warum sie dem Mann trotz seines Flehens nicht haben helfen wollen.
Meine news
Vor Unbekannten zur Polizei geflohen
Zwei weitere Polizisten, die zum Teil erst später hinzugestoßen waren und die Situation nur am Rande miterlebt hatten, stützten die Aussagen ihrer Kollegen weitestgehend.
Im Detail machten es „sehr viele Ungereimtheiten“ den Verfahrensbeteiligten nicht leicht. Dass selbst der Staatsanwalt letztlich einen Freispruch forderte, lag an dem fehlenden Nachweis einer Bedrohungssituation. Der Geschädigte habe wohl nicht genug kundgetan, dass er eine Strafanzeige stellen wollte.
Die beiden Verteidiger schlossen sich seinen Ausführungen an. Die Aussagen „kriegen wir nicht unter einen Hut“, fasste es einer der Anwälte zusammen. „Mit Restzweifel kann man nicht verurteilen“, sagte auch Richterin Isabelle von Heydebrand und fand gleichzeitig lobende Worte für die beiden jungen Zeuginnen, die trotz allem einen überzeugenden Eindruck hinterlassen hätten. Nach vierstündiger Verhandlung endete der „persönliche Albtraum“ der Polizisten in einem Freispruch.