Mit einem Zeitzeugen in die Vergangenheit: Hans Zapf führt im Peißenberger Bergbaumuseum unter Tage

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Mit seiner Besuchergruppe besichtigt Hans Zapf den Erlebnisstollen im Peißenberger Bergwerk. © Ralf Ruder

Vor über 50 Jahren fand die Ära des schwarzen Goldes in Peißenberg ein rapides Ende. Von den Geschehnissen unter Tage können nurmehr wenige Zeitzeugen berichten. Hans Zapf ist einer davon.

Peißenberg – Es dämmert, doch im Bergbaumuseum brennt ungewöhnlicherweise noch Licht. Selbst der alte Tiefstollen macht einen belebten Eindruck. Als warte es nur sehnsüchtig darauf, seine Pflicht zu verrichten, steht sogar das „Bockerl“ mit zahlreichen Waggons am hell erleuchteten Eingangsportal bereit. Zusehends mehr Menschen verschwinden im Inneren des Museums – unter ihnen ein Mann in Bergmannstracht. Dem Kundigen geht nun bald ein Licht auf: Hans Zapf gibt sich wieder einmal die Ehre und führt durch seine heiligen Hallen.

Im Eingangsbereich wimmelt es von Menschen. Jung und alt wartet dicht gedrängt auf die beiden Museumsführer. 85 Jahre ist er bereits alt, der „Zapf Hans“, und noch immer nicht müde, den Folgegenerationen von seiner ehemaligen Arbeitsstelle zu berichten. Als er – den Helm bereits auf dem Kopf – das Gebäude betritt, erweckt es fast den Anschein, als wolle er heute noch einmal pünktlich zu Schichtbeginn in den altehrwürdigen Zieglmeierschacht einfahren. Ganz wie in alten Zeiten.

Hans Zapf kann noch hautnah von den Erlebnissen unter Tage berichten

Dass die Museumsführungen weiterhin stattfinden, freue ihn, obgleich er mittlerweile der Letzte ist, der noch hautnah und „nicht nur aus Büchern“ von den Erlebnissen unter Tage berichten kann, sagt Zapf. An den Arbeiten, den Tiefstollen zum „Erlebnisbergwerk“ umzugestalten, habe er im Übrigen ebenfalls mitgewirkt und somit gewissermaßen beigetragen, die Moderne in den alten Stollen zu holen. Zapf zufolge fahre beispielsweise das Bockerl „heute mit Strom und nicht mehr mit Diesel“.

Von 1952 bis 1971 hatte der 85-Jährige in der Peißenberger Grube gearbeitet. Nicht selten auch „ganz unten“. Im Zieglmeierschacht in Peißenberg war der Weg dorthin zunächst mit einer kilometerlangen Reise durch die verschiedenen Zeitalter der Erdgeschichte verbunden. Die ersten 1000 Meter hatte man dabei im Förderkorb zu überwinden. Anschließend hieß es aussteigen und in einen Schrägschacht wechseln. Dort ging es abermals gut 250 Meter hinab, bis man schließlich auf der tiefsten Sohle – quasi dem Keller des Peißenberger Bergwerks – angekommen war.

Bis heute pflegt Hans Zapf Freundschaften mit den noch lebenden Kameraden von damals

In den verzweigten Stollensystemen, einen guten Kilometer unter der Marktgemeinde, hatte Hans Zapf einige Verantwortung und vor allem reichlich zu tun. Strecken- und Sprengmeister war er gewesen. Dass er den Job gewissermaßen noch heute beherrscht, weiß jeder, der das inszenierte „Schiass’n“ bei einer Führung durch den Tiefstollen miterleben durfte.

„Kalt wird’s dir da unten net“, sagte Zapf lachend. Kein Wunder – bei knapp 40 Grad. Schweiß- und rußverschmiert werkelten die Männer dort stundenlang, jeden Tag. Ein gefährlicher Knochenjob. „Kameradschaft war da sehr wichtig“, betonte er. Man habe sich jederzeit auf den anderen verlassen können. Bis heute pflegt Hans Zapf Freundschaften mit den noch lebenden Kameraden von damals. „Wir treffen uns dann in der Post und reden über die alten Zeiten“, sagte er. Man merkt ihm an, wie viel im das Bergwerk selbst ein halbes Jahrhundert nach der Schließung noch bedeutet. Von den unzähligen Geschichten, die der „Zapf Hans“ auf Lager hat, kann sicherlich auch der ein oder andere aufmerksame Museumsbesucher berichten.

Mit seiner Besuchergruppe besichtigt Hans Zapf den Erlebnisstollen im Peißenberger Bergwerk.
Das Interesse an den Schauführungen im Peißenberger Bergwerk ist groß. © Ralf Ruder

An diesem Abend teilt Zapf die Anwesenden auf und marschiert mit einem guten Dutzend in Richtung Stollen-Portal. Der Rest bleibt mit Leonhard Alt, Vorstand der Museumsfreunde, vorerst im Warmen zurück.

Alt weiß – genauso wie Zapf, der mit seiner Gefolgschaft mittlerweile im Berg verschwunden ist – wie man eine Museumsführung lebhaft gestaltet und ist darum bemüht, gerade die Kleinen mit dem Bergbau-Virus zu infizieren. Das gesamte Bergwerksgelände, das er mit den Schachtanlagen in Peißenberg, Hohenpeißenberg und Peiting als „Ruhrgebiet von Bayern“ bezeichnet, verfügte über „mehr Gleiskilometer unter Tage als die U-Bahn in München“, erklärt Alt und sorgt damit schon kurz nach Beginn der Führung für erstaunte Gesichter. 259 Todesopfer hat der örtliche Bergbau gefordert. „Relativ wenige für die lange Zeit und trotzdem zu viel“, bedauert Leonhard Alt. „Keiner sollte bei seiner Arbeit umkommen“, merkt er an und blickt dabei andächtig zur großen Gedenktafel hinüber.

Bergbaumuseum in Peißenberg ist ein „Erzählmuseum“

„Wir sind ein Erzählmuseum“, stellt Alt klar. Als solches lebe es gewissermaßen von Menschen wie Hans Zapf, die die Knochenarbeit unter Tage noch leibhaftig miterlebt haben. Viele seien allerdings nicht mehr übrig und noch weniger sind sowohl geistig als auch körperlich in der Verfassung, eine unterhaltsame Führung durch die prall gefüllten Museumsräume zu leiten. Dass Leonhard Alt selbst nicht in der Peißenberger Zeche gearbeitet hat, fällt hinsichtlich seiner Fachkenntnisse überhaupt nicht auf.

Beinahe die gleiche Menge Pechkohle, die bis 1971 aus der Unterwelt ans Tageslicht befördert wurde, befindet sich Alt zufolge noch immer dort unten. „Wir könnten also gleich am Montag wieder anfangen“, scherzt er. Auch die meisten Gerätschaften seien nach der Schließung zurückgelassen worden. Ein echtes „Eldorado für Schrotthändler“, käme man heute noch dort hinab. Gerade der mit Fossilien vollgepackte Geologie-Raum fasziniert die Menschen. Dass sie „eines der bestausgestatteten Geologiemuseen in Oberbayern“ zusammengestellt haben, erfüllt Alt mit Stolz. Doch auch die übrigen Ausstellungsräume zeugen von Herzblut und viel Liebe zum Detail.

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Beinahe eineinhalb Stunden später und um zahllose Erkenntnisse über die heimatliche Geschichte reicher, spuckt das Museum seine Gäste schließlich wieder an der Eingangspforte aus. Mit dem Besuch des Tiefstollen steht das Highlight jedoch noch bevor. Wie zuvor schon Hans Zapf – der seiner Gruppe währenddessen irgendwo im Museum lebhaft die Funktionsweise bergmännischer Ausrüstung erklärt – steuert Alt die kleine Lok in den Schlund des fast 155 Jahre alten Bergbaurelikts. Am Ende des ausgebauten Stollens heißt es absteigen und einen Blick auf den „Alten Mann“ werfen.

Damit meint er aber keineswegs einen greisen Bergarbeiter, sondern den verschlossenen, unausgebauten Abschnitt des alten Stollens. Starker Schwefelgeruch dringt durch die geöffnete Klappe. Sogar die Feuerwehr würde hier zeitweise zu Übungszwecken vorbeischauen, erklärt Alt. Ein enger und nasser Gang führt schließlich zu einem der Lieblingsorte der Museumsführer. Sichtlich amüsiert drückt Alt einen Knopf und schon hallt lautes Knallen durch den Stollen. Sogar Rauch tritt aus. Eine simulierte Sprengung – „Schiass’n, sagt der Bergmann“, der übrigens für fast alles einen eigenen Ausdruck hat.

Von den Bergwerk-Arbeitern ist in den 70er-Jahren „keiner vergessen worden“

Im Freien treffen die beiden Gruppen schließlich zusammen. Auch Hans Zapf hat seine Führung zu Ende gebracht und den Helm wieder abgenommen. „Sperrst du dann zua?“, ruft er Leonhard Alt zu. Der nickt. Routine.

Nach seiner aktiven Zeit im Bergwerk war Zapf bei der MTU untergekommen. Schon Leonhard Alt hatte während seiner Führung betont, dass man in den 70er Jahren sichtlich bemüht gewesen sei, den Bergleuten im Anschluss an die Pechkohle-Ära eine Arbeitsstelle zu verschaffen. Es sei damals „keiner vergessen worden“.

Hans Zapf ist es wichtig, dass die Erinnerung an das Bergwerk und die vielen „wuiden Hund“ von damals erhalten bleiben und die Geschichten noch lange weitererzählt werden. Menschen wie der „Hans“ sind wandelnde Sach- und Geschichtsbücher, denen man gerne und lange zuhört – insbesondere dann, wenn es um die Geschichte des eigenen Heimatortes geht. Von Florian Zerhoch

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