„Russland wird säubern”: Militär-Experte zeigt heikle Folgen von Stoltenberg-Plan auf

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Militärexperte Gustav Gressel ist überzeugt: Falls die Ukraine eine russische Besatzung ihrer Gebiete toleriert, sind die Konsequenzen dramatisch.

Berlin/Kiew/Moskau – Militärexperte Gustav Gressel hat ein düsteres Bild für eine mögliche tolerierte russische Besatzung ukrainischer Gebiete gezeichnet: „Russland wird hier alles Ukrainische aus diesen Gebieten säubern und vertreiben“, sagte der Österreicher in einem ntv-Interview.

Der russische Präsident Wladimir Putin werde die Ukrainer „in Straflager stecken und deportieren“ und „regimetreue Leute aus dem Sicherheitsapparat dort ansiedeln“. Zudem sagte Gressel weiter: „Die Leute werden hier eine russische Kolonie nach nationalen Prinzipien führen. Diese Leute und auch der Sicherheitsapparat - der an diesen Säuberungen, diesem Völkermord beteiligt ist - der sieht das Fortbestehen des putinischen Systems in seiner aggressiven antiwestlichen Form als einzige Lebensversicherung an, nicht in den Knast zu gehen.“

Ukrainische Soldaten stehen und knien an einem Sarg auf einem Friedhof.
Ukrainische Soldaten nehmen am Sarg Abschied von einem Kameraden. © Evgeniy Maloletka/dpa

Das bedeute: „Sie werden alles tun, dass dieses System sich nie ändert und dass diese Politik - den Westen als elementaren totalen Feind zu sehen, den man vernichten muss - fortbesteht“, so Gressel.

Experte: Trump könnte Dynamik des Ukraine-Krieges verändern

Zuvor hatte der ehemalige Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg eine dauerhafte russische Besatzung als mögliche Friedenslösung ins Spiel gebracht. Laut Gressel würde es sich dabei nicht um Gebietsabtretungen handeln. Denn: Die Ukraine würde zu einem späteren Zeitpunkt versuchen, ihre Gebiete wieder zurückzubekommen.

Wie viele Experten vermutet Gressel, dass sich die Dynamik des Ukraine-Krieges mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump ändern kann. Der frühere US-General Keith Kellogg soll den Krieg für Trump beenden.

Kelloggs Pläne ähneln den Ideen von Joe Biden und Olaf Scholz, sagte Gressel. Alle wollten einen Waffenstillstand und das Einfrieren der aktuellen Frontlinien. Auch Biden und Scholz hätten sich nie zu einem ukrainischen Sieg bekannt oder die Wiedererlangung alter Grenzen öffentlich gefordert.

Putin würde „Dilettanten einfach aussitzen“

Auch unter US-Präsident Biden habe die USA die ukrainischen Hilfen immer mal wieder „rauf- und runtergefahren“, so Gressel. Die Biden-Regierung habe meistens sehr langsam gehandelt. Beispielsweise hätten die USA im Herbst 2022 gedacht, dass Russland bald Verhandlungen suchen würde. Als Russland das nicht tat, habe die USA die Ukraine für eine Gegenoffensive aufrüsten wollen. Dabei hätten sich die Verantwortlichen so lange Zeit gelassen, dass die Gegenoffensive „völlig in den Sand verlaufen ist“, sagte Gressel.

Sollte Kellogg künftig schneller handeln, steige die Wahrscheinlichkeit für Verhandlungen über einen Waffenstillstand. „Sonst wird Putin diese Dilettanten einfach aussitzen und schauen, dass er den Krieg in die Länge zieht. Weil er weiß: Er ist am gewinnenden Ast“, so der Militärexperte.

Russland wolle keinen Waffenstillstand, sondern die Ukraine beherrschen. Putin plane einen Marionettenstaat mit russischer Prägung und Militärpräsenz. Ein Waffenstillstand ist der „Wunschtraum“ des Westens, meinte Gressel.

Russland wird Angriffstempo wohl drosseln müssen

Zurzeit stehe die Ukraine unter enormen militärischen Druck. Insbesondere die hohe Anzahl russischer Drohnen stelle eine enorme Belastung für die Luftabwehr dar. Über die stark zerstörte Energie-Infrastruktur in der Ukraine sagte Gressel: „Es kann diesen Winter wirklich sehr dramatisch werden.“ Große Wohnblöcke könnten unbewohnbar werden, woraufhin sich viele Ukrainer in Richtung Westen auf die Reise machen könnten.

Aber: Der Abnutzungskrieg sei für beide Seiten schlecht. In Russland mache sich allmählich die „Knappheit an gepanzerten Transportfahrzeugen bemerkbar. Und das führt eben zu diesen hohen Verlusten an Mannschaften, weil man die Leute nicht mehr in geschützten Fahrzeugen an die Front und zurückbringen kann.“

Inflation schwächt Russland im Ukraine-Krieg

Auch die Inflation stelle eine Gefahr für Putin dar. Denn: Die wirtschaftliche Krise führe zu einem geringeren Rekrutierungsaufkommen. Falls Putin diese Verluste nicht mit nordkoreanischen Soldaten ausgleichen könnte, wäre das für Russland sehr problematisch.

Dann könnte das russische Militär das aktuelle Tempo im Ukraine-Krieg maximal bis zum Frühjahr hochhalten. Danach würde Russland wohl nicht mehr in allen Frontabschnitten gleichzeitig angreifen können.

Zudem könnte Putin dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad im Kampf gegen die Rebellen wenig helfen. Einzelne Militärberater und Piloten seien zwar entbehrlich, aber: Größere Verbände würden nicht nach Syrien geschickt. „Wenn der Iran Assad nicht hilft, könnte es brenzlig werden“, sagte Gressel. (Jan Wendt)

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