Wohltat für „Putins Kriegskasse“: Deutschland bekommt wohl russisches Gas – über Umwege
Hat sich Deutschland von Putins Gaslieferungen gelöst? Nicht ganz – ein Problem im Ukraine-Krieg. Neue Auswertungen zeigen das Ausmaß des Problems.
Berlin/Bremen – Nach Beginn von Russlands Ukraine-Krieg wollte die Bundesregierung das Land von Präsident Wladimir Putin von wichtigen Geldflüssen abschneiden. Ob das in Sachen Gaslieferungen anfangs ganz freiwillig passiert ist, ist durchaus eine offene Frage – Russland hatte die Pipeline Nord Stream 1 früh gedrosselt. Neue Auswertungen legen in jedem Fall nahe: Über Umwege kommt weiterhin russisches Erdgas in die Bundesrepublik.
Das geht aus einer Berechnung der Umwelt-NGO Urgewald hervor. Die zeigt zwar zunächst, dass im Jahr 2023 Norwegen Deutschlands wichtigster Lieferant von Erdgas war: 43 Prozent der Importe – das Flüssiggas LNG ausgeklammert – gehen auf das Konto des Nato-Partners. Auf Rang zwei und drei folgen allerdings die Niederlande und Belgien. Und diese beiden Länder importieren Erdgas teils auch aus Russland.
Deutschlands Gas-Importe: Russisches LNG kommt über Umwege ins Netz
Urgewald verweist auf Recherchen der belgischen NGO Bond Beter Leefmilieu. Demnach könnten im Jahr 2022 „sechs bis elf Prozent“ der Gas-Lieferungen nach Belgien aus wieder in Gasform gebrachtem russischem LNG bestanden haben. Im vergangenen Jahr dürfte sich dieser Anteil erhöht haben: Über den Hafen Zeebrügge habe Russland 41 Prozent mehr LNG geliefert als noch 2022, hieß es – und die Gaslieferungen Belgiens an Deutschland seien stabil geblieben.

Ein wenig anders ist die Lage in den Niederlanden. Das Land reduziere den Import, es erlaube keine neuen Verträge über den Kauf von russischem LNG. Dennoch gilt laut Urgewald auch dort: „Es kommt weiter russisches LNG an.“ Allein stehen diese Länder und Deutschland mit dieser Problematik nicht da. Österreich erhält aktuell sogar noch russisches Pipeline-Gas.
„Damit wir Putins Kriegskasse nicht immer weiter mit Geld füllen, muss die Bundesregierung Russlands Gaslieferwege nach Deutschland endlich konsequent versperren“, forderte Moritz Leiner, der Autor des am Dienstag (20. Februar) veröffentlichten Urgewald-Papiers. Aber auch die Nachbarländer müsse die Bundesregierung in den Blick nehmen: Deutschland müsse sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass „russisches Gas nicht mehr in die EU importiert und re-exportiert werden darf“.
Importeur | Anteil an deutscher Versorgung |
---|---|
Norwegen | 43 Prozent |
Niederlande | 26 Prozent |
Belgien | 22 Prozent |
Quelle: Urgewald unter Berufung auf Daten der Bundesnetzagentur / Stand 2023
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Russlands Kriegskasse und Gasimporte: 2022 bringt LNG Putin 19 Milliarden Euro aus der EU
Unterdessen gilt: Direkte Importe von LNG decken den Daten zufolge weiterhin einen eher kleinen Teil des deutschen Gasverbrauchs. Sieben Prozent der Importe machen sie laut Urgewald aus. Ganz vorne lagen dabei die USA. 79 Prozent des LNG an den deutschen Importterminals kam aus den Vereinigten Staaten. Auf den weiteren Rängen folgten Trinidad und Tobago, Angola und Norwegen mit jeweils 4 Prozent. Aktuell sind LNG-Pipelines in Bau, unter anderem in Norddeutschland. Dabei gab es Anfang 2024 mutmaßlich einen Sabotageakt.
Am Mittwoch (21. Februar) haben auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sowie 100 weitere Organisationen ein europaweites Importverbot für russisches Gas gefordert. Deutschland stehe als größter Gasmarkt der EU dabei in einer besonderen Verantwortung. Russlands Exporte über Pipelines seien zwar stark zurückgegangen, aber über LNG-Terminals vor allem in Spanien, Frankreich und Belgien liefere das Land weiterhin. 2022 hätten sich die LNG-Importe aus Russland in die EU immer noch auf 12 Prozent der Vorkriegsimporte belaufen und 19 Milliarden Euro in die russischen Staatskassen gespült, teilte die DUH mit.
Die ukrainische Umweltorganisation Razom We Stand warnte eindringlich: Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen führe „zur Fortsetzung dieses verheerenden Krieges“, sagte Gründerin Svitlana Romanke. Um das Blutvergießen in der Ukraine stoppen zu können, sei eine beschleunigte Wende zu sauberen Energien nötig. Ähnlich äußerte sich Urgewald-Mitarbeiter Leiner. „Jeder Gaslieferant schickt uns eine schwere Klimalast, außerdem eine schwere Umwelt- oder Menschenrechtshypothek“, erklärte er. (fn)