Trotz Selbstmord-Theorie: Neue Zweifel an Tod von Diplomatin in Teheran
Teheran, Mai 2021: Sylvie Brunner, eine Top-Diplomatin in der Schweizer Botschaft, stürzt aus dem 17. Stock eines Hochhauses in den Tod. Etwa eineinhalb Stunden vor ihrem Tod schreibt Brunner noch eine SMS an ihren Freund mit den Worten „Good Buy“ statt korrekterweise „Goodbye“. Seltsam für eine Top-Diplomatin, die jahrelang in den USA gelebt hatte. Ein Abschiedsbrief wird gefunden, ohne Datum und Unterschrift.
Schweizer Diplomatin stürzt in Teheran aus Hochhaus - ihr Job war extrem heikel
Iranische Behörden sprechen schnell von Suizid. Die neuesten Recherchen des Schweizer Rundfunks (SRF) aber werfen Zweifel an dieser Darstellung auf und deuten auf einen möglichen Mord hin.
Hintergrund: Die Schweiz agiert als Schutzmacht für die USA in Teheran und die jüngsten Enthüllungen des SRF legen nahe, dass diese heikle Rolle Brunners Tod und weitere mysteriöse Todesfälle Schweizer Staatsbürger im Iran erklären könnte.
Ein iranischer Rettungsdienstmitarbeiter erklärte laut SRF nach dem Auffinden der Top-Diplomatin: „Selbstmord kommt nicht infrage“. Er wurde daraufhin entlassen und angeklagt.
Die Schweizer Bundesanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen eines möglichen Tötungsdelikts ein, stellte diese allerdings im November 2024 ohne Beweise für Fremdeinwirkung ein.
„Ich dachte immer an Mord“: Herz und Gehirn fehlten nach Überstellung
„Ich dachte immer an Mord“, sagt nun der Bruder Brunners in den neuesten Recherchen des SRF. Die Diplomatin habe von Bedrohungen durch den iranischen Geheimdienst gesprochen: „Sie wusste, dass sie im Visier des iranischen Geheimdienstes war.“ Die Obduktion ergab ein „durch stumpfe Gewalt verursachtes Polytrauma“, heißt es in dem Bericht.
Mysteriös: Organe wie Herz und Gehirn fehlten nach der Überstellung des Leichnams in die Schweiz, was die Untersuchung erschwerte.
Plötzlicher Schwächeanfall eines Schweizer Verteidigungsattachés
Die Recherchen des SRF beleuchten weitere mysteriöse Vorfälle im Iran:
- Im Juni 2023 fand man den Schweizer Verteidigungsattaché Oberst Girolamo M. schwer verletzt in einem Teheraner Hotelzimmer – mit Wunden am Kopf, an Knien, Brust und Bauch. Kurze Zeit später starb er.
- Im September 2023 wurde ein Mitarbeiter der Schweizer Botschaft in Teheran mit einem Messer angegriffen, offiziell als Raubüberfall deklariert – selten im Iran.
- Anfang 2025 starb ein Schweizer Tourist in einem Gefängnis in Semnan, angeblich durch Suizid, nach einer Verhaftung wegen Spionageverdachts. Die „Berliner Zeitung“ berichtet, er habe Bodenproben für das iranische Atomprogramm gesammelt.
Schweiz vertritt im Iran die Interessen der USA
Die Schweiz vertritt seit 1980 die Interessen der USA im Iran, was die Arbeit der Diplomaten riskant macht. „Unsere Rolle für die USA macht uns sichtbar“, sagt Monika Schmutz Kirgöz vom Schweizer Aussendepartement in dem SRF-Beitrag, relativiert aber einen Zusammenhang.
Doch ein ehemaliger iranischer Geheimdienstler erklärt in den neuesten Recherchen des SRF: „In meiner Abteilung wurde angenommen, dass der Tod der Diplomatin von den Revolutionsgarden verursacht worden war.“ Das Nachrichtenportal „Watson“ zitiert ihn: Die Garden sähen in der Schweizer Botschaft einen „Infiltrationspunkt der Amerikaner“, da sie glaubten, Mitarbeiter arbeiteten für die CIA.
Die Zusammenarbeit mit Teheran bleibt schwierig. „Die Iraner sagten uns nichts“, berichtet Schmutz Kirgöz laut SRF über den Fall des in Haft verstorbenen Touristen. „Watson“ hebt hervor, dass die Schweiz im Fall Brunner keinen Zugang zu Ermittlungen erhielt, da die Schweizer Polizei im Iran nicht tätig werden kann. „Mit dieser Unsicherheit muss ich vielleicht bis ans Ende meiner Tage leben“, klagt der Bruder der verstorbenen Top-Diplomatin im SRF.