Klimakleber zu 40 Sozialstunden verurteilt

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Von der Polizei weggetragen wurde Klimakleber Luis Böhling im Oktober 2023 am Stachus in München. © privat

Der Jugendrichter verlangt in seinem Urteil auch, dass der 20-jährige Dorfener einen Aufsatz schreibt. Thema: „Was hat die Protestform der Klimakleber gebracht, außer Leute zu verärgern?“

Erding – Der 20-jährige Klimaaktivist Luis Böhling musste sich vor dem Amtsgericht Erding wegen zwei Straßenblockaden der „Letzten Generation“ am Münchner Stachus verantworten. Im August saß der Dorfener erstmals auf der Anklagebank, die Verhandlung wurde allerdings vertagt, weil ein Zeuge unentschuldigt fehlte. Am Montag fiel das Urteil.

Jugendrichter Michael Lefkaditis verurteilte den Beschuldigten zu 40 Sozialstunden. Zudem soll Böhling einen Aufsatz schreiben und dabei hinterfragen: „Was hat die Protestform der Klimakleber gebracht, außer Leute zu verärgern?“

Im Juli 2023 hatten Böhling und weitere Aktivisten die Fahrbahn des Altstadtrings direkt gegenüber dem Justizpalast blockiert. Dabei saß er lediglich auf dem Gehweg. Anfang Oktober 2023 klebte sich Böhling dann wieder am Stachus an die Hand einer anderen Klimaaktivistin, die sich wiederum mit ihrem Fuß auf der Fahrbahn fixiert hatte. Böhling wurde von den Ordnungshütern zeitnah abgelöst und weggetragen.

Bei der zweiten Aktion trug der Angeklagte allerdings ein Aufnahmegerät unter seinem Pullover. Ein Journalist hatte ihm das Tonband gegeben. Böhling dachte, ein „Pressemikrofon“ könne nicht illegal sein, verteidigte er sich. Das Gerät lief offenbar bei der Durchsuchung durch die Polizei in einem Einsatzwagen immer noch. Zu Aufnahmen kam es nicht, vermutlich wegen einer Fehlbedienung, bezeugte ein Sachverständiger vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft sah darin dennoch den Versuch der „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“.

Böhling hatte keinen Anwalt. Er habe nichts Illegales getan, betonte der junge Delinquent vor Lefkaditis. Seiner Meinung nach müsste er freigesprochen werden. Auch in Anbetracht der Sache: „Ich habe Angst – meine Zukunft steht auf dem Spiel“, verwies der Studierende auf die kontinuierliche Erderwärmung, die Extremwetterereignisse in den vergangenen Monaten sowie die nahezu ergebnislose Weltklimakonferenz in Baku.

Eine Einstellung des Verfahrens sei nicht möglich, erklärte der Richter. Böhling habe sich der wiederholten Nötigung schuldig gemacht. „Sie sind ein Überzeugungstäter“ – als solcher sehe der Klimaaktivist die Aktionen nach wie vor als ein probates Mittel, die eigenen Ziele durchzusetzen.

Um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen, sei Böhling bereit gewesen, Fahrzeuge an der Weiterfahrt zu hindern. Die Gruppe habe dabei eine physische sowie psychische Barriere gegen die Autofahrer geschaffen. Die Protestaktion war ein einheitlicher Tat-Entschluss gewesen, auch wenn Böhling selbst nicht für den daraus resultierenden Rückstau verantwortlich war.

Der Aktivist zeigte sich nach dem Urteilsspruch resigniert: „Ich habe versagt, weil ich meinen Standpunkt nicht klarmachen konnte.“ Petitionen, Konsumverzicht und Demos hätten nichts gebracht: „Sagen Sie mir, was ist richtig, was ist falsch in einer Welt wie dieser?“, wandte er sich direkt an den Richter.

Lefkaditis sah durchaus das Dilemma. Er wisse schon, dass der Einzelne keine Handhabe habe, politischen Druck auf die Entscheidungsträger auszuüben. „Ich bin froh, dass er Menschen gibt, die sich aktiv für den Klimaschutz einsetzen – nur die Form ist sozial nicht adäquat, das kann ich nicht gutheißen.“ Seien Rat: „Bleiben Sie aktiv – aber anders.“

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