Bund Naturschutz warnt: Aiwangers Pläne zur Abschussregelung gefährden Wälder im Oberland

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Noch ist die Verbissbelastung in vielen Wäldern im Oberland niedrig, doch mit der Abschaffung der Abschussplanung könnten sich das laut Bund Naturschutz ganz schnell ändern. © PantherMedia/Mrocek

Droht dem Oberland der Kahlschlag? Jagdminister Hubert Aiwanger (FW) will die Abschussplanung lockern – doch der Bund Naturschutz warnt: Ohne wirksame Bejagung sind die Wälder massiv gefährdet.

Oberland – Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) schlägt Alarm: Bayerns Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) plant, die behördlich geregelte Abschussplanung für Reh-, Rot- und Gamswild teilweise abzuschaffen. Für den BN wäre das ein fataler Rückschritt. „Eine effektive Bejagung ist für den Erhalt der Wälder unverzichtbar“, berichtet der BN. In einem offenen Brief wendet sich der Verband nun an Landräte, Bürgermeister und Untere Jagdbehörden und warnt vor einer Verschärfung der Waldkrise – auch in vielen Teilen des Oberlandes.

Erfolgsmodell in Gefahr: „Effektive Bejagung ist unverzichtbar“

Gerade im Landkreis Miesbach zeigt sich: Die bestehende Abschussplanung wirkt. Drei von vier Hegegemeinschaften weisen laut BN-Auswertung tragbare bis günstige Verbissbelastungen auf. Diese Erfolge sind das Ergebnis einer gut abgestimmten Zusammenarbeit zwischen Behörden, Waldbesitzern und Jägerschaft – und dürften keinesfalls durch Gesetzessperren aufs Spiel gesetzt werden, so der BN.

Anders sieht es im benachbarten Garmisch-Partenkirchen aus. Hier sind alle sieben Hegegemeinschaften laut forstlichem Gutachten 2024 durchgängig mit einer zu hohen Verbissbelastung konfrontiert – und das seit vielen Jahren. Die BN-Auswertung zeigt ferner: In in vielen Revieren mit kritischer Verbissbelastung wurde in den letzten fünf Begutachtungen kaum eine Verbesserung erreicht. Das sei ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Abschussplanung dort entweder nicht umgesetzt, nicht ernst genommen oder nicht ausreichend gegengesteuert wurde, kritisiert der Bund Naturschutz.

Zwischen Licht und Schatten

Auch in den weiteren Landkreisen des Oberlandes ist das Bild gemischt:

Bad Tölz-Wolfratshausen: Von zehn Hegegemeinschaften weisen sieben eine tragbare Verbissbelastung auf – drei liegen im kritischen Bereich (30 Prozent).

Fürstenfeldbruck: Vier Hegegemeinschaften wurden bewertet – eine davon hat zu hohe Verbissbelastung (25 Prozent) eine sogar die Bestbewertung „günstig“.

Landsberg am Lech: Hier zeigt sich mit fünf von sechs Hegegemeinschaften in grünem Bereich (83 Prozent) eine grundsätzlich positive Entwicklung.

Starnberg: Vier der fünf Hegegemeinschaften gelten als tragbar, eine ist kritisch (20 Prozent).

Weilheim-Schongau: Deutliches Warnsignal – nur vier von zwölf Hegegemeinschaften (33 Prozent) schneiden noch gut ab, acht sind bereits zu hoch (gelb).

Besonders brisant: In einigen „roten“ (deutlich zu hoch) Hegegemeinschaften (nicht im Oberland) dauert der untragbare Zustand laut BN schon seit 2006 an. Damit wird nicht nur gegen gesetzliche Vorgaben wie das Waldverjüngungsziel und das Gebot der Wildschadensvermeidung verstoßen – die Folge ist der Verlust massiver klimastabiler Mischwälder, wie sie für die Anpassung an die Klimakrise dringend benötigt würden, so der BN.

BN fordert gezielte Maßnahme

Der Bund Naturschutz appelliert an die Unteren Jagdbehörden, bei der laufenden Abschussplanung klare Kante zu zeigen: Jagdreviere mit dauerhaft hoher Verbissbelastung müssen zu höheren Abschusszahlen verpflichtet werden. Notfalls sind Zwangsmaßnahmen anzudrohen – etwa, wenn Abschussvorgaben wiederholt ignoriert werden. Gleichzeitig ruft der BN dazu auf, das Verfahren transparenter zu gestalten, IST- und SOLL-Abschusszahlen offen zu legen und Jagdbeiräte besser einzubinden.

Gerade kleine Waldbesitzer hätten keine Chance, klimaresiliente Mischwälder aufzubauen, wenn das Wild die Verjüngung dauerhaft auffrisst, berichtet der BN. „Wer jetzt die Abschussplanung schleifen lässt, gefährdet nicht nur den Wald, sondern auch den gesellschaftlichen Konsens in der Jagdpolitik, so der BN.

Abschussplan

Die Abschussplanung wird in Bayern alle drei Jahre auf Basis forstlicher Gutachten und revierweiser Aussagen erstellt. Ziel ist es, Wildbestände im Einklang mit der natürlichen Waldverjüngung zu halten. Die Verbissbelastung gilt dabei als zentraler Indikator. In über 170 Hegegemeinschaften Bayernweit wurde seit 2012 eine günstige oder tragbare Situation erreicht – ein Beleg für die Wirksamkeit des Instruments, sagt der BN.

Kommentar: „Wo der Wald gesund ist, braucht es mehr Vertrauen in die Jäger.“

Als Jäger mit langjähriger Erfahrung in einem Revier im Oberland, das vom forstlichen Gutachten als „grün“ – also mit tragbarer oder günstiger Verbissbelastung – bewertet wurde, sehe ich die aktuelle Debatte um die Abschussplanung mit gemischten Gefühlen. Dass Wälder geschützt und klimastabil verjüngt werden müssen, ist für uns alle selbstverständlich. Aber wenn unsere Arbeit vor Ort messbar funktioniert, sollte das auch Konsequenzen haben – und zwar in Form von mehr Flexibilität.

Die Abschussplanung war und ist ein wichtiges Instrument, insbesondere in Problemgebieten mit überhöhtem Wildbestand. Doch in Regionen, in denen Jäger, Waldbesitzer und Behörden seit Jahren erfolgreich zusammenarbeiten, wäre es aus meiner Sicht sinnvoll, Spielräume zu schaffen. Wenn Rehwildbestände im Gleichgewicht mit dem Wald stehen, sollten wir Jäger auch eigenverantwortlich agieren dürfen – natürlich immer in einer Absprache mit Förstern und Grundeigentümern.

Statt starrer Vorgaben brauchen wir eine differenzierte Betrachtung: Dort, wo der Wald leidet, müssen die Abschüsse erhöht und auch kontrolliert werden. Aber dort, wo sich der Wald erholt, sollten wir nicht mit der gleichen Bürokratie konfrontiert sein wie in den „gelben“ und „roten“ Problemrevieren. Vertrauen und Augenmaß wären hier ein starkes Signal – auch für die vielen Ehrenamtlichen, die sich in der Jagd mit Herzblut engagieren.

Denn am Ende gilt: Jagd ist nicht nur Pflicht, sondern auch Verantwortung – für Wild und Wald.

Kai Lorenz

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