Betriebsrenten in Gefahr: Pensionskasse verzockt Beiträge bei Bauprojekt

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Die Pensionskasse der Steinmetze hat in ein scheinbar sicheres Bauprojekt investiert. Das steht aktuell in der Schwebe und droht zum Fiasko zu werden.

Berlin – Mehreren deutschen Versicherungsgesellschaften droht offenbar ein herber Verlust. Sie haben in ein verheißungsvoll klingendes Berliner Immobilienprojekt investiert und könnten damit Geld in den Sand gesetzt haben. Das Manager Magazin skizziert den Fall online anhand der Zusatzversorgungskasse des Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks. Sie ist die Pensionskasse für Betriebsrenten in der Branche.

Zinsversprechen bei Betriebsrenten verpflichtet zu Investitionen

Das System der Pensionskassen ist in Deutschland weit verzweigt. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) führt in ihrer Liste 134 von ihnen. Das liegt auch daran, dass es selbst innerhalb einer Branche mehrere Kassen gibt. Die Betriebsrenten von Tierärzten sind in einer anderen Kasse angelegt als die von Zahnärzten.

Durch die strenge Aufteilung sind die einzelnen Pensionskassen klein. Bei der Zusatzkasse der Steinmetze kümmern sich nur acht Beschäftigte um die Betriebsrenten von 15.000 Arbeitnehmern in 45 Betrieben. Die Handwerker dieser Branche, die eine Betriebsrente zusätzlich zu ihrer gesetzlichen Altersvorsorge abschließen, zahlen 2,6 Prozent ihres jährlichen Bruttolohns in die Kasse ein. Deren Aufgabe ist es nicht nur, das Geld zu verwalten, sondern es gewinnbringend anzulegen und zu investieren. Denn in den Rentenverträgen ist eine Mindestverzinsung garantiert.

„In der Niedrigzinsphase waren in herkömmlichen Bereichen keine ausreichenden Renditen mehr zu bekommen“, sagt Vorstand Gerd Merke dem Manager Magazin. Die Kasse muss also ein gewisses Plus erwirtschaften, um handlungsfähig zu sein. „Dabei braucht eine Pensionskasse mindestens vier bis fünf Prozent, um am Ende die Rentenbeihilfe für die Versicherten ausreichend bedienen zu können“, weiß der Fachmann.

Pensionskasse investiert in Bauprojekt „Fürst“ fünf Millionen Euro

Merke stieß auf das Immobilienprojekt „Fürst“, das vom Projektentwickler Aggregate umgesetzt wurde. Dieser plante, am Kurfürstendamm auf knapp 200.000 Quadratmetern, Flächen für Büros, Einzelhandel und Gastronomie zu errichten. Die Arbeiten sollten 2023 im zweiten Halbjahr abgeschlossen werden. Doch seit mehreren Monaten geht nichts vorwärts.

Laut Unterlagen, die dem Manager Magazin vorliegen, kamen zuletzt zwei ungünstige Faktoren zusammen: Zum einen ist der Wert der Immobilie deutlich gesunken. Von ursprünglich taxierten 1,5 Milliarden Euro auf 879 Millionen Euro. Außerdem sind die Baukosten um 150 Millionen Euro gestiegen.

Die Bauarbeiten beim Projekt „Fürst“ in Berlin sind ins Stocken geraten.
Die Bauarbeiten beim Projekt „Fürst“ in Berlin sind ins Stocken geraten. © IMAGO/Stefan Zeitz

Dass das Bauvorhaben einmal zum Rohrkrepierer werden würde, ahnte in früheren Zeiten freilich niemand. „Als wir da reingegangen sind, waren nur namhafte Gläubiger mitinvestiert, die Crème de la Crème der Versicherungsbranche, die natürlich mehr Expertise haben“, sagt Merke. An dem Projekt beteiligten sich unter anderem die HUK-Coburg sowie die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Die Pensionskasse der Steinmetze ist 2021 mit einer Investition von fünf Millionen Euro eingestiegen.

Das Investment sollte nachrangig mit fünf Prozent verzinst werden. Darin, dass er im Falle einer Pleite als einer der letzten sein Geld zurückerhalten würde, sah Merke damals kein Risiko: „Aber wer hätte damals gedacht, dass es soweit kommen würde?“

Pensionskasse geht womöglich leer aus

Inzwischen ist der Fall doch eingetreten. Und für die Pensionskasse sieht es nicht gut aus. Denn es ist zu befürchten, dass sie von ihrer Zahlung nichts zurückbekommt. Die versprochene Rendite ist noch weiter weg. Das könnte auch Auswirkungen auf die Betriebsrenten haben. Merke verwaltet als Vorstand 150 Millionen Euro. Der möglicherweise ausbleibende Betrag ist somit erheblich.

Durch den Einstieg des britischen Fonds Fidera im Jahr hat das Bauvorhaben eine neue Dynamik erhalten. Denn Merke befürchtet, „dass mit allen Mitteln versucht wird, die Gerichtsbarkeit aus dem EU-Raum hinaus ins Vereinigte Königreich zu verlagern, was bedeutet, dass die hochkomplexen deutschen Verträge nun auf Englisch diskutiert werden müssen“.

Sollte das eintreten, könnte auch ein Rettungsplan, an dem unter anderem die Versorgungsanstalt des Bundes und der Assetmanager BayernInvest und Fidera beteiligt sind, leichter gegen die Interessen von Kleininvestoren durchgesetzt werden könnte. „Wir als kleiner Versicherer werden da über den Tisch gezogen“, resümiert Merke.

Frank Paschen, Vorstand der Pensionskasse der Hamburger Hochbahn, hält die Hälfte der Pensionskassen in Deutschland bereits in den kommenden zehn Jahren wirtschaftlich nicht für überlebensfähig. „Man braucht eine strategische Mindestgröße“, sagt er. Er zweifelt aber nicht nur das System an. „Viele Pensionskassen sind auch handwerklich falsch unterwegs und nicht in der Neuzeit angekommen.“ Sein Lösungsvorschlag liegt in einer Reform: Staatliche Auffanggesellschaften sollen die bestehenden Verträge verwalten. „Die Konsolidierung muss sein, weil die Kleinen auf Dauer ihre Verpflichtungen nicht erfüllen können.“

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