Milei sieht Argentinien „kurz vor dem Absturz“ – jetzt startet Generalstreik gegen seine „Schocktherapie“

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Argentiniens neu gewählter Präsident Javier Milei setzt per „Mega-Dekret“ seine Schocktherapie für das Land durch. Nun regt sich Widerstand.

Buenos Aires – Etwas Historisches hat Argentiniens neu gewählter Präsident Javier Milei bereits geschafft: In Argentiniens Geschichte ist es einmalig, dass ein neu gewählter Präsident bereits nach so kurzer Zeit mit einem Generalstreik konfrontiert wird. 

Aus Protest gegen die radikalen Wirtschaftsreformen des neoliberalen Rechtspopulisten Milei hat die größte Gewerkschaft in Argentinien zum Generalstreik aufgerufen. Der Streik soll am Mittwoch (24. Januar) stattfinden, das hatte der Gewerkschaftsbund CGT bereits Ende Dezember mitgeteilt.

„Teile der Arbeiterklasse haben Milei gewählt, weil sie dem Wahlversprechen glaubten, die ‚politische Kaste‘ werde für die Krise bezahlen. Nun müssen sie erkennen, dass er die Arbeiterklasse bezahlen lassen will“, sagte Daniel Yofra, Generalsekretär der „Föderation der Beschäftigten der Speiseölindustrie“, die dem CGT angegliedert ist, der Tageszeitung Junge Welt.

Proteste in Argentinien (hier am 11. Januar) gegen Mileis „Schocktherapie“. © ZUMA Wire/Imago/Gian Ehrenzeller/dpa/Montage: IPPEN.MEDIA

Milei will in Argentinien staatliche Verantwortlichkeiten und Kontrollen reduzieren

Milei hatte dem hochverschuldeten südamerikanischen Land bei seinem Amtsantritt am 10. Dezember 2023 eine „Schocktherapie“ in Aussicht gestellt, die er dann auch schnell umsetzte. Bereits Ende Dezember erließ er ein Maßnahmenpaket zum „wirtschaftlichen Wiederaufbau“. Milei hatte im Fernsehen und auf Social-Media-Plattformen ein sogenanntes „Notwendigkeits- und Eildekret“ („DNU – Decreto de Necesidad e Urgencia“) angekündigt, das etwa 300 Regelungen modifizieren und weitere 300 komplett aufheben soll.

Das Ziel dieser Maßnahmen ist es, einerseits die staatlichen Verantwortlichkeiten und Kontrollen zu reduzieren und die Rechte der Arbeitnehmer zu begrenzen, andererseits die individuellen und die Marktkräfte zu fördern. „Der repressive Institutionen- und Rechtsrahmen, der unser Land zerstört hat“, so Milei, sollte „aufgelöst und abgebaut“ werden.

Daher beinhaltet das sogenannte Mega-Dekret unter anderem die Deregulierung des In- und Außenhandels, die Aufhebung der Mietbindung, die Beschneidung von Arbeitsrechten und die Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Das angestrebte Ziel ist, „dem Einzelnen Freiheit und Autonomie zurückzugeben und sie dem Staat zu entreißen“, sagte Milei im Dezember laut dem Nachrichtenportal amerika21.

Milei sieht Argentinien als „Land kurz vor dem Absturz“

Als Rechtfertigung für diese radikalen Einschnitte, proklamierte der Präsident „den öffentlichen Notstand in wirtschaftlichen, finanziellen, steuerlichen, administrativen, Renten-, Tarif-, Gesundheits- und Sozialangelegenheiten“. Milei argumentierte, dass die bisherigen Ansätze „fehlgeschlagen“ seien, ob „links, sozialistisch, faschistisch oder kommunistisch“. Er behauptete, diese Lehren seien fehlerhaft, da sie von der Annahme ausgingen, „dass die Vernunft des Staates wichtiger ist als die Individuen, aus denen die Nation besteht“.

Milei unterstrich laut amerika21, dass Argentinien ein „konsolidiertes Defizit von 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts“ (BIP) habe und die Zentralbank kaum Reserven besitze. „Ein Land kurz vor dem Absturz“, so Milei, „erfordert sofortiges Handeln.“ Der 53-jährige Politikneuling hat die drittgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas inmitten einer schweren Wirtschaftskrise übernommen: Die Inflation ist auf mehr als 160 Prozent angestiegen, mehr als 40 Prozent der Bevölkerung leben in Armut.

Milei schränkt in Argentinien Arbeitnehmerrechte ein

Die Beschränkung der Arbeitnehmerrechte zeigt sich unter anderem in der Verlängerung der Probezeit auf bis zu acht Monate und im Verbot von Betriebsblockaden, die als Kündigungsgrund gelten sollen. Da „die Beschäftigung bei sechs Millionen Arbeitsplätzen stagniert“ und „ein Drittel der formellen Arbeitnehmer arm ist“, brauche es laut Milei mehr Flexibilität. Um die Staatsausgaben zu senken, sollen zudem 7000 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden.

Das Streikrecht wird eingeschränkt, indem auch bei Streik die Hälfte der Produktion in den „als wesentliche Dienste geltenden Bereichen aufrecht erhalten werden muss“. Als „wesentlich“ werden große Teile der Wirtschafts- und Industrieproduktion sowie Dienstleistungen definiert, auch die Herstellung von Medikamenten, Transportdienste oder Radio und Fernsehen gehören dazu, berichtet amerika21.

Proteste gegen Milei in Argentinien bereits seit Dezember

Bereits kurz nach Erlass des „Mega-Dekrets“ im Dezember waren in Argentinien Tausende Menschen aus Protest auf die Straße gegangen. In der Hauptstadt Buenos Aires forderten die Demonstrierenden die Justiz auf, das Dekret für ungültig zu erklären. Zahlreiche Menschen schwenkten die argentinische Flagge und Plakate mit der Aufschrift „Das Heimatland ist nicht zu verkaufen“. Nach dem Ende der Demonstration stießen einzelne Gruppen mit der Polizei zusammen. Medienberichten zufolge wurden sieben Menschen festgenommen.

Mileis Dekrete und Gesetzentwürfe für eine umfassende Deregulierung der Wirtschaft richteten sich „gegen die gesamte Gesellschaft“, sagte der Gewerkschaftschef der CGT, Héctor Daer. Milei wolle die gesamte politische Macht „beim Präsidenten konzentrieren“.

Der für Mittwoch angekündigte Generalstreik in Argentinien hat bereits im Vorfeld die organisierte Arbeiterschaft in anderen Ländern auf den Plan gerufen. Die großen Gewerkschaften in Uruguay und Frankreich mobilisieren zur Unterstützung, berichtet amerika21. (sot mit afp)

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