Unterwegs im Tesla Model Y Juniper: So schlägt sich das Elektro-SUV im Alltag
Selten verändern sich Autos bei einem Facelift optisch so stark, wie es nun beim Tesla Model Y der Fall ist. Doch was hat sich sonst noch getan? Wir haben den Stromer ausgiebig getestet.
Als Tesla-Fahrer lebt man aktuell gefährlich. Die stark polarisierenden Aktionen des Firmenchefs Elon Musk stoßen auf viel Kritik – und leider entlädt sich die Wut so manchen Gegners auch in Vandalismus und sogar in Brandanschlägen auf die Elektroautos der Marke. Zuletzt hatten einige Tesla-Besitzer deshalb ihr Fahrzeug mit einem Anti-Musk-Aufkleber versehen, um es zu schützen. Wir überstanden eine Woche mit dem facegelifteten Tesla Model Y zum Glück ohne Anfeindungen und Demolierungen. Die mit dem Zusatz „Juniper“ (deutsch: Wacholder) betitelte Facelift-Version ist ein E-Auto mit vielen Stärken – aber vor allem einer großen Baustelle: dem „Autopilot“.
Leuchtenband an der Model-Y-Front erinnert an den Cybertruck
Zunächst mal ein Blick aufs Design: Nach dem Facelift hat das Model Y kein Marken-Logo mehr vorne auf der Haube. Als Tesla ist das Fahrzeug aber weiter dennoch klar zu erkennen. Das durchgezogene Leuchtenband an der Front erinnert an den Cybertruck, um den der einstige Hype inzwischen verflogen scheint. Insgesamt gefällt das schnittige „Juniper“-Design, das sich mit seinen Rundungen angenehm von der kantigen Kühle eines Polestar abgrenzt und vor allem deutlich weniger aggressiv daherkommt wie die zähnefletschenden Top-SUV von Audi, BMW und Mercedes. Die Schokoseite des Model Y ist unserer Ansicht nach das Heck mit der indirekten Beleuchtung aus der durchgehenden Leuchtleiste – ein echter Hingucker. Hier prangt dann auch stolz ein großer Tesla-Schriftzug. Die Preise für das Tesla Model Y Juniper beginnen bei 45.970 Euro (Hinterradantrieb). Die Version „maximale Reichweite“ des heckgetriebenen Modells startet bei 50.970 Euro, die von uns getestete Variante mit Allradantrieb (maximale Reichweite) gibt es ab 53.970 Euro.

Tesla Model Y Juniper: Blinkerhebel statt Blinkertasten am Lenkrad
Die gute Nachricht: Das Model Y hat einen Blinkerhebel. Wer keinen Tesla fährt, mag sich über diese Aussage wundern. Doch das Tesla Model 3 beispielsweise hat statt eines Hebels Blinkertasten am Lenkrad. Beim normalen Abbiegen kommt man damit relativ gut klar, in einem Kreisverkehr ist diese Platzierung aber katastrophal: Die nötigen Verrenkungen, um einen der Knöpfe zu erreichen, erhöhen die Unfallgefahr. Wer allerdings nun vom Model 3 aufs Model Y umsteigt, betätigt vermutlich in den ersten Tagen wohl des Öfteren Lichthupe und Scheibenwischer statt des Blinkers, denn diese Tasten befinden sich im Model Y dort, wo das Model 3 die Blinkerknöpfe hat.

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Gangwahl am Bildschirm – oder der Tesla übernimmt komplett
Generell müssen Tesla-Kunden mit einer Minimalzahl an Knöpfen auskommen. Gesteuert wird auch im Model Y beinahe alles über den Bildschirm in der Mitte – auch beispielsweise die Gangwahl. Ein kleiner Schieberegler an der linken oberen Bildschirmseite muss nach oben (Vorwärtsgang) oder nach unten gezogen werden (Rückwärtsgang), um die Fahrstufe auszuwählen, ein langer Druck in die Mitte bringt den Stromer in den Parkmodus. Auf Wunsch lässt sich in den Optionen das alles aber weitgehend automatisieren. Dann schlägt der Tesla, wenn er beispielsweise vor einer Wand, einem Garagentor oder einer Hecke steht, vor, dass nun der Rückwärtsgang gebraucht wird – per Pedaldruck bestätigt man den Vorschlag. Steigt man auf die Bremse und schlägt das Lenkrad ein, schaltet er wieder in den Vorwärtsgang. In unserem Test klappte das ziemlich gut.

Bedienung im Tesla Model Y? Kein Problem
Wohl kaum ein Auto lässt sich so einfach und intuitiv bedienen wie ein Tesla – nach kurzer Zeit findet man alles, was man braucht. Das kann man wirklich nicht von jedem Hersteller behaupten. Und im Notfall hilft die Sprachfunktion. Wir fanden zunächst den Knopf fürs Handschuhfach nicht (ist in einem Untermenü), also versuchten wir es mit einem Druck auf den Mikrofon-Button am Lenkrad und dem Befehl „Öffne Handschuhfach“ – und schon fiel die Klappe. Außerdem wurde die Möglichkeit, das EU-Zwangsgebimmel (bei nur 1 km/h über dem erkannten Tempolimit) abzuschalten, quasi auf Direktzugriff-Touch-Taste gelegt: Neben dem erkannten Tempolimit ist auf dem Screen ein kleiner Lautsprecher abgebildet – ein Fingerdruck hierauf und es herrscht Ruhe. Zumindest bis zum nächsten Start, wenn sich das Ganze wieder von selbst aktiviert. Bitte an dieser Stelle nicht missverstehen: Es ist wichtig, sich ans Tempolimit zu halten – aber in manchen Situationen stiftet das permanente Geläute unnötig Verwirrung und nervt einfach.

Kleiner Bildschirm auch für die zweite Reihe
Die Qualität macht einen sehr souveränen Eindruck. Alles fasst sich solide an, sowohl die lederartigen Sitzbezüge als auch die Verkleidungen wirken wertig. Die Geräuschdämmung im Innenraum ist ebenfalls gut – aber nicht so erstklassig wie im facegelifteten Model 3. Und auch Komfort ist kein Fremdwort im Model Y: Die vorderen Sitze lassen sich nicht nur beheizen, sondern auch kühlen – und selbst die Fondpassagiere können sich ihren Platz erwärmen lassen. Dafür müssen sie auch nicht dem Fahrer zurufen: In der zweiten Reihe gibt es ein kleines Display, über das man verschiedene Funktionen steuern kann – beispielsweise die Sitzheizung oder die Klimatisierung. Auch die Neigung der Rückenlehne können die Fondpassagiere hier nach Wunsch einstellen. Und wer hinten rechts mehr Platz braucht, kann den Beifahrersitz nach vorne fahre fahren lassen. Wer mag, kann auf dem 8-Zoll-Mäusekino auch Filme anschauen oder Videospiele spielen – per Bluetooth lassen sich sogar Controller damit verbinden. Unterhalb des Displays finden sich noch zwei USB-C Ladebuchsen.

So fährt sich das Model Y Juniper
Zur Motorleistung macht Tesla genau wie zur Batteriekapazität keine offiziellen Angaben. Die Höchstgeschwindigkeit gibt der Hersteller mit 201 km/h an, die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h mit 4,8 Sekunden. Daran zweifeln wir nicht: Das allradgetriebene Model Y beschleunigte jederzeit mehr als souverän – trotz des Leergewichts von 2.072 Kilogramm (laut Fahrzeugschein). Die Reichweite gibt der US-Autobauer mit 568 Kilometern an, den Normverbrauch mit 15,3 kWh/100 km. Wir lagen im Schnitt bei rund 18 kWh/100 km. Laut verschiedenen Medienberichten liegt die Batteriekapazität des Model Y bei 78 kWh, was bei dem genannten Verbrauch zu einer Reichweite von um die 430 Kilometer führen würden. Unserer Ansicht nach ist das ein ziemlich realistischer Wert. Das Fahrwerk ist ordentlich abgestimmt – für unseren Geschmack aber vielleicht etwas zu straff.

Laden mit dem Model Y
Wie schnell lädt es denn nun, das Model Y „Juniper“? Hier lautet die Antwort leider wie so oft: Kommt darauf an. Je leerer der Akku ist, desto schneller kann der Supercharger Strom in die Batterien pumpen. Bei unter 20 Prozent Akkustand kann die Ladeleistung schon mal Richtung 250 kW steigen – allerdings fällt sie auch relativ zügig wieder ab. Bei einem unserer Strom-Tank-Vorgänge waren es bei 40 Prozent Akkustand nur noch 120 kW, bei 70 Prozent sank die Ladeleistung auf 69 kW. Aber hier spielen viele Faktoren eine Rolle: Ist die Batterie vorkonditioniert? (in diesem Fall war sie es) Wie niedrig sind die Temperaturen? (hier waren es um die 0 Grad). Bei besonders tiefen Temperaturen kann das Schnellladen deutlich länger dauern, wie Tests zeigen. Mangels Wallbox konnten wir das Zuhause-Laden nicht testen.

Jede Menge Platz und praktische Lösungen
Die Rücksitzlehnen im Model Y lassen sich per Knopfdruck vom Kofferraum aus elektrisch umklappen – und auch wieder hochfahren. Auch die Gepäckraumabdeckung ist clever gemacht: Fürs einfache Beladen lässt sich sie sich einfach zusammenfalten und wer noch mehr Platz braucht, nimmt sie einfach ab (ist mit Magneten fixiert) und verstaut sie am dafür vorgesehenen Ort unter dem Ladeboden. Ebenfalls praktisch sind die beiden tiefen Mulden rechts und links vom Kofferraumboden: Hier lassen sich kleinere Gegenstände unterbringen, sodass sie während der Fahrt nicht durch den Kofferraum purzeln. Es gibt keine Ladekante und unterhalb des Bodens existiert noch zusätzlicher Stauraum, in dem man beispielsweise Ladekabel unterbringen kann.

Doch das war es noch nicht: Unter der Haube hat das Model Y auch noch einen Frunk (Front Trunk), in den auch nochmal einiges hineinpasst. Tesla gibt das Volumen für den Gepäckraum mit 2.128 Litern an, wobei die Hersteller oft unterschiedlich messen. Die Tesla-Angaben beziehen sich auf eine umgeklappte Rückbank und inkludieren vermutlich auch den Stauraum unter dem Kofferraumboden sowie den Frunk.

Ein Auto für alle, die viel zu verstauen haben
Auch im Innenraum lässt sich jede Menge verstauen. Die Mittelkonsole enthält ein riesiges Fach, unter der Armlehne ist noch ein zweiter – ebenfalls nicht kleiner – Stauraum, dazu gibt es zwei Cupholder, die mit ihren Gummieinlagen 0,5-Flaschen gut am Platz halten. In den Tür-Ablagen finden sich weiter Ablagemöglichkeiten. Eine Kleinigkeit – die aber trotzdem extrem praktisch ist, ist die Smartphone-Ablage unterhalb des 15,4-Zoll-Bildschirms: Sie ist mit einem samtartigen Belag gepolstert und hält dank ihres Winkels und der Umrandung das Telefon gut in Position. So hat man es jederzeit beim Aussteigen schnell griffbereit und muss sich nicht wie in vielen anderen Fahrzeugen die Finger verbiegen. Und induktiv laden kann es das Telefon auch noch – allerdings laut Betriebsanleitung nur ohne Hülle.
Tesla und der Autopilot – ein Kapitel für sich
Und dann ist da natürlich noch der „Autopilot“. Unser Testwagen hatte die Basis-Version an Bord – eine Kombination aus Abstandsgeschwindigkeitsregler und Lenkassistent. Und die hinterließ keinen guten Eindruck: Wir hatten auf der Landstraße zwei sogenannte Phantombremsungen – und eine wilde Warnung, die uns aufschrecken ließ. In sämtlichen Fällen hatte das System offenbar vermeintlich erkannt, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug auf Kollisionskurs ist. Nur: In allen Situationen war das nicht der Fall. Danach setzten wir das System kaum noch ein – es war uns ehrlich gesagt zu unsicher. Auch, dass vor fast jeder Fahrt mindestens eine Warnmeldung (fast immer Warnung vor nicht verfügbarem Müdigkeitsassistent, aber unter anderem auch vor nicht verfügbarer Spurhaltekorrektur) aufpoppte, machte die Sache nicht besser. Kurz nach dem Start verschwanden die Meldungen meist.
In der Betriebsanleitung des Model Y heißt es unter anderem: „Lenkassistent ist für Kraftfahrstraßen mit begrenztem Zugang vorgesehen und erfordert die volle Aufmerksamkeit des Fahrers. Verwenden Sie den Lenkassistenten nicht in Gebieten mit Baustellen oder auf Straßen, die auch von Fahrradfahrern und Fußgängern genutzt werden.“ Offenbar ist man bei Tesla nach einigen juristischen Scharmützeln inzwischen sehr sensibel: In der Betriebsanleitung finden sich zahlreiche Warnungen (mit rotem Ausrufezeichen), die verdeutlichen, dass der Autopilot jederzeit überwacht werden muss und auch nicht autonom fahren kann.

Wieso lässt sich der Autopilot in schwierigen Situationen aktivieren?
Doch es geht noch weiter: In der Betriebsanleitung des Tesla Model Y warnt der Hersteller tatsächlich vor Phantombremsungen. Auch wenn er sie nicht so nennt. Wörtlich heißt es: „Der Abstandsgeschwindigkeitsregler reagiert möglicherweise auf Fahrzeuge oder andere Objekte, die nicht vorhanden sind oder sich nicht in Ihrem Fahrstreifen befinden. Model Y wird in solchen Fällen unnötigerweise oder nicht situationsgerecht abgebremst.“ Außerdem funktionierten sowohl der Abstandstempomat als auch der Lenkassistent unter anderem bei „scharfen Kurven“, „in einer hügeligen Gegend“, und bei „hellem Licht“ „wahrscheinlich nicht wie erwartet“. Aha. Aber hier stellt sich die Frage: Wieso kann man das System in einer Ortschaft vor einer Kuppe, bei Gegenlicht und ohne Fahrstreifen-Markierungen überhaupt aktivieren? In dieser Beispiel-Situation merkten wir, wie sehr das Auto Probleme hatte, irgendwie auf Kurs zu bleiben. Wieso warnt das Fahrzeug nicht zumindest und fordert zum manuellen Übernehmen auf? Völlig unverständlich. Unsere Phantombremsungen sind kein Einzelfall: Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat inzwischen Untersuchungen wegen der Tesla-Phantombremsungen eingeleitet.

Tesla setzt allein auf Kameras – und das ist offensichtlich ein Problem
Man kann an dieser Stelle nur warnen, sich nicht zu sehr auf den „Autopilot“ zu verlassen. Das Hauptproblem der Technik bei Tesla: Sie setzt ausschließlich auf Kameras. Andere Hersteller setzten zusätzlich beispielsweise noch Lidar und Radar ein, was das System redundant und damit deutlich sicherer macht. Wo die Unterschiede sind, zeigte vor einige Zeit beeindruckend der Test eines YouTubers. Immerhin: Nachdem in der Vergangenheit viel gefährlicher Schindluder mit dem Autopilot getrieben wurde, fordert das System regelmäßig dazu auf, das Lenkrad leicht zu bewegen, um sicherzustellen, dass man aufmerksam ist. Ignoriert man diese Aufforderungen mehrmals, wird der Autopilot gesperrt und lässt sich auf der aktuellen Fahrt nicht mehr einsetzen. Passiert das Ganze fünfmal, dann lässt sich der Autopilot beim Model Y erst gar nicht mehr einschalten.
Unser Fazit zum Tesla Model Y Juniper
Wir lassen Elon Musk und seine Eskapaden an dieser Stelle außen vor. Das Tesla Model Y Juniper ist ein gelungenes Elektro-SUV, das mit einem moderaten Verbrauch (angesichts des Gewichts und der Leistung) sowie guter Verarbeitung überzeugt. Dazu kommt: Kunden können das entlang der Autobahnen gut ausgebaute Supercharger-Netzwerk nutzen. Und wer sich in der Tesla-App angemeldet hat, muss das Auto einfach nur dort anstecken, den Rest (inkl. Abrechnung) erledigt die Technik. Das ist komfortabel. Auch der wirklich üppige Stauraum in dem Fahrzeug kann überzeugen, genau wie Bedienung und die automatischen Schaltvorgänge. Der „Autopilot“ ist für uns definitiv kein Kaufgrund, hier besteht dringend Nachbesserungsbedarf.